America’s Cup30 Tage bis zur ersten Vorregatta – schon jetzt erstmals mehrere Boote am Start

Max Gasser

 · 15.08.2023

Erstmals vereint: In der Vorbereitung auf die ersten Testregatten segelten jetzt zum ersten Mal mehrere Teams auf ihren AC40s gegeneinander
Foto: Ugo Fonollá / America's Cup
Die derzeitigen Testboote und ihre Unterschiede im Vergleich
Neue Boote, Foils und mehr – der America’s Cup 2024 in Barcelona nähert sich mit großen Schritten. Schon in weniger als einem Monat beginnt die erste Vorbereitungsregatta. Großes Update: Das ist der Stand bei den Teams

Am 14. September wird der Kampf um die älteste Sport-Trophäe der Welt eröffnet. Dann wird vor Vilanova i la Geltrú (Spanien) der Startschuss zur ersten von drei der sogenannten Preliminary-Regatten fallen. Die Vorregatten werden in einem gemischten Format aus Fleet- und Matchracing stattfinden. Gesegelt wird bei den ersten beiden Events mit den One Design AC40s, der klare Fokus liegt damit auf den Leistungen der Segler.

Nach einem Trainingstag am 14. 9. starten einen Tag später die Wettfahrten zuschauerfreundlich direkt vor der Hafeneinfahrt, der Zugang ist für die Besucher kostenlos. Darüber hinaus wird der viertägige Auftakt kostenlos auf Youtube und der America’s-Cup-Webseite zu sehen sein. Damit dann auch alles glatt läuft, wurden vergangene Woche erstmals Probeläufe mit mehreren Booten an der Startlinie durchgeführt.

Zwar dienen Vorregatten lediglich als Warm-up für die entscheidende Challenger Selection Series, ermöglichen jedoch erstmals eine wirkliche Standortbestimmung im direkten Vergleich. Zum allerersten Mal treffen bei den Rennen, die zuschauerfreundlich direkt vor der Hafeneinfahrt ausgetragen werden sollen, alle sechs bestätigten Teilnehmer des 37. America’s Cup aufeinander. Was hat sich vor dem ersten Showdown bereits getan? Wie weit sind die Teams auf ihrem Weg zum Ziel, im Oktober 2024 den prestigeträchtigen Pokal in den Himmel von Barcelona zu stemmen?

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“Was wir bis jetzt erreicht haben, reicht nicht annähernd aus, um den America’s Cup zu gewinnen”, sagte Emirates Team New Zealands COO Kevin Shoebridge noch vor wenigen Wochen. Kurz zuvor hatten die Neuseeländer ihren AC75 “Te Rehutai” in Barcelona zu Wasser gelassen, um erstmals im Cup-Revier zu testen. Bei den ersten Einheiten sahen die Verteidiger dann jedoch alles andere als unvorbereitet aus. Im Gegenteil: Sie legten gleich richtig los und setzten schon am zweiten Trainingstag des für fünf Monate geplanten Programms in Barcelona ein echtes Ausrufezeichen. Die Steuermänner und Olympiasieger Nathan Outteridge und Peter Burling schnitten am Sonntag bei Winden zwischen 6 und 13 Knoten scharfe Wenden und Halsen mit einer beeindruckenden Foil-to-Foil-Rate von je rund 85 Prozent ins Wasser, auch die Stabilität des AC75 im Flug war hervorragend. “Wir sind sehr zufrieden damit, wie die Boote laufen und wie sich alle einleben”, resümierte Burling nach der erfolgreichen Einheit.

America’s Cup: Neuseeländer setzen Maßstäbe

Neben dem überarbeiteten AC75 der vergangenen Ausgabe des Cups betreibt das Team auch zwei AC40s. Die kleinere Version mit Vier-Mann-Crew wird nicht nur beim America’s Cup der Frauen und Jugend zum Einsatz kommen, sondern auch bei den ersten beiden Events der Preliminary-Regatten. Darüber hinaus dienen die One-Design-Foiler für die meisten Teams als Testplattform, beispielsweise für neue Foils. Denn jedes Team darf laut dem aktuellen Reglement nur einen Cupper bauen, neue Trainingsboote in Originalgröße sind nicht erlaubt.

