Finot-Conq 56Eine Segelskulptur für vier Millionen Euro

Jochen Rieker

 · 08.01.2023

In der Kombination selten, wenn nicht einmalig: über­schäu­mendes Tempe­rament, hand­zahmer Charakter
Foto: YACHT/J. Kubica

Sie kann alles und noch mehr: Die bei Knierim in Kiel gebaute Finot-Conq 56 ist der Inbegriff einer sehr schnellen Fahrtenyacht – und dabei kein bisschen zickig

Egal von wo aus man sich ihr nähert, ob von achtern, mittschiffs oder von schräg vorn, gleich wo man ihr begegnet, sei es im Hafen oder auf See – sie lässt einen innehalten. An der Mole macht sie manchmal erst auf den zweiten Blick auf sich aufmerksam, weil ihre Linien und Proportionen so unaufdringlich radikal sind. Draußen aber, in der Straße von Bonifacio, zwischen La Maddalena und der Südspitze Korsikas, legt sie alle formale Zurückhaltung ab. Wer ihr da begegnet, in freier Wildbahn, weißer Rumpf auf azurblauem Wasser, blickt wie gebannt auf diese Erscheinung von einem Boot.

FC 56 lautet der Modellname dieses Performance Cruisers – ein Kürzel, das so vieldeutig ist wie sein Charakter. Offiziell steht das Akronym für Finot-Conq, das bretonische Konstruktionsbüro, aus dessen Rechner der weiße Blitz stammt. Die Ingenieure aus Vannes, nach deren Plänen gerade zwei neue Imocas für Thomas Ruyant und Yoann Richomme entstehen, haben eine beeindruckende Zahl von Renn- wie Serienyachten entwickelt, darunter Bestseller für Beneteau wie für Pogo Structures.

Zwischen Fahrten- und Regattaboot

Genau im Schnittpunkt dieser Sphären, zwischen Fahrten- und Regattaboot, liegt ihr jüngstes Crossover. Weshalb man das „FC“ auch anders auflösen kann als mit Finot-Conq: mit dem Gattungsbegriff „Fast Cruiser“.

Genau das nämlich ist diese Yacht: ein berauschend schneller Kreuzer. Das reklamieren etliche Boote für sich, aber nur wenige verkörpern es in solch bestechender Konsequenz, im Grunde kein einziges, wenn man es genau nimmt.

Wir hatten im Spätsommer anderthalb Tage Gelegenheit, der Carbon-Konstruktion in all ihren Finessen unters Vakuum-Laminat zu gehen, sie bei Leichtwind und flachem Wasser ebenso wie in 5 bis 6 Beaufort und Welle auszutesten. Und auch auf die Gefahr hin, etwas vorwegzunehmen, sei schon hier gesagt: Es war nicht nur eine Freude, dieses Schiff zu erfahren. Es war ein Fest! So sehr, dass wir das 3D-Erlebnis am liebsten in Papier verpacken und allen Lesern zum neuen Jahr schenken würden.

Die FC 56 ist tatsächlich nichts weniger als eine Offenbarung – mit dem kleinen Manko, dass, wer sie einmal gesegelt hat, alles andere arg blass finden wird.

Acht Stunden auf ihr, und das Koordinatensystem ist nachhaltig verschoben.

Aber der Reihe nach! Lassen Sie uns mit einigen Grundlagen beginnen. Und warum nicht mit dem Preis, damit wir das hinter uns bringen. Der Preis also ist, da hilft kein Drumrumreden – enorm!

Die bei Knierim am Nord-Ostsee-Kanal gebaute Nummer eins, sagt Arno Kronenberg, der als eine Art Pate und Projektleiter dieser Schöpfung fungiert, habe inklusive der Entwicklung „gut drei Millionen Euro gekostet“. Für Baunummer zwei, die bei Baltic Yachts in Finnland entstehen soll, dem nochmals gehobeneren High End der Top-Werften, weist die inflationsbereinigte Kalkulation schon vier Millionen Euro aus, ohne Mehrwertsteuer, wohlgemerkt. Das ist ungefähr das Doppelte einer Swan 55.

