Kristina Müller
· 15.11.2022
Nachdem das Führungstrio im Golden Globe Race – Simon Curwen, Kirsten Neuschäfer und Tapio Lehtinen – vor einer Woche Kapstadt passiert hat, haben vier weitere Skipper der Nonstop-Weltumsegelung die obligatorische Wendemarke angelaufen. Sie haben dabei für emotionale und dramatische Momente in diesem bemerkenswerten Rennen gesorgt.
Niederschmetternd war die Passage des südafrikanischen Kaps vor allem für den Franzosen Damien Guillou, der das Rennen nun aufgegeben hat und mit seiner Rustler 36 „PRB“ in den Yachthafen von Kapstadt eingelaufen ist. Von Anfang an hatte er Probleme mit seiner Hydrovane-Selbststeueranlage, weshalb er sogar kurz nach dem Start nach Les Sables-d’Olonne zurückgesegelt war, um sie zu reparieren. Danach war er eine beachtliche Aufholjagd über den Atlantik gesegelt. Dort trat das Problem am Schaft der Anlage, der gebrochen war, jedoch wieder auf. Und nun hat der 39-jährige Profisegler sogar das Ruderblatt der Hydrovane verloren.
Besonders bitter war dabei, dass Guillou zunächst den Zwischenstopp erfolgreich passiert hatte und äußerst optimistisch in den langen anstehenden Ritt über den Indischen Ozean gestartet war. Kurz darauf jedoch passierte es offenbar, woraufhin der „PRB“-Skipper umdrehte und zurück nach Kapstadt segelte.
Die Enttäuschung und der Frust waren dem hoch gesponserten Franzosen anzusehen, als er am Festland zu seiner Entscheidung befragt wurde. Weitersegeln werde er nicht, so Guillou, der Vater von zwei kleinen Kindern ist. Dreimal das gleiche Problem sei zu oft, und er wolle sein Schicksal nicht herausfordern. Offenbar hat er in der Vorbereitung des Rennens den Schaft der Anlage mit weiteren Bohrlöchern modifiziert, was die Ursache für die anhaltenden Probleme sein könnte.
Ein winziger Trost für den Franzosen mit Sieges-Ambitionen könnte sein, dass er nicht der Einzige ist, der das Golden Globe Race in Kapstadt beendet hat. Eigentlich wollte Pat Lawless der erste irische Einhand-Nonstop-Weltumsegler werden. Doch auch er gab an, wegen Problemen an seinem Selbststeuersystem nicht weiterzusegeln. Er erreichte Kapstadt als Vierter am 9. November.
Auf ihn folgte am Tag darauf der indische Skipper Abhilash Tomy auf seiner Rustler 36 „Bayanat“. Jeder Golden-Globe-Teilnehmer wird vom Veranstalter persönlich in einem Schlauchboot in Empfang genommen, zum imaginären Wendepunkt begleitet und dann für 20 Minuten zum bisherigen Rennverlauf interviewt. Tomy zeigte Don McIntyre und seiner Assistentin Aïda Valceanu dabei die kalte Schulter und kritisierte das Rennen in mehreren Punkten.
Es sei keine richtige Regatta, höchstens eine Rallye, da man die Positionen der Kontrahenten nicht kenne. Außerdem reagiere kaum je ein Schiff auf seine Anfragen per Funk nach Wetterinformationen, sodass es eine reine Glücksfrage sei, welcher Skipper vorn segele. Don McIntyre entgegnete, dass all diese besonderen Regeln des Rennens zuvor bekannt gewesen seien.
„Es ist definitiv nichts für jeden“, sagte Tomy. „Es ist sicher eine Herausforderung, ja, aber keine Regatta.“ Danach gefragt, mit welchen Gefühlen er nun in den Indischen Ozean segeln würde - wo er beim Golden Globe vor vier Jahren nach einer Kenterung schwer verletzt abgeborgen werden musste –, erwiderte Tomy barsch, dass McIntyre das nicht wirklich interessieren würde und er daher auch nichts dazu sagen werde. Dem Veranstalter gehe es lediglich um gutes Videomaterial von Bord der Boote. Trotzdem wolle er die Weltumsegelung vollenden.
Tomy Abhilash hat danach seinen Kurs wieder aufgenommen. Das veröffentlichte Video seines Zwischenstopps ist bisher das einzige, das geschnitten wurde.
Ganz anders zeigte sich Michael Guggenberger, als er zwei Tage später, am 12. November, die Granger Bay vor Kapstadt erreichte. Der Österreicher war gut gelaunt, schwenkte ein selbst gebackenes Brot und prostete dem GGR-Team zu. Eigentlich habe er mit einer früheren Ankunft gerechnet und sich daher schon Tage zuvor rasiert und frisch gemacht. Dann habe es doch länger gedauert, nun sei der Bart wieder da. An Bord seiner Biscay 36 „Nuri“ sei alles in Ordnung. Allein für eine andere Vorsegel-Konfiguration würde er sich beim nächsten Mal entscheiden.
Mit Guggenberger segeln nun fünf der 16 gestarteten Boote im Indischen Ozean. Vor allem Simon Curwen, der mit mehreren Hundert Seemeilen Abstand auf den aktuell Zweiten Tapio Lehtinen führt, hat schon einen Vorgeschmack auf die harschen Wetterbedingungen im südlichen Indik bekommen.
Curwen hat aktuell fast genau ein Drittel der Gesamtstrecke von gut 26.800 Seemeilen zurückgelegt. Er hat noch etwa 4.500 vor sich bis zum nächsten Zwischenstopp vor Hobart auf Tasmanien.
Dort müssen alle Teilnehmer des Rennens bis zum 31. Januar 2023 angekommen sein, ansonsten dürfen sie das Rennen erst ab dem 1. Dezember 2023 gen Kap Hoorn fortsetzen. Dies ist eine weitere der vielen besonderen Regeln dieses besonderen Rennens. Sie soll verhindern, dass die Skipper zur falschen Jahreszeit unterwegs sind und mit hoher Wahrscheinlichkeit in schwere Stürme geraten.
Für einige Skipper im hinteren Teil des Feldes wird diese Zeitvorgabe jedoch bereits jetzt schwer einzuhalten sein. Fünf haben Kapstadt noch vor sich – und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden nicht alle von ihnen den Törn danach fortsetzen.