Ein ähnliches Modell fährt auch das Schweizer Team Alinghi Red Bull Racing bei seinem America’s-Cup-Comeback. Nach Siegen in den Jahren 2003 und 2007 sowie einer weiteren Teilnahme 2010 in Valencia will das Team bei der 37. Ausgabe wieder zu den Favoriten zählen. Ebenfalls mit einem AC75 zugange – “BoatZero” ist ein altes Trainingsboot der Neuseeländer –, waren die Schweizer bereits im August 2022 das erste Team, das ein Trainings-Schiff für die aktuelle Kampagne präsentierte. Dabei entschlossen sie sich, ihre Basis direkt im tatsächlichen Cup-Revier aufzuschlagen, und könnten dadurch vor allem beim Auftakt in einem Monat von einem kleinen “Heimvorteil” profitieren. Denn Vilanova i la Geltrú liegt nur etwa 45 Kilometer von Barcelona entfernt.

Abgeschaut bei den Buckelwalen: Alinghi testet Tuberkel-Foil

Auch die roten Bullen verfügen mittlerweile über zwei AC40s, von denen einer vor allem zuletzt stark als Leq12-Testplattform im Einsatz war. Besonders ein deltaförmiges Foil, das zudem einseitig mit Tuberkeln versehen war, sorgte für Aufsehen. Die Erhebungen an der Vorderkante des Flügels sollten dessen hydrodynamische Leistung erhöhen. Inspiriert ist diese Technologie durch die Forschung an Buckelwalen, die solche Tuberkel an der Vorderkante ihrer Flossen besitzen. Sie ermöglichen es dem Buckelwal, für seine Größe sehr wendig zu sein. Der Effekt ist in der Geschichte des America’s Cup nicht gänzlich neu und wurde auch in anderen Bereichen bereits angewandt. Unter anderem bei Flugzeugen können ähnliche Tuberkel die Manövrierfähigkeit und den Auftrieb verbessern sowie den Strömungsabriss verzögern.

Gut zu erkennen: die leichten Wölbungen an der Vorderkante der linken Foil-SeiteFoto: Alex Carabi / America's CupGut zu erkennen: die leichten Wölbungen an der Vorderkante der linken Foil-Seite

Durch die Platzierung der Tuberkel kann beim Foil auch die Position der Kavitation manipuliert werden, was eines der Ziele der Alinghi-Ingenieure gewesen sein könnte. Darüber hinaus könnte der erhöhte Auftrieb bei den geflogenen Manövern ein entscheidender Faktor sein. Jedoch wurde das Tuberkel-Foil nach einer ersten Testphase wieder durch das One-Design-Foil ersetzt, die Segler haben sich bisher nicht verbindlich zur Leistung geäußert. Die Idee könnte also bereits verworfen oder schon in der Weiterentwicklung sein.

Auch wenn die Foils für den Cup symmetrisch sein müssen, nutzten auch andere Teams für Tests im aktuellen Cup-Zyklus immer wieder asymmetrische Versionen. Ähnlich wie komplett unterschiedliche Varianten auf beiden Seiten des Rumpfes könnte auch dieses Vorgehen A/B-Tests ermöglichen. Darüber hinaus könnten asymmetrische Profile aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen an Lee- und Luv-Seite des Foils einen Performance-Schub geben – wären sie denn im Reglement erlaubt.

Teams nutzen unterschiedliche Testplattformen für den kommenden America’s Cup

Während Alinghi das erste Team war, das seine Herausforderer-Kampagne gestartet hatte, waren es dennoch die geschlagenen Herausforderer der vergangenen Ausgabe, die zuerst eigene Innovationen präsentierten. Das italienische Luna Rossa Prada Pirelli Team enthüllte im Oktober 2022 seinen eigenen AC40/Leq12-Prototypen. “Wir haben in allen Bereichen gearbeitet und dabei auch unsere Erfahrungen aus der vergangenen Ausgabe genutzt”, sagte Teamdirektor und Skipper Max Sirena damals. Ergebnis war ein Testboot, das dem der neuseeländischen Cup-Sieger sehr nahe kommt und auch nicht unähnlich dem One Design AC40 ist.

