YACHT-Redaktion
· 10.12.2022
YACHT-Woche – Der Rückblick
Liebe Leserinnen und Leser,
in der vergangenen Woche erschien unsere Sonderausgabe YACHT classic, in der wir zweimal im Jahr aus der Welt der Klassiker berichten. Dabei streifen wir die verschiedensten Themen. Vom traditionellen Bootsbau über die Yachtsportgeschichte bis hin zu den Klassikern selbst und natürlich den Menschen, die sie segeln und erhalten.
Ein Blick ins Kielwasser des Segelsports? Es mag manchem so vorkommen. Ich werde regelmäßig eines Besseren belehrt und staune, wie viele Aktualitätsbezüge sich aus der Beschäftigung mit den Ursprüngen unseres Sports ergeben. Auch bei der Arbeit an diesem Heft.
Die Geschichte ergab sich eher zufällig. Mit unserem Fotografen Nico Krauss reiste ich im Juni an den Bodensee. Dort besuchten wir einige Spots der Klassiker-Szene, zu denen auch verschiedene Werften gehören, wo noch das traditionelle Handwerk beherrscht und alte Yachten restauriert oder sogar neue nach altem Vorbild gebaut werden. Zwei davon durften wir sogar segeln. Eine auf der Werft von Josef Martin in Radolfzell traditionell aus massiven Hölzern gebaute 8-Meter-Rennyacht nach Rissen des Amerikaners Starling Burgess von 1937, aus denen die Yachtdesignerin Juliane Hempel am Rechner zeitgemäße Konstruktionspläne und -daten erstellt hatte.
Und eine Rennyacht von 1906, die nach dem damals in Deutschland geltenden Messverfahren 6 sogenannte Segellängen maß. Das Segellängen-Messverfahren galt in Deutschland bis zur Einführung der internationalen Meterformel durch den Seglertag 1907. Auftraggeber der Yacht war der Hamburger Reeder Erich F. Laeisz. Der Mann mit den Teeklippern, die als Flying P-Liner in die Geschichte eingegangen sind. Auch sein Sportgerät von nur neun Meter Rumpflänge taufte er auf einen Namen mit „P“ – „Pirat II“.
Laeisz wollte mit dem Boot zur berühmten Kieler Woche 1906 antreten, die als Länderwettkampf zwischen England und Deutschland ausgerichtet wurde und zu einem Neubauboom führte wie selten zuvor. Viele Boote wurden nur für diese Regattasaison gebaut. Was danach mit ihnen geschah, war den meisten Eignern bei der Auftragserteilung herzlich egal.
Das galt auch für Laeisz. Seine 6-SL-Yacht „Pirat II“ wurde bei Willy von Hacht auf Sieg gebaut und deshalb so leicht, dass man heute noch staunt: Bei 400 Kilogramm Ballast brachte das segelfertige Vollholz-Boot von neun Meter Länge nur 940 Kilogramm auf die Waage. Das Geheimnis war seine Bauweise. Sie sorgte dafür, dass der Rumpf nicht nur diesen einen Sommer hielt, sondern weit mehr als 100. Natürlich dank fachgerechter Pflege und einer Restaurierung in den 1990er Jahren. Mir flößt das heute Ehrfurcht ein. Respekt vor den damaligen Konstrukteuren – der Segelsport steckte ja noch in den Kinderschuhen – und den Werften.
Den Eigner, der die Segellängenyacht 1989 zu restaurieren begann, habe ich angerufen. Ein Schweizer, der früher selbst mal Holzbootsbau gelernt hat. Der damals 90 Jahre alte Rumpf, so sein Kommentar, sei noch völlig fest gefügt gewesen, und er habe lange gerätselt, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bauteile dieser komplizierten Konstruktion wohl mal zusammengesetzt worden sind.
Aktuell beschäftigen uns viele Fragen rund um das Thema Nachhaltigkeit – auch im Segelsport. Ich frage mich, was eigentlich nachhaltiger sein kann als ein Boot aus natürlich gewachsenem Material, das noch nach mehr als hundert Jahren tut, wofür es gebaut worden ist? Und wie sinnvoll erscheint es vor diesem Hintergrund, wenn auch heute noch Yachten entstehen wie vor hundert Jahren. Der Achter von Josef Martin etwa, hat bei entsprechender Pflege mindestens so eine Lebenserwartung wie die Segellängenyacht. Ohne an Funktionalität einzubüßen oder seine von zeitlosen Linien geprägte Ausstrahlung zu verlieren.
Wer die Risszeichnungen der beiden Yachten übereinanderlegt, wird ein weiteres Mal staunen. Nach heutigen Maßstäben wirkt die deutlich ältere Segellängenyacht mit ihrem geteilten Lateralplan und dem kurzen, tiefen Kiel viel moderner als die Meteryacht. Gewiss, die zugrundeliegenden Formeln erklären, warum das so sein muss. Aber die Erkenntnis bleibt, dass später als neue Errungenschaften gefeierte Veränderungen oft schon viel älter sind.
Es sind Gedankenspiele wie diese, die mich in der vergangenen Woche beschäftigt haben, seit die YACHT classic aus der Druckerei kam. Angenehme Grübeleien. Darüber, welchen Wert Begrifflichkeiten wie „modern“ im Zusammenhang mit Segelyachten haben – oder haben sollten. Darüber, was im Bootsbau alles dazugehört – oder dazugehören sollte –, wenn von Nachhaltigkeit die Rede ist. Fragen, auf die jeder seine eigenen Antworten finden wird. Wenn überhaupt.
Ein Beifang dieser Gedanken-Fischerei kann sicher sein, dass die Beschäftigung mit dem klassischen Yachtsport mehr ist als nur ein Blick ins Kielwasser. Wer sich davon überzeugen möchte, dem sei die Lektüre unseres Sonderhefts ans Herz gelegt.
Lasse Johannsen, Chefredakteur YACHT classic
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