Kunstvoll gefertigte Kohlefaserteile, wohin man greift und schaut

Dafür bekommt der FC-56-Eigner allerdings erheblich weniger. Und das ist kein logischer Bruch in der Argumentationskette, sondern der Schlüssel zu diesem Boot und seinem phänomenalen Potenzial: Mit 11,9 Tonnen ohne Zuladung verdrängt es nur etwas mehr als die Hälfte der praktisch gleich großen, aber konventionell gebauten Luxusyacht von Nautor. Anders ausgedrückt, operiert dieser Performance Cruiser in einer anderen, seiner eigenen Stratosphäre.

Finot-Conq-Chef David de Premorel, der uns beim Testschlag begleitet, sagt: „Im Prinzip haben wir das Schiff nach den gleichen Prämissen und mit der gleichen Technologie konstruiert wie einen modernen Imoca, es ist nur viel einfacher in der Bedienung.“ Man könnte das für einen cleveren Marketing-Spruch halten, doch für so etwas ist de Premorel, der Aeronautiker unter den Yachtarchitekten, schlicht nicht zu haben.

Im Prinzip ein moderner Imoca, nur einfacher zu bedienen

Tatsächlich besteht die FC 56 in Gänze aus Kohlefaser-Sandwich mit hochfestem Corecell-Schaumkern, auch da, wo es niemand sieht: Ruder, Backskisten, Dingi-Garage, Schotten. Besonders hoch belastete Bauteile wie die Maststütze, die mehreren Tonnen an Kompression standhalten muss, wurden gar aus High-Modulus-Carbon laminiert und getempert. Und natürlich sind Mast, Baum, Bugspriet, aber auch Heckkorb-Streben, Steuerräder, Bimini-Bügel, Plotterhalter, Cockpit- und Salontischstützen, ja selbst Handläufe, Waschbecken und Toiletten aus dem schwarzen Gold. Sogar die Selftailer der großen, durchweg elektrifizierten Harken-Winschen: Sichtcarbon.

Anleihen bei der Vendée Globe

In Form und Proportionen ähnelt der Rumpf ebenfalls den Boliden für die Vendée Globe, nur dass er keine Foils trägt und sein Kiel zwar in Längsrichtung schwenkbar ist, nicht aber zu den Seiten. Die Bugsektion ist voll und rund gezeichnet für viel Auftrieb beim Eintauchen in die Welle. Die Flanken verjüngen sich zum Deck hin, was Gewicht spart und mehr Steifigkeit bringt. Das Unterwasserschiff weist nur wenig Sprung auf, vor allem achtern läuft es so flach aus wie ein Bügelbrett, um frühes Angleiten zu ermöglichen. Die Doppelruder sitzen weit außen und besitzen nicht nur scharfe Abrisskanten, sondern auch ein enormes Streckungsverhältnis.

Wanten und Vorstag aus PBO, versteht sich

Bei aller Hochseeregatta-DNA zeigt die FC 56 aber auch ihre andere, die kommode Seite. So ließ David de Premorel kurzerhand das Achterstag weg, weil das dem im Topp weit ausgestellten Groß im Weg wäre. Nicht einmal Backstagen braucht das Boot, obgleich wegbindbare Trimmstagen für längere Amwind-Etappen angeschlagen sind. Stattdessen ist der Carbonmast über zwei sehr breite und stark gepfeilte Salingspaare fixiert – mittels Wanten und Vorstag aus PBO, versteht sich. Auch der Segelplan ist Crew-freundlich konzipiert. Genua und Arbeitsfock werden permanent auf Furlern gefahren, sodass der Vorsegelwechsel mühelos gelingt.

Nötig wird das „Herunterschalten“ an der Kreuz erst oberhalb von 16 bis 18 Knoten wahrem Wind. Denn ist der Schwenkkiel hydraulisch abgesenkt, geht die Yacht satte vier Meter tief; die 2,8 Tonnen Ballast wirken also hocheffektiv. Und bei Lage trägt die maximale Rumpfbreite von 5,20 Metern noch reichlich Formstabilität bei.

Segeln wie in einem Traum

Die FC 56 segelt aber nicht nur steif. Sie gibt sich auch auf eine umwerfende Art wohlerzogen. Auf allen Kursen, unter verschiedensten Bedingungen zeigt sie stets eine so traumwandlerische Balance, dass man sie blind auf Kurs halten kann. Diese Ausgeglichenheit, und das ist das eigentlich Erstaunliche, kommt nicht etwa um den Preis mangelnder Lebendigkeit. Im Gegenteil: So, wie sie auch ohne Hand am Rad für längere Zeit ihre Spur zieht, so leichtfüßig lässt sie sich gleichzeitig nach Druck und Welle steuern. „Wie eine Melges“, schwärmt Jan-Ole Puls, der das Boot bei Knierim maßgeblich mit gebaut, später betreut und mit der Eignerfamilie gesegelt hat.

