70-Fuss-SegelyachtenVier Einstiegs-Superyachten um 20 Meter

Martin Hager

 · 16.11.2022

70-Fuss-Segelyachten: Vier Einstiegs-Superyachten um 20 MeterFoto: Sander van der Borch

Es müssen nicht gleich 40 Meter sein. Die Hälfte tut es auch – das Angebot an Segelyachten um 70 Fuß Länge ist groß wie nie. Unser Schwester-Magazin BOOTE EXCLUSIV zeigt vier Topmodelle dieser spannenden Superyacht-Einstiegsklasse

In diesem Artikel:

Die Segelyachtbranche ist im Wandel, die Flaggschiffe der großen Serienyachtwerften wachsen kontinuierlich in Richtung Mini-Superyacht. Die größten Einheiten der Yachtbauer besitzen heute Längen von knapp unter 70 Fuß – deutlich mehr als noch vor fünf Jahren. Damals stellte BOOTE EXCLUSIV die Einstiegsklasse ins Reich der Super­yachten vor und präsentierte überwiegend Formate mit Längen um 60 Fuß. “Eigner – gerade die erfahrenen – haben heute viel mehr Ansprüche an eine Yacht. Sie wollen mehr Raum, Komfort und Performance“, weiß Annick Conijn, Marketing-Chefin der niederländischen Werft Contest Yachts.

Um zu verhindern, dass zufriedene Stammkunden abwandern, findet das Aufrüsten bei nahezu allen Werften statt. Und selbst wenn Werften wie Contest Yachts über größere Segelyachten im Portfolio verfügen – die neue Aufstiegsklasse ist wichtig. “Damit erreichen wir genau die Kunden, die noch nicht bereit für eine reine Custom-Yacht sind und trotzdem sehr klare Vorstellungen haben“, sagt Annick Conijn. In diesem Artikel präsentieren wir vier spannende Modelle aus Holland, der Türkei und aus England.


Contest 67CS: segelnder Jazzclub

Contest Yachts laminierte die 20,30 Meter lange Slup nach Judel/Vrolijk-Linien für einen belgischen Eigner
Foto: Werft

Das Interieur von „Waldron“, der ers­ten Contest 67CS, verblüfft selbst erfahrenste Yachtkenner. Hier unten, im Innern der 39,50 Tonnen verdrängenden GFK-Slup, scheint die Zeit stillzustehen. Wer aus dem Gästecockpit über die fünf Stufen hinab in den Salon steigt, den empfängt eine gediegene, kultivierte Jazzclub-Atmosphäre. „Die Leidenschaft des Eigners für feine Zigarren und gute Jazzmusik sollte sich im Interieur seiner neuen Yacht widerspiegeln“, erzählt Gillian Brown, die gemeinsam mit ihrem Mann Rob Wetzels das Designstudio Wetzels Brown Partners in Amsterdam leitet und für das Interior-Layout und geschmackvolle Styling verantwortlich zeichnete.

Teakholz und helle Stoffe dominieren den Wohnraum und die drei Kabinen, Fittings aus Messing und Details aus handgenähtem roten Leder verstärken den qualitätsvollen Charakter der Einrichtung. Ein Humidor im Custom-Couchtisch zählt zu den pfiffigen Besonderheiten der Saloneinrichtung. „Mit diesem Detail hat sich die Werft selbst übertroffen“, schwärmt der belgische Eigner. „Es war bekannt, dass ich mir einen Humidor wünschte, doch dieses Möbelstück ist ein wahres Kunstwerk; damit habe ich nicht gerechnet.“

Einfache Handhabung mit kleiner Crew

Die 20,30 Meter lange Contest 67CS entstand als erstes Modell der familiengeführten Werft nach Linien der Bremer­havener Designer Judel/Vrolijk & Co, die sich am bestehenden Modellportfolio orientierten und doch ein Exterieur realisierten, das moderner und dynamischer als die bestehende Contest-Flotte wirkt. „Bei der Entwicklung des neuen Modells stand eine einfache Handhabung mit kleiner Crew im Vordergrund, und doch sollte die Yacht für Regattateilnahmen geeignet sein“, erklärt Werftchef Arjen Conijn. Der Rumpf und das Deck wurden als Sandwich-Laminat im Vakuum-Infusionsverfahren gefertigt, ein Festkiel mit 2,95 Meter Tiefgang sorgt für Stabi­lität.

