The Ocean RaceIck freu mir so!

YACHT-Redaktion

 · 14.01.2023

The Ocean Race: Ick freu mir so!

YACHT-Woche – Der Rückblick


Liebe Leserinnen und Leser,

in der Woche gab es fast nur ein Thema in der Redaktion: The Ocean Race und der anstehende Start am Sonntag. Nie zuvor waren wir Deutsche so verwöhnt bei dem Offshore-Klassiker: mit Boris Herrmann und seiner „Malizia – Seaexplorer“ ein deutsches Team, mit „Guyot Environnement“ ein französisch-deutsches Team (Robert Stanjek und Phillip Kasüske) und an Bord von „Holcim – PRB“ zumindest ein deutsches Crewmitglied (Sanni Beucke). Darauf mussten wir seit „Illbruck“-Zeiten lange genug warten. Grund zur Freude also, nie zuvor hatten wir so viele Eisen im Feuer! Wir können uns also in den kommenden Wochen und Monaten, mitten in der Segel-Saure-Gurken-Zeit, bis zum Saisonstart auf ein spannendes Rennen einstellen.

Einziger Wermutstropfen ist das Starterfeld. Auf gerade einmal fünf Boote kommt das mit der neuen Imoca-Klasse besetzte Rennen, die Round-the-World-Wertung für die alten Volvo 65 wurde mangels Startern zu einem europäischen Drei-Etappen-Rennen verkürzt. Da bekommt man richtig Angst um den Mount-Everest des Crew-Segelns um die Welt.

Nicht dass Missverständnisse aufkommen, mit sieben Booten waren auch die letzten beiden Auflagen nicht gerade üppig besetzt. Aber war die Idee nicht, dass die vergleichsweise riesige Imoca-Klasse mit allein 36 Startern bei der Route du Rhum diesem Inbegriff des ultimativen Offshore-Rennens frisches Leben einhauchen sollte? Was ist da passiert? Also außer einer weltweiten Pandemie?

Zunächst einmal muss man ja sagen: Die Idee, auf Open 60 zu segeln, schien einerseits eine gute. Andererseits aber auch wieder nicht. Eine gute, weil es unumstritten viele Boote und Teams gibt, die das Rennen sowohl vom Knowhow als auch vom Budget her angehen könnten. Viele Segler begrüßten außerdem den Schritt, weil die Imocas aufregende modernste Segeltechnik sind und die Weiterentwicklung der Volvo 65 in Foil-Regionen sehr, sehr teuer geworden wäre und mit den Booten nach dem Rennen bis zum nächsten nichts zu segeln war. Klassischer Sponsoren-Albtraum.

Eine nicht so gute Idee, weil man wohl unterschätzte, dass für die vielen französischen Teams das Ocean Race gar nicht so attraktiv ist. Zitat eines Open-60-Team-Managers, mit dem ich mich in St.-Malo unterhalten konnte: „Die französischen Sponsoren sind oft gar nicht auf dem internationalen Markt tätig, die wollen und brauchen das Race gar nicht.“

Und das Rennen ist aufwändig und teuer, schluckt viel Geld und Ressourcen. Und viele Teams stecken das lieber beispielsweise in einen zweiten Satz Foils. Gar nicht so wenige Skipper fürchten zudem in dem langen, materialzehrenden Rennen Schäden am Schiff, die den in Frankreich ungleich viel höher einzuschätzenden Start bei der Vendée Globe oder der Route du Rhum oder dem Transat Jacques Vabre gefährden. Merke: Erst kommt die Vendée, dann gaaanz lange nichts.

Und dass die zweite Starterklasse des Rennens mit den alten Volvo 65 nicht so richtig einschlagen würde, war fast zu befürchten. Ganz ehrlich: Welche Top-Profis, und die will das Rennen ja anziehen, haben Lust, auf einer alten Einheitsklasse zu segeln, die sich technisch nicht mehr weiterentwickelt, zwischen den Rennen praktisch international bedeutungslos und auch noch richtig teuer ist? Eben. Da würde ja fast die Klasse der Class 40 erfolgversprechender sein, da gibt es noch viel mehr Teams, auch mehr außerfranzösische, und die Teams sind oft relativ gut aufgestellt.

Aber, und das ist für mich persönlich ein großes ABER: All das verblasst vor dem, auf das ich mich seit Monaten freue. Erstmals in der Imoca-Geschichte werden die Schiffe mit richtiger Crew um die Welt gepusht. Die Boote werden dann wohl erstmals zeigen, was in ihnen steckt. Denn ganz ehrlich, bei der Vendée Globe schaffen die Skipper oft nicht mehr als 80, 85 Prozent aus ihren Yachten herauszuholen, zu anstrengend sind die Boote zu segeln. Sinnvolle Segelwechsel fallen flach, weil der Skipper stehend k. o. ist. Oder zu müde, das Wetter ausführlich zu analysieren. Oder er muss wieder irgendetwas reparieren. Beim Ocean Race wird das kaum vorkommen. Volle Pulle 24/7 ist da das Motto. Ich bin mir sicher, wir werden einen neuen 24-Stunden-Rekord für die Klasse sehen. Wird auch höchste Zeit, denn zurzeit liegt der der „alten“ Volvo 65 noch bei rund 602 Meilen („Akzo Nobel“), die Bestmarke für den Open 60 stammt noch immer von Alex Thomsons 2017er „Hugo Boss“ mit „nur“ 536,81 Seemeilen – übrigens als „Guyot Environnement“ wieder am Start! Mal sehen, was vier Jahre weitere Optimierung und neue Foils gebracht haben!

Und ich freue mich auf ein Rennen der Underdogs gegen den Platzhirsch. Auf dem Papier müsste „11th Hour“ eigentlich vorneweg segeln, aber wer gesehen hat, wie gnadenlos Kevin Escoffier und Paul Meilhat sich gegenseitig bei der Route du Rhum gemessert haben, glaubt nicht ernsthaft, dass die hinterhersegeln. Vielleicht in den ersten beiden Etappen, aber die Lernkurve wird steil sein, viel steiler, als es Charlie Enright und seiner Crew lieb sein wird. Was Boris macht, bleibt abzuwarten, die unbekannten Ersatzfoils sind leider das große Fragezeichen.

Aber jetzt erst mal: einfach freuen, zurücklehnen, den Start im Stream schauen und danach jeden Morgen als Erstes den Tracker auf dem PC oder Smartphone hochjagen, um zu sehen, wie sich das Rennen entwickelt. Der Berliner sagt: Ick freu mir so!

Andreas Fritsch, YACHT-Imoca-Experte


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