Interessant ist derweil, dass das Team sowohl mit einem solchen AC40 als auch mit dem eigens entwickelten Prototyp Wasserstunden in Cagliari und Barcelona sammelt, der AC75 der vorherigen Generation jedoch nicht mehr zum Einsatz kam. Die Italiener setzen also zumindest bisher voll auf ihren eigenen 40-Fußer, um an diesem die Neuentwicklungen zu erproben. Auch die Briten von Ineos Britannia haben ihren erfolglosen AC75 der vorherigen Kampagne bisher in der Garage gelassen. Sie setzen daher ebenfalls voll auf ihren eigenen Prototyp, der zumindest rein optisch die größte Überraschung der bisherigen Cup-Periode zu sein scheint.

Formel-1-Rennstall Teil der Entwicklung beim America’s Cup

Damit ist ein klarer Split des Feldes zu erkennen: Team New Zealand, Alinghi und auch American Magic haben sich für die Kombination aus einem alten AC75 und zwei One Design AC40s entschieden, während Luna Rossa und Britannia mit einem Leq12-Prototyp und einem AC40 arbeiten. Das könnte dafür sprechen, dass diese beiden Teams einen klaren Neuanfang mit radikaleren Änderungen anstreben. Bei beiden Teams unterscheidet sich der Prototyp bereits klar vom jeweiligen AC75 der vergangenen America’s-Cup-Ausgabe. Das gilt wie bereits erwähnt insbesondere für das britische Team, das mit der gezeigten Leistung bei der Challenger Series 2021 nicht zufrieden gewesen sein dürfte.

Die Entwicklung der neuen britischen Test-Rennmaschine fand in Zusammenarbeit mit dem Formel-1-Team von Mercedes statt. Optisch hebt sich das Testboot stark von den Booten der anderen Teams ab und erinnert tatsächlich etwas an einen Silberpfeil. Die Kanten des Rumpfes sind klar und hart, am gesamten Boot findet man kaum Rundungen, am Heck laufen die kantigen Linien zu, das Unterwasserschiff ist hier komplett flach. Vom Design der britischen Yacht beim vergangenen America’s Cup ist damit nicht viel übrig geblieben. Aerodynamisch scheinen die Designer einen grundlegend anderen Plan zu haben als die der anderen Teams, die wie gewohnt auf eher fließende Linien setzen. Ob das kantige Aussehen erhalten bleibt, ist nicht abzusehen, es könnte auch lediglich eine Vereinfachung für das Testboot darstellen, um Kosten und Aufwand nicht noch weiter in die Höhe zu treiben.

Kommen die Radfahrer zurück?

Denn auch die finalen AC75s sind bereits in Bau. Erlaubt ist auf ihnen dann auch wieder der Einsatz von Radfahrern. Beim 35. America’s Cup 2017 waren es die Neuseeländer, die mit Radfahrern überraschten und schlussendlich auch mit ihnen triumphierten. 2021 war der Einsatz von Beinkraft allerdings wieder untersagt, es erfolgte der Umstieg auf konventionelle Grinder.

Der Gamechanger beim America’s Cup 2017: die Radfahrer an Bord bei den KiwisFoto: Richard Hoddder/ Emirates Team New ZealandDer Gamechanger beim America’s Cup 2017: die Radfahrer an Bord bei den Kiwis

Die Crewanzahl wurde bei gleicher Bootsgröße für den anstehenden America’s Cup 2024 in Barcelona von zwölf jedoch auf acht reduziert. Deshalb wurde die Beinkraft überhaupt wieder erlaubt und könnte bei der effektiven Energiegewinnung wieder der Schlüssel zum Erfolg sein. Daher setzen mittlerweile bereits drei Teams ganz klar auf Radfahrer, und auch bei allen anderen ist es zu erwarten. Das bringt mehrere Vorteile mit sich. Offensichtlich ist, dass die Beine mehr Kraft entwickeln können, als es aus den Armen heraus möglich ist. Damit kann dementsprechend für mehr Energie gesorgt werden. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass die Sportler so parallel auch mit ihren Händen und Armen arbeiten können.