Den 30,75 Meter in den Himmel ragenden Carbonmast lieferte Hall Spars, die Segelmacher von North Sails laminierten die 3Di-Garderobe. Mit Großsegel und Genua trägt „Waldron“ 253 Quadratmeter Segel, ein Gennaker lässt sich bei Bedarf am fest installierten Bugspriet anschlagen. Die Schoten laufen auf fünf Winschen, die bequem vom Steuerstand zu erreichen sind, sodass sich die Slup auch von zwei Personen bequem bedienen lässt. Das von einem hohen Süll und Sprayhood eingerahmte Gästecockpit bietet maximal zwölf Gästen Platz, die sich hier auch bei schlechtem Wetter geborgen fühlen können.

Acht Layout-Optionen zur Wahl

Beim Interior-Layout der Contest 67CS haben Kunden die Auswahl zwischen acht verschiedenen Raumaufteilungen mit drei Kabinen plus kleiner Crewkammer. Der erfahrene „Waldron“-Eigner entschied sich für die Eignersuite im Heck, davor befindet sich der geräumige Salon mit Galley backbords und Navi-Nische gegenüber. Zwei große Gäste­kabinen mit eigenen Bädern sind davor untergebracht, eine kleine Doppelkammer mit Stockbetten nimmt den Bug­bereich ein und ist für die Crew gedacht. Über den Spiegel ist die Lazarette zugänglich, die Platz für einen großen Tender plus Tauchequipment bietet.

Der beeindruckend große Motorenraum des 39,50-Tonners ist bequem von der Eignerkabine aus zu erreichen und wird von einem 132 Kilowatt starken Volvo-Penta-Diesel dominiert, der über ein Hydraulikgetriebe auf einen vierflügeligen Varifold-Propeller wirkt. Gemeinsam mit den Akustik-Spezialisten von Van Cappellen investierte Contest Yachts viel Zeit in die optimale Isolierung der technischen Zentrale. „Wir hatten schon mehrere kleinere Yachten, doch keine war unter Motor so leise wie ,Waldron‘“, kommentiert der Eigner zufrieden. Beim ruhigen Familiensegeln soll es für „Wal­dron“ nicht bleiben. Die Contest-Neuheit soll sich im nächsten Jahr bei der Trans­atlantik-Regatta ARC bewähren.

Technische Daten Contest 67CS

  • Länge über alles: 20,30 m
  • Breite: 5,65 m
  • Tiefgang: 2,95 m
  • Verdrängung: 39,50 t
  • Segelfläche (am Wind): 253 qm
  • Konstruktion & Styling: Judel/Vrolijk
  • Preis (exkl. MwSt.): 2.598.000 €
„Waldron“-Aufteilung: Die Suite des Eigners mit Sofa-Nischen und großem Bad liegt im Heck, seine Kinder belegen die Kabinen vor dem Salon. Im Bug wohnt die CrewFoto: Werft
„Waldron“-Aufteilung: Die Suite des Eigners mit Sofa-Nischen und großem Bad liegt im Heck, seine Kinder belegen die Kabinen vor dem Salon. Im Bug wohnt die Crew

Euphoria 68: Aufstieg in Serie

Die türkische Werft Sirena Marine zeigt mit der 21 Meter langen Euphoria 68 ihr neues Flaggschiff
Foto: Archiv

Ein Designpaket der Extraklasse – das war es, was Werftchefin Ipek Kıraç sich für ihr neues Flaggschiff wünschte. Mit Germán Frers und den englischen Interior-Profis von Design Unli­mited fand die leidenschaftliche Seglerin Kıraç ihr Traum-Team. Eine leicht zu segelnde Yacht mit aufgeräumtem Deck – so lautete der auf eine Zeile heruntergebrochene Designauftrag an den argentinischen Yachtkonstrukteur. Mit der 21,04 Meter langen Euphoria 68 wagt die vor elf Jahren gegründete Werft Sirena Marine nun den Einstieg in die Oberliga, gebaut wird der Semi-Custom-Cruiser ausschließlich nach Ordereingang in den Hallen in Bursa. Dort entstehen auch die kleineren Azimut-Benetti-Modelle (Azimut 30, 40S, 42E, 55) sowie alle Segelyacht-Einheiten der Azuree- (Azuree 33, 40, 46) und Euphoria-Linie (Euphoria 54 und 68). Mit Sirena Yachts launchte Ipek Kıraç kürzlich zudem eine Motorbootlinie (Sirena 56, 64), die ebenfalls in den modernen Werfthallen laminiert wird.

Die Serienwerft ist also breit aufgestellt, will jedoch den Markt der großen Segler verstärkt angehen. Mit dem lange erwarteten Launch der ersten Euphoria 68 zeigt sich nun endlich, wie viel Potenzial in der Marke steckt. Die Bauqualität der Türken ist hervorragend, ein Gewicht von 32 Tonnen für einen Semi-Custom-Bau dieser Größenordnung durchaus erstaunlich. Das neue Euphoria-Flaggschiff entsteht in negativen Formen als Sandwich (GFK und Carbon auf einem Schaumkern) im Vakuum-Infusionsverfahren, das Voraussetzung für einen robusten, steifen und dauerhaft belastbaren Rumpf und Deck ist.

