The Ocean RaceDie deutschen Teilnehmer im Porträt

Tatjana Pokorny

 · 12.01.2023

Erstes deutsches Boot 1973 im Whitbread Race, letztes im Ziel:   die Stahl-Yawl „Peter von Danzig“
Foto: YACHT-Archiv/Schubert

Drei Boote mit deutscher Besatzung gehen an den Start: Boris Herrmann als Teamchef und Skipper auf seiner neuen „Malizia – Seaexplorer“, Robert Stanjek und Phillip Kasüske auf „Guyot Environnement – Team Europe“ und Susann Beucke auf “Holcim - PRB”. Wir stellen sie vor

Deutsche Crews haben immer wieder Zeichen in diesem Hochsee-Klassiker gesetzt. Schon bei der Premiere 1973 war der Akademische Segler-Verein in Kiel mit der 1936 gebauten Yawl „Peter von Danzig“ an der Linie. Die jungen Studenten an Bord kamen durch – aber als letztes Boot ins Ziel. Ihr damaliges Budget für die Weltumsegelung betrug gerade mal 50.000 Mark; heute wären das inflationsbereinigt knapp 85.000 Euro. Das Geld wurde durch Spenden aufgebracht. Es folgten bei der dritten Auflage die „Walross III“ vom ASV Berlin und 1989/ 1990 die Bremer „Schlüssel von Bremen“.

Tim Kröger segelte zweimal mit

Zweimal ist danach Tim Kröger – erst mit „Intrum Justitia“ und dann mit „Swedish Match“– einziger deutscher Segler im Rennen, das hierzulande in den neunziger Jahren einen neuen Popularitätsschub erfährt. Krögers Buch „Abgerechnet wird im Ziel“ zählt zu jenen, die Boris Herrmanns Leidenschaft für den Hochseeregattasport befeuerten, als der gerade mal 17 Jahre alt war.

Der bisher größte Ocean-Race-Triumph unter deutscher Flagge gelingt 2002 dem von Michael Illbruck gegründeten und finanzierten Team mit dem Sieg in Kiel. Das weiße Boot mit dem markanten grünen Design begeistert Hunderttausende bei der triumphalen Ankunft in der Förde. Einziger deutscher Sieger an Bord ist Tony Kolb, der im Rennen darauf mit dem schwedischen Team Ericsson erneut durchstartet, aber noch vor dem Jahreswechsel aus familiären Gründen aussteigt. Michael Müller hält die deutsche Flagge bei den Auflagen zehn und elf mit den Puma-Teams hoch.

Nachdem insgesamt 85 deutsche Segler in den ersten 40 Jahren Ocean Race unterschiedliche Akzente gesetzt hatten, herrscht anschließend ein Jahrzehnt Dunkelflaute. Der heute 39-jährige Segelprofi Michi Müller war vor einem Jahrzehnt der letzte hiesige Segler im Rennen um die Welt. Nun aber steht das Comeback bevor, und es verspricht jede Menge Spannung.


Kurzporträts

Der Volksheld

Boris HerrmannFoto: Pierre Bouras/Team Malizia
Boris Herrmann
Ich verspüre große Freude auf die Ocean-Race-Herausforderung. Wir werden nichts unversucht lassen!“

Boris Herrmann, 41, Skipper „Malizia – Seaexplorer“

Viermal hat er die Welt bereits umsegelt. Beim letzten Mal stieg er im Verlauf seiner mitreißenden Vendée-Globe-Premiere zum Volkshelden auf, mit dem anschließend auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das öffentliche Gespräch suchte. Boris Herrmann ist Deutschlands prominentester Segler. Jetzt steht der 41-jährige Vater einer kleinen Tochter aus Hamburg vor einer weiteren Premiere seiner Karriere: Erstmals wird Herrmann am The Ocean Race teilnehmen. Erstmals führt er ein multinationales Team als Skipper ins wichtigste Mannschaftsrennen um die Welt.

Erfolgreich in Jollen wie dem anspruchsvollen 505er, jüngster Teilnehmer am Mini-Transat, Gewinner des Portimão Global Ocean Race 2008/2009 mit seinem Segelfreund Felix Oehme, Rekorde jagender Weltumsegler auf dem Trimaran „Idec Sport“ 2015, als erster Deutscher mit Platz fünf erfolgreich beim Barcelona World Race 2010/2011 und schließlich populärer Weltmeere-Eroberer bei der Vendée Globe 2020/2021: Boris Herrmanns Segel-Meilensteine sind imposant. Sie führen ihn jetzt an die Startlinie des Ocean Race, von dem er schon als Teenager las und davon träumte, eines Tages selbst einmal dabei zu sein.

