YYachts Tripp 90„Prevail“ – Superyacht aus Greifswald

Sören Gehlhaus

 · 20.11.2022

Läuft: Die Tripp 90 hat sich Komplexitäts­reduktion auf die Fahnen geschrieben. Wenige Hände segeln den fast 30 Meter langen Carbonbau aus Greifswald.
Foto: Andreas Lindlahr
Läuft: Die Tripp 90 hat sich Komplexitäts­reduktion auf die Fahnen geschrieben. Wenige Hände segeln den fast 30 Meter langen Carbonbau aus Greifswald.

Superyachten werden nicht nur im Mittelmeer-Raum gebaut. Auch in Deutschland gibt es Werften, die keine Eigner-Wünsche offen lassen. YYachts aus Greifswald hat mit der „Prevail“ einen knapp 30 Meter langen Carbonsolitär geschaffen, der die Kluft zwischen Eigner und Meer verkleinern soll. Dank Bill Tripp ist „Prevail“ leistungsstark, leicht zu bedienen und im Club der Deckshaus-Avantgarde. Innen lässt Winch Design viele Hölzer und Stile fusionieren

Segeln ist ein Vergnügen, ein nachhaltiges dazu – wenn alles funktioniert und richtig eingestellt ist. Andernfalls übersteigt der Ärger schnell den Spaß. „Mein früheres Schiff habe ich nie richtig verstanden, die vielen Seeventile haben mich verwirrt. Für das nächste Projekt wusste ich, dass wir vereinfachen müssen“, sagt Michael Schmidt, der seine Werft 2015 gründete – um für sich eine Brenta 80 zu bauen, die heutige Y8. Die Simplifizierung brachte die Y7, die Schmidt mit Bill Tripp 2018 entwickelte und von der die achte Einheit gebaut wird.

Mit „Prevail“ hat sich YYachts vorgenommen, die „Keep it simple“-Maxime auf 90 Fuß zu übertragen. Wie das geht? Mit Selbstwendefock, einer Reduktion auf wesentliche Hydraulik und mit Fallen, Schoten und Streckern, die verdeckt zu den Steuersäulen laufen. Auch die Digitalisierung half. Statt mit analogen Schalttafeln können die Bord- und Segelsysteme mit der Smartwatch oder dem Smartphone gesteuert werden. „Es ist wie bei einem iPhone, man will nicht wissen, was drin ist. Die Nutzung steht im Vordergrund“, fasst Bill Tripp die Anstrengungen zusammen.

Es ist wie bei einem iPhone, man will nicht wissen, was drin ist. Die Nutzung steht im Vordergrund”

Konkret lässt sich der Hang zum folgenreichen Pragmatismus an „Prevails“ Achterschiff festmachen. Hinter den Carbonrädern befindet sich unter einer breiten Luke eine wasserdichte Bucht, die wie eine Crashbox aufgebaut ist. Hier lagert das 4,20-Meter-Beiboot – und zwar quer statt längs, wodurch das hinterste Schott für mehr Interior-Fläche weiter nach achtern wanderte. Der Tender wird nicht horizontal über den Spiegel, sondern vertikal und mithilfe eines Carbonspriets gewassert, der aus dem Großbaum fährt. Das spart Gewicht sowie ein zusätzliches Kransystem ein und reduziert die Komplexität, eine Lösung, wie es sie bereits auf der Y7 gab.

Parallelen zu den Y-Modellen aus Greifswald

Die 29,77 Meter werden als Custom-Format vermarktet, und doch finden sich weitere Parallelen zu Y-Modellen. Wie bei YYachts üblich, laminierte Rega Yacht die Carbonrumpfschale in Polen im Vakuuminfusionsverfahren. Als Form diente die der neuen Y9, deren Konzept bereits stand, als sich der „Prevail“-Eigner an Schmidt wandte. Deutlich wird die Verwandtschaft am Bug im Stil eines Tomahawk-Axtblatts, eingeführt mit der Y7.