Gekalktes Eichenholz im Interieur

Am 33,70 Meter hohen Mast und Park-Avenue-Baum von Hall Spars stehen am Wind 267 Quadratmeter Segellaminat, denen ein 3,80 Meter tief gehender Kiel mit 9,4 Tonnen Ballast entgegenwirkt. Germán Frers sorgte für eine Doppelruderanlage, die der 5,84 Meter breiten Slup auch bei Krängung optimale Kontrolle und ein direktes Steuergefühl bescheren. Als Flautenschieber kommt ein 117 Kilowatt starker Yanmar-Diesel zum Einsatz, den Bordstrom erzeugt ein Fischer-Panda-Generator mit acht Kilowatt Leis­tung.

Das moderne und von gekalktem Eichen­holz dominierte Interieur stammt aus den Rechnern des von Mark Tucker geleiteten Design-Unlimited-Teams, ein Glasband im Decksaufbau versorgt den Salon mit Sonnenlicht. Bei der Raumaufteilung hat der Eigner die Auswahl zwischen zahlreichen individualisierten Layout-Vorschlägen. So entschied sich der Eigner der ersten Euphoria 68 für eine große Mastersuite im Heck, mit Chaiselongue steuerbords und Eignerbüro gegenüber. Davor und gegenüber der Navigationsecke befindet sich eine Gästekabine, dann schließen sich der Salon mit Speisetisch backbords und der Loungebereich gegenüber an. Die lang gestreckte Galley liegt davor, daneben wohnen zwei weitere Gäste. Die Crewkammer ganz vorn im Bug hat einen separaten Eingang.

Technische Daten Euphoria 68

  • Länge über alles: 21,04 m
  • Breite: 5,84 m
  • Tiefgang: 3,80 m
  • Verdrängung: 32 t
  • Segelfläche (am Wind): 267 qm
  • Konstruktion & Styling: Germán Frers
  • Preis (exkl. MwSt.): 1.800.000 Euro
Ungewöhnliches Layout: Der Eigner entschied sich für eine Gästesuite, die direkt aus dem Salon zugänglich ist. Dafür befindet sich die Galley steuerbords vom MastFoto: Werft
Ungewöhnliches Layout: Der Eigner entschied sich für eine Gästesuite, die direkt aus dem Salon zugänglich ist. Dafür befindet sich die Galley steuerbords vom Mast

Oyster 675: alte Werte, neues Styling

Mit der Oyster 675 verlässt die englische Werft ausgetretene Pfade und bleibt sich dennoch treu
Foto: Chris Taylor

Kaum eine Werft wird so sehr mit dem Begriff „Blauwasser-Cruiser“ in Verbindung gebracht wie die Yachtbauer von Oyster mit Hallen in Southampton und Norfolk. Dass die derzeit neun Modelle der Engländer mit Längen zwischen 14,81 und 37,45 Metern für solide Reisen entworfen und gebaut werden, davon zeugt die Oyster World Rally – keine andere Werft animiert Eigner ihrer Formate dazu, auf eine gemeinsame Weltreise mit 25 Tour-Stopps zu gehen. Oyster Yachts ist in dieser Hinsicht einmalig. „Wir sind uns der Qualität, die wir abliefern, bewusst“, sagt Oyster-Chef David Tydeman stolz. „Unsere Yachten mögen nicht die leichtesten sein, aber sie gehören sicherlich zu den robustesten und seegängigsten auf dem Markt.“

Da macht auch das neue Modell Oyster 675 keine Ausnahme. Die 21,07 Meter lange Slup entsteht als Sandwich aus GFK und – wie für Oyster-Yachten seit Jahren üblich – nach Linien aus den Rechnern von Humphreys Yacht Design. „Wir arbeiteten intensiv an einem moderneren Exterior-Styling und sportlicheren Rumpflinien und sorgten doch dafür, dass die Oyster-DNA ganz unverkennbar erhalten bleibt“, erklärt Yachtdesigner Rob Humphreys.