Die Weichen für Herrmanns Erfolgskurs stellte die Begegnung und Freundschaft mit Monacos Fürstensohn Pierre Casiraghi im Team von Giovanni Soldinis Maserati-Projekten. Gemeinsam gründeten Herrmann und Casiraghi 2016 auch mit Unterstützung des Yacht Club de Monaco ihr Team Malizia. Es trug Herrmann nicht nur in der Vendée Globe solo um die Welt, sondern ist zu einem veritablen Rennstall gewachsen. Seine Mitsegler für The Ocean Race hat Herrmann handverlesen. Zusätzlich zum Segel-Können haben sich alle langfristig für Team Malizia verpflichtet. Das ist „typisch Herrmann“, der jetzt schon für seine zweite Vendée-Globe-Teilnahme 2024/2025 plant. Davor aber steht das Abenteuer The Ocean Race, in das er wieder mit Klima-Mission startet. Herrmanns Credo „A race we must win“ gilt für den Kampf gegen den Klimawandel ebenso wie für den Sport seines Lebens. Die neue Rennyacht „Malizia – Seaexplorer“ wurde dafür bewusst robust gebaut. Auch das ist typisch für den gebürtigen Oldenburger: Boris Herrmann ist kein Risikosucher, sondern ein bedachter Stratege mit langfristigen Plänen und Zielen.


Der Beharrliche

Robert StanjekFoto: Felix Diemer/Guyot Environnement Team Europe
Robert Stanjek
Das Ocean Race ist eine harte Herausforderung, für die ich mich noch einmal krass verändern musste.“

Robert Stanjek, 41, Co-Skipper „Guyot Environnement – Team Europe”

Robert Stanjek kam nur 21 Tage vor Boris Herrmann am 7. Mai auf die Welt. Beide sind Baujahr 1981, doch grundverschieden. Anders als der frühe Langstrecken-Segler Herrmann war Stanjek mehr als eineinhalb Jahrzehnte im olympischen Leistungssport aktiv, glänzte als Olympia-Sechster 2012 und als Starboot-Weltmeister 2014. Das Rüstzeug dafür hat sich der Berliner Spross einer erfolgreichen Ruder- und Seglerfamilie als Kind zunächst im Seglerverein Rahnsdorf erworben.

Später gab er Gas im Yachtclub Berlin-Grünau, in dem auch Deutschlands erfolgreichster Olympiasegler Jochen Schümann zu Hause ist. Als Nationalsegler im German Sailing Team reifte Stanjek zu einem der national und international besten Starbootsegler heran. Belohnt wurde er im Doppel-Pack mit Vorschoter Frithjof Kleen als Olympia-Sechster bei den Spielen 2012. Nach dem Olympia-Aus für das Zwei-Personen-Kielboot 2012 holte dasselbe Duo 2014 noch den WM-Titel. Danach sattelte Stanjek auf Big Boats um, trieb seine Profikarriere voran und fing Feuer fürs Seesegeln. Ein Probetraining mit dem holländischen Team Brunel vor der letzten Ocean-Race-Auflage führte ihn noch nicht an die Startlinie des bekanntesten Mannschaftsrennens um die Welt, doch Stanjek blieb beharrlich dran an seinem Ziel, die Welt unter Segeln zu umrunden.

Mit dem Berliner Musikproduzenten, Komponisten und Seesegler Jens Kuphal gründete er 2016 das Offshore Team Germany (OTG). Der lange gemeinsame Weg wurde 2021 mit dem Sieg-Coup im Ocean Race Europe belohnt. Für den berühmten Meeres-Marathon haben OTG und Imoca-Ass Benjamin Dutreux aus Frankreich ihre Kräfte gebündelt und das Guyot Environnement – Team Europe formiert. Mit diesem Team ist trotz betagtem Boot im Ocean Race 2023 zu rechnen. Stanjek übernimmt als Co-Pilot von Skipper Dutreux bei seiner Premiere Mitverantwortung. Er geht das Rennen „mit Respekt und Zuversicht“ an.