Die Y9 entstand wieder mit Bill Tripp, den der „Prevail“-Eigner gut kannte und mit dem er das Raumkonzept für seine individuellen 90 Fuß bereits vor der Bauplatzsuche ausgearbeitet hatte: mit seiner Suite inklusive Boatoffice im Bug, einer Kabine mit Einzelbetten für die Kinder dahinter und einer Gästekabine achtern, gegenüber der steuerbords gelegenen Galley. „Er besuchte die Werft und schaute sich einige unserer Schiffe an. Was er sah, überzeugte ihn“, so Michael Schmidt. Vom Kennenlernen bis zur Übergabe gingen lediglich zwei Jahre ins Greifswalder Boddenland. Dass mit Winch Design ein neuer YYachts-Partner die umfangreichen Ideen finalisierte, verkomplizierte die Abläufe keineswegs und machte „Prevail“ einmal mehr zu einem Einzelbau. Die erste Y9, die für 2022 erwartet wird, vertraut auf eine für die Kleinserie entwickelte Gestaltung von Norm Architects aus Kopenhagen.

Positive Dominoeffekte bringen Vereinfachungen

Der US-Eigner individualisierte die Vorgängerin bereits hochgradig, eine 65-Fuß-Deckshausyacht von Hodgdon im gleichen Blaugrau. Der Aufbau aber stieg hinter dem Mast diagonal an. Nun ist es ein kubusförmiges, rundum verglastes Deckshaus, wie Bill Tripp es in abgerundeter und abgeflachter Form bei der Y7 einführte. Die oberste Priorität des Eigners lautete, im Salon sitzend auf das Wasser schauen zu können. Die Nebeneffekte: Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Ruder­gänger und hohe Energieeffizienz. Bill Tripp erläutert: „Die vertikal ausgerichteten Fenster verhindern aber auch, dass die Sonne hineinknallt und die Klimaanlage aufgedreht werden muss.“

Dieser positive Multiplikatoreffekt liegt für Tripp auch dem geringen Gesamtgewicht von 55 Tonnen zugrunde, getreu dem Motto: Eine leichte Yacht bedeutet ein kürzeres Rigg, das leichtere Bedienung nach sich zieht, und einen kleineren Motor, der den Verbrauch senkt. „Es macht Spaß, wenn Ideen funktionieren. Teilweise brechen wir mit Dingen, die 50 Jahre lang anders gehandhabt worden sind. Das ist herausfordernd und komplett anders als das, was ich zuvor getan habe“, sagt Schmidt und spielt auf seine Erfolge mit der von ihm gegründeten Hanseyachts-Werft an.

Mit dem vielschichtigen Winch-Interior entfernten sich die Greifswalder maximal weit vom Serienbootsbau

Mit dem Innenausbau von „Prevail“ entfernte sich YYachts maximal weit vom Serienbootsbau. Unter Deck strömt einem der Geruch von Holz und Leder in die Nase. Die Innen­räume leben, besonders durch den Reichtum an Furnieren. Den Kern bildet, wie bei Rumpf und Deck, Corecell-Schaum von Gurit. Darüber liegen dünne Holzschichten: an den Wänden, Schotten und Einbaumöbeln aus gebeiztem Anigré und auf dem Boden aus Eiche. Solitäre in Optik und Bauart sind die Anrichten des Salons mit ihren Körpern aus Makassar- und Schranktüren aus Pali­sanderholz. Das Potpourri aus Hölzern erzeugt ein Hygge-Gefühl und bildet eine der drei Stilsäulen. Amerikanisches Ostküstenflair erzeugen cremeweiß getäfelte Decken und kräftige Blauakzen­te, allen voran in der Galley, die eine zweiköpfige Crew und auch die Eigner über eine Schiebetür nutzen.

Stimmiger Dreiklang aus Einrichtungsstilen

Mid-Century-Charme verströmen der Speisebereich im Deckssalon mit einem individualisierten Cassina-Stuhl und letztlich auch der braune „Barcelona“-Sessel in der Lounge daneben. Den entwarf Ludwig Mies van der Rohe zwar für den deutschen Pavillon der 1929er-Weltausstellung in Barcelona, in den 1950er-Jahren aber startete die industrielle Produktion des Möbelherstellers Knoll. Van der Rohes berühmtesten Bau, die Neue Nationalgalerie in Berlin, vermag manch einer in „Prevails“ pavillonartigem Deckshaus wiederzuerkennen.