Da das jedoch eine große Umstellung in den beanspruchten Muskelgruppen der entsprechenden Segler mit sich bringt, ist auch hier Innovation gefragt. Das britische Team nutzt daher eine interne Verbindung über ihren Sponsor und verbündete sich mit den Ineos Grenadiers, einem Profi-Radteam, das die Tour de France 2023 auf dem dritten Platz der Team-Wertung abgeschlossen hat. “Wir hatten mit unseren Armen einen ziemlich hohen Standard erreicht und dafür sechs, sieben Jahre lang für die letzten beiden Cups hart trainiert. Es ist also ein ziemlicher Schock für das System, dem Körper beizubringen, den Sauerstoff stattdessen in die Beine zu pumpen”, erklärte Matt Gotrel, der Teil der Radfahrer-Gruppe im britischen Team ist.

America’s Cup: Ruderer sind das Mittel der Wahl

Zudem sei das neue Training mit einem erheblich höheren Zeitaufwand verbunden, da die Beine deutlich langsamer ermüden. Das erfordere längere Einheiten für den gewünschten Trainingserfolg. Mit dem Comeback der Fahrräder wolle man zudem auch an der Aerodynamik arbeiten, so Gotrel: “Diesmal wollen wir die Leute an der gleichen Stelle auf dem Boot halten. Es wird also wahrscheinlich weniger Herumlaufen und Seitenwechsel geben.”

Gotrel selbst hat eine interessante Laufbahn hinter sich. Er begann in der britischen Segelmannschaft im 49er, wechselte allerdings während seines Studiums zum Rudern. Bei den Olympischen Spielen in Rio gelang ihm damit sogar der Gewinn einer Goldmedaille im Männer-Achter. Dann kehrte er zum Segeln zurück, nachdem er 2017 in das britische SailGP-Team berufen worden war.

Teil der Crew für den America’s Cup sind darüber hinaus drei weitere professionelle Ruderer. Die Amerikaner beziehen sogar noch mehr Sportler aus anderen Disziplinen, und auch im neuen französischen Team sowie bei den Schweizern von Alinghi sind einige vertreten.

Franzosen bisher nur im Simulator auf den Foils

Die Franzosen haben ihren AC40 derweil erst kürzlich ausgeliefert bekommen und planen in den kommenden Tagen erstmals damit zu segeln. Damit hat das Team nun einen mächtigen Vorsprung aufzuholen. Allerdings haben sich die Verantwortlichen bereits zu Beginn der Kampagne dazu entschlossen, einen Pakt mit den neuseeländischen Cup-Verteidigern zu schließen. Erstmals in Frankreichs America’s-Cup-Geschichte wird ein Herausforderer von einem Technologiepaket der neuesten Generation profitieren, das von den Kiwis bereitgestellt wird. So gewinnt das Team Orient Express Zeit, kann schneller auf Augenhöhe mit seinen Gegnern durchstarten.

Das Technologiepaket der Neuseeländer an die Franzosen hatte alle Entwicklungen der Cup-Yacht bis Baustart beinhaltet, der bei Multiplast in Frankreich bereits erfolgt ist. Somit ist das Team nach anfänglicher Starthilfe bei den weiteren Entwicklungen und Details im Rahmen der Technologie-Vereinbarung nun wieder auf sich gestellt, geplant ist die Auslieferung im Mai nächsten Jahres.

Der Zeitplan bis zum Match: So funktioniert der America’s Cup

Gerade für das jüngste Team bieten die anstehenden Preliminary-Regatten eine gute Gelegenheit, um den eigenen Status quo zu erfassen. Nach der anstehenden ersten Vorregatta vom 14. bis 17. September in Vilanova i la Geltrú steht schon kurz darauf die zweite Regatta vom 30. November bis 3. Dezember in Jeddah (Saudi-Arabien) auf dem Programm. Die dritte und letzte Regatta der Warm-up-Serie wird im August 2024 im Cup-Revier Barcelona stattfinden. Dort treten die Teams dann erstmals in ihren neuen AC75s gegeneinander an, bevor es in die wirklich entscheidenden Rennen in der Challenger Selection Series (Herausforderer-Auswahlserie) geht.

Diese entscheiden über den Challenger beim finalen Match. Denn nur der Verteidiger, das Emirates Team New Zealand, ist für die Rennen um den tatsächlichen America’s-Cup-Sieg gesetzt. Die übrigen fünf Teams müssen sich über die Challenger Selection Series erst dafür qualifizieren und den Challenger unter sich ausmachen. Denn nur ein Team darf im großen Finale versuchen, die Neuseeländer von einer erneuten Titelverteidigung abzuhalten.


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