Helligkeit dank großer Deckshausfenster

Die Yacht ist breiter als die Vorgängerinnen, was laut den Konstrukteuren für eine verbesserte Formstabilität sorgt, dazu kommen eine Doppelruderanlage und ein komplett flaches Vordeck mit eingelassenen Luken. Beim Rigg, der Raumaufteilung und der Art des Hecks (vertikal oder mit schrägem Spiegel, mit oder ohne Stufen) steht Kunden eine Vielzahl an Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung. Baunummer eins der mit Mittelcockpit bestückten Oyster 675 besitzt einen Alumast, aus dem sich – entgegen dem aktuellen Trend – ein gewöhnliches Spektra-Segel ausrollen lässt. „Viele unserer Eigner entscheiden sich für einen Furling-Mast und leicht zu bedienende Systeme, da sie ohne Crew und autark unterwegs sein wollen“, erklärt David Tydeman. Das Deckslayout mit höher gelegenem Mittelcockpit basiert auf demselben Wunsch. Die Schoten laufen auf vier elektrische Deckswinschen hinter den Steuerständen, sodass der Rudergänger den Trimm selbstständig übernehmen kann.

Die Größe des Dieseltanks (1.900 Liter) lässt ebenfalls darauf schließen, dass die neue Oyster – genau wie ihre Schwes­tern – für lange Reisen konzipiert wurde. Durch Kalmen schiebt ein 132 Kilowatt starker Volvo-Penta-Motor, der einen Faltpropeller von Bruntons bewegt. Für ihre effiziente Schall- und Vibrations­isolierung sind die Engländer bekannt, und so soll auch das jüngste Modell flüs­terleise unterwegs sein. Das Raised-Saloon-Layout überzeugt dank der drei vertikalen Rumpf- und der großen umlaufenden Deckshausfenster mit erstaunlicher Helligkeit im Salon. Zudem lassen sich zwei der Frontfenster im Aufbau öffnen und sorgen in warmen Gefilden bei Bedarf für eine natürliche Ventilation.

Technische Daten Oyster 675

  • Länge über alles: 21,07 m
  • Breite: 5,65 m
  • Tiefgang: 2,95 m
  • Verdrängung: 37,50 t
  • Segelfläche (am Wind): 229 qm
  • Konstruktion: Humphreys Yacht Design
  • Preis (exkl. MwSt.): 2.910.000 €
Eigner im Heck: Die Mastersuite liegt bei Baunummer eins vor der kompakten Lazarette, zwei große Gästekabinen befinden sich vor dem höher gelegenen SalonFoto: Werft
Eigner im Heck: Die Mastersuite liegt bei Baunummer eins vor der kompakten Lazarette, zwei große Gästekabinen befinden sich vor dem höher gelegenen Salon

Pilot Classic 66: gelungene Mischung

Mini-Superyacht im Lotsenkutter-Look. Die 23 Tonnen leichte Pilot Classic 66 ist für nur 1,58 Millionen Euro zu haben
Foto: Werft

Diese Linien ziehen die Blicke auf sich. Performance-Classic-Yachts-Chef Mark Speirs orderte das formschöne Design mit schlankem Yachtheck, Schanzkleid, leichtem Deckssprung und senkrechtem Steven mit Bugspriet und Wasserstag bei André Hoek. Der niederländische Designer gilt als Meister geschwungener Rümpfe im Stil der klassischen Lotsenkutter, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts entlang der englischen Küste verkehrten. Als Werftpartner verpflichtete das britische Unternehmen die türkische Werft Metur Yachts, die bes­tens mit Hoek-Entwürfen vertraut ist und die 20,27 Meter lange Pilot Classic 66 als Semi-Custom-Bau produziert.

Als Standard wird die kuttergetakelte Slup mit Carbonmast ausgeliefert, segelfertig für nur 1,58 Millionen Euro. Das luftige Interieur im hellen Neuenglandstil könnte nicht eleganter wirken. Mit einer Verdrängung von nur 23 Tonnen wiegt die aus GFK und Carbon laminierte Pilot Classic 66 deutlich weniger als vergleichbare Formate dieser Größenordnung. Ein 3,20 Meter tief gehender Kiel wirkt der Amwind­-Segelfläche von 254 Quadratmetern entgegen und garantiert so sportliche Segelaction.

Technische Daten Pilot Classic 66

  • Länge über alles: 20,27 m
  • Breite: 4,73 m
  • Tiefgang: 3,20 m
  • Verdrängung: 23 t
  • Segelfläche (am Wind): 254 qm
  • Konstruktion: André Hoek
  • Preis (exkl. MwSt.): 1 575 000 €
Familien-Layout: Der Eigner der ersten Pilot Classic 66 entschied sich für diese Raumaufteilung mit vier Gästekabinen. Eine Vielzahl an Interieur-Varianten lässt sich umsetzenFoto: Werft
Familien-Layout: Der Eigner der ersten Pilot Classic 66 entschied sich für diese Raumaufteilung mit vier Gästekabinen. Eine Vielzahl an Interieur-Varianten lässt sich umsetzen

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