Man wird auf diesem Boot den Rudergänger vom Rad zerren müssen

Raumschots unter dem 250 Quadratmeter großen asymmetrischen Spinnaker spielt die FC 56 ihre Stärken eindrucksvoll aus. Obwohl sie mit fast vollen Tanks, voller Besatzung und voll beladen im Urlaubstrimm antritt, was gut zwei Tonnen Plus an Verdrängung bedeutet, panthert sie mit erhobenem Bug und glatter Hecksee mit dauerhaft 12 bis 14, in Spitzen bis 16 Knoten durchs Wasser. Selbst angespitzt mit 110 Grad zum wahren Wind zeigt sie dabei keine Tendenz zum Sonnenschuss. Im Passat, bei drei Meter Welle, wird man auf diesem Boot den Rudergänger vom Rad zerren müssen, so sehr versetzt einen diese Art des Segelns in Rauschzustände.

Wobei: Es gibt noch eine Steigerung, nicht im Tempo, aber im Genuss – Two-Sail-Reaching. Das beginnt bei 4 Beaufort schon ab etwa 55 bis 60 Grad zum wahren Wind, nur unter Groß und Genua. Dann löst sich die FC 56 mühelos vom eigenen Wellensystem und springt von 8,5 bis 9 Knoten Fahrt auf 10 bis 12 Knoten.

Wo schwere Verdrängeryachten mit Gieren und Ruderdruck reagieren, träge und gequält, wieselt diese Yacht flink und flott über die Wellen, dass die Spray neben dem Rumpf nur so funkelt. Kleinste Impulse am Rad reichen, um mit Kurs und Ge-schwindigkeit zu spielen. Eine Sünde, hier den Autopiloten zu bemühen.

Keine Kompromisse beim Wohnkomfort trotz Leichtbau

Der Genuss, der aus dem sehr günstigen Verhältnis von Spaß, Speed und Kontrolle resultiert, lässt sich in etwa auch auf einer Pogo oder JPK erleben, auf der neuen First 36 oder einem Dragonfly 40, um einen weiteren Bogen zu spannen. Alles Boote, die geeignet sind, Menschen vom gemütlichen zum engagierten Fahrtensegler zu konvertieren.

Hier aber wird das schiere Erlebnis noch getoppt von einem Komfort- und Raumangebot, das wirklich absolut nichts vermissen lässt. Das ist die wahre Kunst dieser Konstruktion: Leistung mit Luxus zu vermählen, ohne dass ein irgendwie verquer wirkender Kompromiss dabei herauskommt.

Einige Dinge fügten sich, um diese Quadratur des Kreises hinzubekommen.

David de Premorels Lust und Hingabe, sich nicht mit halben Sachen zufriedenzugeben. Seine gewonnene Erfahrung aus der ebenfalls bei Knierim gebauten Vorgängerin, der FC 53, die gewissermaßen als Basis für die größere Schwester diente. Und nicht zuletzt der Eigner, seinerseits Perfektionist und innovationsfreudiger Co-Entwickler, fast immer bereit, für die bessere Lösung die ursprünglichen Budgetgrenzen zu dehnen. All das erst machte die FC 56 möglich.

Und dann war da noch die Corona-Krise, die den Beteiligten zwar Reiseeinschränkungen auferlegte, aber dadurch auch zeitliche Freiräume ermöglichte, die sie im Streben nach dem besten schnellen Fahrtenboot höchst produktiv nutzten.

Selbst Anlagenbauer für Präzisionsmaschinen und als solcher im Mikro- und Nanometerbereich der Physik zu Hause, war der Eigner quasi schon vom ersten Entwurfsstadium gedanklich an Bord. Er brachte sich bei der Wahl der Komponenten ebenso ein wie bei der Programmierung des ausgefeilten C-Zone-Bus-Systems.

Die neigbaren Kohlefaser-Pods für die B&G-Plotter an der Steuersäule waren seine Idee, genauso die Auslegung der Klimaanlage, die im Flüsterbetrieb kaum Zugluft produziert und so wenig Strom braucht, dass die Kabinen nachts per Inverter über die imposante 24-Volt-LiFePO-Batteriebank gekühlt werden können, ohne dass der Generator einspringen muss.