Formverliebt geben sich auch der geschwungene Niedergang sowie ein nierenförmiges Tagesbett unterhalb des Salons. Diesen Ruhe- und Lesebereich ganz ohne Fernseher nutzt der Eigner zum Spielen seiner Gitarre, die mitsamt Verstärker unter den Polstern lagert. Über das vielschichtige Interior sagt Andrew Winch ganz passend: „Es ist wie ein Musikstück. Die einzelnen Elemente sind wunderschön, aber der eigentliche Zauber entsteht, wenn man sie alle zusammen erlebt.“ Der Londoner Designer, der bereits für zwei Projekte mit Bill Tripp kooperierte, erhielt den Auftrag in Zeiten der Pandemie und sah die fertige Yacht erst zum Cannes Yachting Festival. Dort zeigte sich Andrew Winch begeistert von der Qualität des Innenausbaus, den YYachts in einer modernen Produktionsstätte in Greifswald durchführt. Nichts klappert oder zittert; die Türen umgeben Gummidichtungen, und sämtliche Aggregate stehen auf Dämpfern.

„Prevail“ ist für Langfahrten und Regatten gerüstet

Wohnfläche sowie Formstabilität erhöht das breite Heck, von dem Backstagen und hydraulisches Achterstag von Reckmann abgehen. Für die zusätzlichen Trimmoptionen am Mast entschied sich der Eigner, weil er neben Langfahrten auch Regattateilnahmen geplant hat. Das Miniserienmodell Y9 wird das nach achtern offene Rigg der Y7 übernehmen, inklusive der stark gepfeilten Salinge. Ein weiterer Sonderwunsch ist ein Roll- anstelle des standardmäßigen Park-Avenue-Baums. An dem von PBO-Wanten gehaltenen Axxon-Carbonmast stehen am Wind 411 Quadratmeter Segel, die Doyle mit Carbon- und Technora-Fasern versteifte.

Nach Ablieferung im Sommer 2021 und bis zur Cannes-Messe Anfang September legte der Eigner 4.000 Seemeilen zurück. Er konnte sich, während „Prevail“ mit 19 Knoten die Wellen absurfte, von der Rutschfestigkeit des Lignia-Decks überzeugen. Die Teak-Alternative aus Kiefernholz wächst auf FSC-zertifizierten Plantagen und erhält ihre Härte über eine nachträgliche Sättigung mit Harz.

Der Eigner legte sofort 4.000 Seemeilen zurück und surfte mit bis zu 19 Knoten die Wellen ab

Ob 90 Fuß das Ende der YYachts-Fahnenstange bleiben werden, bleibt abzuwarten. Die Frage nach der maximalen Flaggschifflänge beantwortet Michael Schmidt jedenfalls ohne Umschweife: „Wir bauen nur bis 110 Fuß – weil ich direkt mit den Eignern sprechen möchte. Je größer die Yachten werden, desto mehr Personen wie Anwälte oder Eignervertreter schalten sich dazwischen.“ Diese Philosophie führt sicher zu vielen weiteren persönlichen Yachten wie „Prevail“.

Technische Daten YYAchts Y8 „Prevail“

  • Länge über alles: 29,77 m
  • Länge (LWL): 25,20 m
  • Breite: 6,80 m
  • Tiefgang: 2,81–4,64 m
  • Verdrängung (leer): 55,75 t
  • Material: Carbon-Sandwich
  • Deck: Lignia
  • Rigg: Axxon
  • Mastlänge: 37,72 m
  • Hydraulik: Reckmann
  • Winschen: Harken
  • Segel: Doyle Stratis 1100
  • Segelfläche (am Wind): 411 qm
  • Motor: 1x Cummins
  • Motorleistung: 1x 224 kW
  • Bugstrahlruder: MaxPower, 25 kW
  • Elektronik: B&G
  • Konstruktion: Tripp Design
  • Exteriordesign: Tripp Design
  • Interiordesign: Winch Design
  • Werft: Michael Schmidt Yachtbau, 2021
Durch den quer geparkten Tender wanderten die Crewkabinen weit nach achtern. An Backbord eine Gästekabine, gegenüber die GalleyFoto: Werft
Durch den quer geparkten Tender wanderten die Crewkabinen weit nach achtern. An Backbord eine Gästekabine, gegenüber die Galley

Dieser Artikel erschien erstmals bei unserem Schwester-Magazin BOOTE EXCLUSIV


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