Der Teamplayer

Phillip KasüskeFoto: YACHT/Richard Langdon
Phillip Kasüske
Das ist das größte Rennen meines Lebens!“

Phillip Kasüske, 26, Crew-Mitglied im Team Guyot Environnement – Team Europe

Seine olympische Karriere blieb unvollendet, weil das Finn-Dinghy nach 2021 aus dem olympischen Programm gestrichen wurde. Da steuerte Phillip Kasüske vom Verein Seglerhaus am Wannsee Neuland an und steht nun an der Seite von Co-Skipper Robert Stanjek vor seiner Premiere als Weltumsegler.

Als Junioren-Weltmeister 2016 und Deutscher Meister 2020 im Finn-Dinghy zählte Phillip Kasüske vom Verein Seglerhaus am Wannsee zu den hoffnungsvollsten deutschen Olympia-Talenten. Doch nach dem Corona-Shutdown, der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio um ein Jahr und der Streichung des Finn-Dinghy für die olympische Zukunft, hat der 28-jährige Berliner seinen Fokus neu ausgerichtet.

Das Kraftpaket konzentriert sich ganz aufs Segeln, suchte und fand als Profi seine Chance. Kasüske war schon Teil des französisch-deutschen Siegerteams im Ocean Race Europe. Einst Schüler der Flatow-Oberschule, die hierzulande zu den deutschen Eliteschulen des Sports zählt, zeichnet sich der ehemalige Finn-Steuermann durch eine besondere Kombination aus Sensibilität und Kraft aus. An Bord der Imoca bringt der leidenschaftliche Berliner Radsportler nicht nur die nötigen Pferdestärken ins Spiel. Das jüngste Mitglied des Guyot-Segelteams kann dank seiner Erfahrung im olympischen Segelsport auch das Ruder übernehmen, wenn es darauf ankommt. Als Boat Captain hat er inzwischen auch viel technisches Knowhow erworben. Kasüskes Vorfreude auf die Herausforderungen im Ocean Race ist riesig.


Die Senkrechtstarterin

Susann BeuckeFoto: Eloi Stichelbaut/PolaRYSE
Susann Beucke
Für mich geht ein Lebenstraum in Erfüllung“

Susann Beucke, 31, Crew-Mitglied im Team Holcim – PRB

Sie steht für eine Seesegelkarriere im Zeitraffer: Susann Beucke, eben noch gefeierte olympische Silbermedaillen-Gewinnerin im 49er FX bei Olympia 2021 in Japan, ist als Hochsee-Neueinsteigerin so schnell aufgestiegen wie kaum eine andere Seglerin zuvor. Erst Anfang 2022 war Sanni Beucke vom Olympiasport auf kleinen Highperformance-Skiffs in die französische Figaro-Szene gewechselt. Mit eigener Charter-Figaro, viel Mut und bescheidenen Anfangsergebnissen war sie in der anspruchsvollen Solo-Klasse gestartet. Bei ihren ersten Schritten auf forderndem Parkett versäumte sie es im Rahmen ihrer Kampagne „This race is female“ aber auch nicht, nach links und rechts zu schauen und um zusätzliche Entwicklungs- und Aufstiegschancen zu kämpfen. Ihre Hartnäckigkeit führt Sanni Beucke nun bereits ein Jahr nach dem Seesegeleinstieg an die Startlinie des Ocean Race. Der französische Skipper Kevin Escoffier verpflichtete sie für sein Schweizer Ocean-Race-Team Holcim – PRB. Neben der dreimaligen britischen Weltumseglerin Abby Ehler ist die olympische Medaillengewinnerin aus Strande bei Kiel die zweite Frau im Kernteam der Co-Favoriten. Mindestens eine der beiden wird bei jeder Etappe an Bord sein.

Für Beucke markiert das Ocean Race einen Riesensatz in ihrer Karriere. „Für mich geht ein Lebenstraum in Erfüllung“, sagt die 31-Jährige vom Norddeutschen Regatta Verein, die das Fernziel einer Vendée-Globe-Teilnahme als Solistin anstrebt.

Die Wurzeln ihrer Passion, die sie zum nachhaltigen Berufsinhalt machen will, liegen im heimischen Kiel. Beucke erzählt: “Als 2002 die ,illbruck’ ausgerechnet in Kiel das damalige Volvo Ocean Race als erstes und einziges deutsches Team jemals gewinnen konnte, war ich mit meiner Familie auf dem Wasser, um sie die letzten Meilen zum Sieg zu begleiten. 300.000 Menschen waren damals dabei. Es war unglaublich. Ich war neun Jahre alt. Seitdem habe ich den Traum, einmal selbst beim Ocean Race mitzusegeln. Nun geht es bald los. Das fühlt sich fantastisch an.“