Konstrukteur und Auftraggeber im Doppelpass

Da trifft es sich, dass David de Premorel fließend Deutsch spricht und selbst ein Faible für den mittelständischen Erfindergeist hierzulande hat. Konstrukteur und Auftraggeber übten sich monatelang im intellektuellen Doppelpassspiel, hier der Ingenieur und Ästhet, da der Physiker und Daniel Düsentrieb, für den die Konstruktions- und Bauphase immer wieder hochwillkommene Auszeiten vom eigenen Job brachte.

Wer mit ihm durchs Boot geht, erlebt eine innige Verbindung mit dem, was da entstanden ist. Eine Begeisterung, die viel umfassender ist, als dass sie sich lediglich auf die Leistungsfähigkeit unter Segeln beschränkte. Es schwingt das Gefühl mit, etwas geschaffen zu haben, das es so noch nicht gab, das alle Mühen wettmacht, die im Dreieck zwischen Eigner, Konstrukteur und Bauwerft bei einem so engagierten Projekt nahezu unausweichlich sind.

Eine vier Millionen Euro teure Skulptur, die dem Bootsbau als Inspiration dienen kann

Wer Einzelbauten und Kleinserien ähnlichen Zuschnitts kennt, kann erst ermessen, welch hoher Reifegrad hier erreicht wurde. Ein Fahrtenboot von 17 Meter Länge, mit Bug- und Heckstrahlruder, Dingi-Garage, vier Kabinen und einem hoch funktionalen Ausbau, der obendrein richtig schick aussieht, wenn auch vielleicht etwas kühl wirkend, der quasi alles bietet, was ein Großserienschiff diese Größe mitbringt, sogar an die zwei Meter Stehhöhe, und schlicht Kreise um die vermeintliche Konkurrenz zu ziehen imstande ist. Das macht die FC 56 zum segelnden Synonym des Wow-Faktors.

Pierre Forgia hat daran keinen geringen Anteil. Er ist der Stilist im Team von Finot-Conq und hat dem Entwurf ein ebenso ästhetisches wie seegerechtes Interieur gegeben. Trotz hohem Weiß-Anteil und vergleichsweise wenig Furnierholz kann man sich unter Deck ausgesprochen wohlfühlen. Die Kojen haben alle Komfortmaß, auf der leicht erhöhten Sitzgruppe kommt die gesamte Crew gut unter, im Cockpit ebenso. Und der Umfang von sehr gut zugänglichen Stauräumen würde sogar einem Charterschiff zur Ehre gereichen. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Schapps und Schubladen sowie die ganzen Unterbauten aus leichten Schaumplatten getischlert sind, um das Gewichtslimit nicht zu reißen.

Die Möbelfundamente zählen dabei zur Aussteifungsstruktur des Rumpfes. Und selbst die Waschmaschine an Bord, die sich in einem Schrank versteckt, ist Teil des Leichtbaukonzepts: Sie fasst nur halb so viel Ladung wie herkömmliche Modelle für den Hausgebrauch, wiegt dafür aber weniger als die Hälfte. Der Name der FC 56 spielt mit dieser Obsession, die sie erst werden ließ, was sie ist: Er erinnert an „Libelle“, jenes federleichte Insekt mit dem filigranen Körper, das bevorzugt in Wassernähe lebt und für seine Größe erstaunlich schnell unterwegs ist.

Aber natürlich heißt die Baunummer eins in Wahrheit „Ribelle“. Und auch dieser Name passt. Es ist das italienische Wort für „Rebellin“. Eine Aufständische, die wider die existierende Ordnung kämpft. Eine Yacht, die mit bestehenden Konventionen bricht. Eine vier Millionen Euro teure Skulptur, die dem Bootsbau als Inspiration dienen kann, dienen sollte. Wie schön, dass es sie gibt! Und sei es nur, um kurz innezuhalten.

  • CE-Entwurfskategorie A
  • Rumpflänge 17,10 m
  • Gesamtlänge 18,90 m
  • Breite 5,24 m
  • Tiefgang 4,00/1,65 m
  • Gewicht 11,9 t
  • Segelfläche am Wind 197,0 m²
  • Segeltragezahl 6,2
  • Maschine (Yanmar) 59 kW/80 PS
  • www.fc56.de

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