Sören Gehlhaus
· 12.01.2023
Der Amazon-Gründer Jeff Bezos zeigte sich stilsicher bei der Wahl eines 127-Meter-Gaffelschoners als Mutterschiff. Der schwimmende Satellit misst 75 Meter und setzt statt Masten auf Heli-Plattform und Tenderdeck
Natürlich ist noch immer nicht mit hundertprozentiger Gewissheit klar, ob Jeff Bezos ab diesem Jahr den 127 Meter langen Dreimastschoner bereedern wird. Immerhin mutmaßt es der US-Journalist Brad Stone in seinem Buch „Amazon Unbound“. Sicher scheint, dass Oceancos Projekt Y721 auf „Koru“ getauft wird. Zumindest sendete das Automatic Identification System (AIS) zwischenzeitlich Positionsdaten mit dem Maori-Namen, der so viel wie „Neuanfang“ bedeutet. Derzeit taucht wieder die Baunummer bei Diensten wie Vesselfinder oder Marinetraffic auf, zusammen mit neuen technischen Angaben. So soll das Innenraumvolumen 3.300 Gross Tons betragen. Zum Vergleich: Alle Räumlichkeiten auf dem 94-Meter-Schoner „EOS“, der drittgrößten Segelyacht der Welt, addieren sich auf 1.517 Gross Tons. Die „Koru“-Breite wird mit 17 Metern angegeben.
Oceanco wasserte Y721 im August am Standort in Alblasserdam, einer südöstlich von Rotterdam gelegenen Gemeinde. Dort sollten ursprünglich die drei Carbonmasten gestellt und für das Erreichen der Nordsee die ehemalige Eisenbahnbrücke „De Hef“ demontiert werden. Nach Protesten – die 1878 errichtete Hubbrücke gilt als Wahrzeichen der Stadt – und Androhung einer konzertierten Eiwurfaktion nahm man Abstand von dem Prozedere, das einen Rückbau in den originalgetreuen Zustand vorsah. Stattdessen ließ Oceanco den 127 Meter langen Stahlrumpf in den 15 Seemeilen entfernten Stadthafen von Pernis schleppen. Dort wurde auch um einen beeindruckenden Klüverbaum mit massivem Wasserstag und zwei Anschlagpunkten für Außen- und Innenklüver erweitert.
Zum Vorschein kamen der extralange Besanbaum und sechs Radardome auf insgesamt drei Salings-Paaren, von denen vier jeweils so groß sind wie eine stattliche Regattaboje. Die Tendergaragen sind im vorderen Rumpf verortet, der Pool achtern und die offenen Quadrate der Cockpit- und Flybridge-Bedachung lassen eine Bestückung mit Solarmodulen annehmen. Neuere Fotos zeigen herabgelassene Gaffelbäume. Diese Art der Takelung ist klassisch wie ungewöhnlich und deutet auf ein sehr ähnliches Rigg-Paket wie auf „Athena“ hin. Gut möglich, dass Bezos auf dem 90 Meter langen Royal-Huisman-Bau von Silicon-Valley-Veteran Jim Clark (Netscape) mitgesegelt ist. Zwischenzeitlich befuhr „Athena“ auch den Chartermarkt und bot Krähennester zu beiden Seiten des Besanmasts.
Auf „Koru“ wird es einen beweglichen Ausguck an der Stirnseite des Großmasts geben, von dem aus auf den 75-Meter-Versorger hinabgeschaut werden kann. YS 75 ist die Baunummer des Support-Formats von Damen Yachting, die diese Gattung aus der kommerziellen Expertise des Mutterkonzerns im Offshore-Sektor entwickelte. Passend zum Einsatzzweck soll YS 75 den Namen „Wingman“ am Spiegel tragen und als Hort für diverse Tender und Wasserspielzeuge oder Helikopter mit Rotordurchmessern von bis zu 14 Metern dienen. Das entspräche maximal einem H160 von Airbus Helicopters. Mit einem Volumen von 1.900 Gross Tons und 45 Übernachtungsmöglichkeiten dürfte auf „Wingman“ nicht nur zusätzliche Crew unterkommen, sondern auch Gäste, die keinen Platz auf „Koru“ finden. Schließlich funktionieren Versorger nach dem Prinzip der Auslagerung.