Jochen Rieker
· 11.12.2022
Sie kommt aus Italien, und ihre Linien ebenso wie ihr Temperament erfüllen alle Erwartungen, die sich aus dieser Herkunft ergeben. Die neue Ice 62 kann aber noch mehr als schnell segeln und gut aussehen. Auch in Konstruktion, Verarbeitung und Variabilität setzt sie Maßstäbe. Wir haben die Luxusyacht mit der Performance-DNA drei Tage lang gesegelt. Hier erste Bilder!
Um sie zu beschreiben, wären Baubilder besser geeignet als solche vom fertigen Boot. Denn die Ice 62 Targa verbirgt unter ihrer Außenhaut und hinter dem sauber gefertigten, höchst funktionalen und zugleich wohnlichen Ausbau unter Deck einige Besonderheiten, die es anderswo im Serienbau gar nicht oder nicht in dieser Konsequenz gibt.
Eigentlich ist die von Umberto Felci gezeichnete Yacht, die irgendwo zwischen Luxusyacht und Performance-Cruiser eine seltene Balance hält, mehr wie ein moderner Offshore Racer gebaut. Der Rumpf wird in einem mehrstufigen Infusionsverfahren aus einem Glas/Carbon-Mix laminiert: Schotten, Bodengruppe und das Deck bestehen aus reinen Kohlefaser-Gelegen mit hochfestem Schaumkern.
Und da enden die Spezialitäten beileibe nicht: Die Schotten sind an den Außenseiten T-förmig ausgeführt; der dadurch vergrößerte Flansch verbessert die Verbindung und Krafteinleitung zu Rumpf und Deck. Die Tanks, ebenfalls aus Carbon, übernehmen strukturelle Funktion. Ruder, Ruderwelle, Mast, Baum, Bugspriet, Targa-Dach und Lukenrahmen – alles Carbon!
Weil es irgendwie verrückt wäre, solchen Aufwand zu betreiben, um das Boot dann mit schwerem Bootsbausperrholz einzurichten, was nicht wenige namhafte Anbieter in diesem eklektischen Marktsegment tun, besteht auch der Ausbau der Luxusyacht im Kern aus leichtem Schaumsandwich.
Kein Wunder also, wenn die 17,99 Meter lange Ice 62 unter 20 Tonnen bleibt – gut 25 Prozent weniger als vergleichbare Konkurrentinnen, die ähnlich schick und ganzheitlich möbliert sind.
Noch ein Feature hebt die Italienerin mit den zum Deck hin eingezogenen Rumpfflanken und den ansehnlich gestreckten Linien heraus: Sie kommt mit einem hydraulischen Liftkiel und Doppelruder, der sie einerseits kompatibel mit fast allen Marinas macht, weil der Minimal-Tiefgang nur 2,30 Meter beträgt. Auf unterster Position aber schwebt die Ballastbombe in amtlichen 3,90 Meter Tiefe. Das sorgt für reichlich aufrichtendes Moment. Die doppelwandig ausgeführte Kielfinne besteht aus Weldox-Stahl, die Hydraulik kommt von einem der besten Spezialbetriebe für solcherlei Technologie: Cariboni. Auch das ein Name aus dem oberen Ende des Regatta- und Superyachtbaus.
Am 27 Meter hohen Mast trägt die Ice 62 Targa mit Selbstwendefock und Groß 240 Quadratmeter Tuch, was einer sehr sportlichen Segeltragezahl von 5,7(!) entspricht. Und wer die ziemlich unbegründete Sorge haben sollte, dass das bei Leichtwind nicht reicht, kann mit dem von North Sails laminierten Code 55 in Helix-Technologie noch mal gut 80 Quadratmeter draufpacken, was dann eine Segeltragezahl von 6,6 ergibt und dermaßen viel Vortrieb, dass es eine helle Freude ist.
Unter 10 Knoten Wind segelt man leicht geschrickt auf Kursen von etwa 60 bis 65 Grad zum wahren Wind ständig um die 8,5 bis 10 Knoten schnell. Das hat schon fast etwas Magisches, weil man hier ja keinen Volvo 65 bewegt, sondern ein Fahrtenboot mit vier Kühlschränken, 1.000 Liter Frischwasser- und 800 Liter Tankkapazität, mit elektrisch absenkbarem Salontisch und Breitbild-TV.
Was übrigens auch für die Maschinenfahrt gilt: Der 195-PS-Diesel schafft in Marschfahrt schon an die 9 Knoten, bei Vollast über 11 Knoten. Dann reißt mitunter die Heckwelle ab, die Ice geht immer mal wieder ins Gleiten über, ohne dabei ungebührlich laut zu werden.
Kurzum: Das Boot ist eine Wucht! Leicht, stark, toll verarbeitet und in jedem Hafen, in jedem Revier ein Hingucker. Mehr demnächst im ausführlichen Test.
Weitere Informationen und technische Daten auf der Website von Ice Yachts.