Golden Globe RaceKirsten Neuschäfer rettet Tapio Lehtinen aus Seenot

Kristina Müller

 · 19.11.2022

Tapio Lehtinen auf seiner Gaia 36 "Asteria"
Kirsten Neuschäfer, Tapio Lehtinen und ihre Boote

Ein schwerer Seenotfall beim Golden Globe Race hat am Samstagmorgen ein glückliches Ende genommen: Kirsten Neuschäfer hat Skipper Tapio Lehtinen aus seiner Rettungsinsel an Bord ihrer „Minnehaha“ übernommen und an die Crew eines Frachtschiffs übergeben. Nun ist der Finne auf dem Weg nach China, Neuschäfer setzt die Regatta fort

Der 64-jährige Lehtinen hatte am Freitagmorgen 460 Seemeilen südöstlich von Kapstadt die Epirb seiner Gaia 36 „Asteria“ aktiviert, wie die Wettfahrtleitung berichtet. Kurz darauf kam das Notsignal der PLB aus seiner Rettungsinsel dazu sowie das des YB3-Satellitentrackers aus dem obligatorischen Grab Bag – alles Indikatoren dafür, dass er sein Schiff verlassen musste.

Das MRCC Cape Town übernahm die Rettungskoordination und kontaktierte zwei Schiffe in der Umgebung. Eines davon war der Massengutfrachter „Darya Gayatri“ in etwa 250 Seemeilen Entfernung. Weitaus dichter dran waren zu dem Zeitpunkt zwei Skipper im Golden Globe Race. Kirsten Neuschäfer segelte in nur 105 Seemeilen Entfernung, Tomy Abhilash in etwa 170. Beide änderten ihren Kurs in Richtung der gesendeten Position ihres Mitstreiters.

Zur Notfalltasche, die alle Skipper des Golden Globe bei sich führen müssen, gehören unter anderem ein GPS, ein SAR-Transponder, eine zweite Epirb sowie ein Handfunkgerät. Lehtinens Position konnte also geortet werden, er selbst konnte die Nachricht an die Wettfahrtleitung schicken, dass er sein Schiff aus der Rettungsinsel untergehen sah. Die genaue Ursache ist bisher nicht bekannt.

Zu dem Zeitpunkt herrschten an seiner Position etwa zweieinhalb Meter Welle und leichter Wind. Zwar gelten beim Golden Globe Race strenge Regeln, und die Skipper segeln ohne Navigationselektronik, für den Notfall aber ist alles an Bord - ein Satellitentelefon ohnehin. Kirsten Neuschäfer brach nach Absprache mit der Wettfahrtleitung das Siegel des GPS-Geräts und nahm direkten Kurs auf die Position von Lehtinen in der Rettungsinsel. Nach GGR-Auskunft bestand ständiger Kontakt zwischen dem MRCC Cape Town, einem Krisenteam des Veranstalters, Kirsten Neuschäfer und Tapio Lehtinen.

Gegen fünf Uhr UTC erreichte die einzige Skipperin der Regatta die ungefähre Position bei etwa 20 Knoten Wind und zwei bis drei Meter Seegang. Sie hatte jedoch Mühe, Lehtinen in der Insel zu finden. Mithilfe des GGR-Teams aus der Ferne gelang es schließlich.

Gut drei Stunden später dann Entwarnung: Der 39-jährigen erfahrenen Hochseeseglerin war es gelungen, Tapio Lehtinen aus der Rettungsinsel an Bord ihrer Gape George 36 zu nehmen. Schließlich nahm sie Kurs auf die „Darya Gayatri“, wo Lehtinen über eine Rettungsleiter an Bord klettern konnte.

Kirsten Neuschäfer berichtete im Anschluss über die zurückliegenden Stunden:

„Ich bin jetzt voller Adrenalin, ich habe die ganze Nacht gesteuert, und das ist schon so eine Sache, so dicht an ein Schiff heran zu manövrieren, aber uns geht es allen gut. Er war an Bord, wir haben zusammen einen Rum getrunken (...). Glückwünsche für diese Rettungsaktion sind nicht nötig, jeder würde dasselbe für einen anderen Segler tun, Danke für die Koordination.“

Tapio Lehtinen segelte an zweiter Position, als sein Schiff sank. Er zählte zum Favoritenkreis und ist erfahrener Weltumsegler. Schon vor vier Jahren beendete er das Golden Globe Race, damals als Fünfter. Nun ist er mit dem Frachtschiff auf dem Weg nach China – das Golden Globe Race 2022 endet für ihn mit viel Glück im Unglück.

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