Neues Team “Orient Express”Frankreich will den America’s Cup holen

Tatjana Pokorny

 · 06.03.2023

Neues Team “Orient Express”: Frankreich will den America’s Cup holenFoto: Orient Express
Ungewöhnliche Kooperation: Das französische Boot entsteht mit Designhilfe durch die Kiwis

Mit “Orient Express” tritt ein neuer Herausforderer gegen das Establishment im 37. America’s Cup an. Der deutsch-französische Manager Stéphane Kandler im YACHT-Interview

Der 37. America’s Cup ist neben der olympischen Segelregatta in Marseille und der Solo-Weltumsegelung Vendée Globe eines von drei Segel-Großereignissen im Jahr 2024. Lange schien es, als würden nur vier Herausforderer unter sich ausmachen, wer die America’s-Cup-Verteidiger vom Emirates Team New Zealand zum Duell fordern darf. Sir Ben Ainslies Team Ineos Britannia, American Magic vom New York Yacht Club, Patrizio Bertellis Team Luna Rossa Prada Pirelli und Ernesto Bertarellis Comeback-Kampagne Alinghi Red Bull Racing designen, testen und trainieren bereits seit Jahren für die monumentale Aufgabe. Aktuell sind alle mit kleineren Trainingsbooten vom Typ AC40 oder LEQ12 im Einsatz.

Aus dem bekannten Herausforderer-Quartett aus Großbritannien, Amerika, Italien und der Schweiz ist nun ein Quintett geworden. Die Segelnation Frankreich hat zum 13. Mal in der Cup-Historie ihren Fehdehandschuh in die Cup-Arena geworfen. Die von Stéphan Kandler gegründete K-Challenge war erfolgreich auf Sponsorensuche und hat mit ihren neuen Partnern vom Hotelkonzern Accor das Team Orient Express formiert.

“Orient Express” wird mit Knowhow aus Neuseeland entwickelt

Geführt wird das im Namen der Société Nautique de St.-Tropez in die Herausfordererrunde startende Team in Doppel-Regie vom Deutsch-Franzosen Stéphan Kandler und dem frankokanadischen Co-Manager Bruno Dubois. Der 52-jährige Stéphan Kandler ist der Sohn des früheren Aero-Sail-Mitgründers und deutschen Airbus-Managers Ortwin Kandler.

Stéphane Kandler ist einer von zwei Köpfen des neuen TeamsFoto: Orient Express/F. Socha
Stéphane Kandler ist einer von zwei Köpfen des neuen Teams

Als passionierter Cup-Jäger geht Stéphan Kandler mit viel Erfahrung in seine dritte Cup-Kampagne. Sein Team-Partner Bruno Dubois hat am Whitbread Round the World Race 1989/1990 teilgenommen, war 20 Jahre lang Direktor von North Sails in Frankreich und als Manager mit Charles Caudreliers Dongfeng Race Team im letzten Ocean Race siegreich. Dank einer Designpartnerschaft mit den neuseeländischen Verteidigern soll der gerade durchgestartete „Orient Express“ im kommenden Jahr in Barcelona schnell in Fahrt kommen.

Ein America’s-Cup-Finale hat Frankreich seit der Cup-Premiere 1851 nie erreichen können. Wohl aber mit der „French Kiss“ 1987, den Brüdern Marc und Yves Pajot auf zwei verschiedenen Herausforderer-Yachten im selben Jahr und zuletzt mit dem schnellen Kreativ-Design „Groupama“ 2017 immer wieder starke America’s-Cup-Akzente gesetzt.

YACHT: Stéphan, ihr seid spät dran mit der Cup-Kampagne, andere Herausforderer haben einen großen Zeitvorsprung. Seid ihr nur Kanonenfutter?

Stéphan Kandler: Nein. Wir haben im Frühjahr 2022 angefangen, eine kleine Gruppe mit Designern und Ingenieuren aufzubauen und zu arbeiten. Wichtig für den Erfolg im America’s Cup ist, dass du die richtige Maschine bekommst. Es ist sehr schwierig, die AC75-Boote selbst zu entwickeln. Das haben im letzten Cup auch große Teams zu spüren bekommen. Sie waren trotz hoher Budgets nicht sehr wettbewerbsfähig. Mit dem Design-Paket von Team New Zealand sind wir weniger unter Druck als die anderen. Wir bekommen eine starke Basis und die Möglichkeit, ein wirklich wettbewerbsfähiges Schiff zu bauen, das eine echte Chance hat. Wir arbeiten im Hintergrund seit sechs Monaten an vielen Einzelheiten. Das Design-Paket ist ein Riesenvorteil für uns und war meine Hauptmotivation, wieder ein Cup-Team aufzubauen.

Ihr kauft alle Design-Informationen von den Neuseeländern. Ab wann darf es keinen Technologie-Transfer mehr zwischen den Teams geben?

Mit dem Baustart des Bootes. Danach können wir keine Daten mehr austauschen. Dann hat jedes Team sein eigenes Leben, und wir sind bei Weiterentwicklung und Optimierung auf uns gestellt.

Wo werdet ihr eure AC75 „Orient Express“ bauen?

Wir haben das Glück, in Frankreich über außerordentliches Fachwissen zu verfügen, das wir voll ausschöpfen werden. Wir werden mit Multiplast in Vannes, mit CDK in Lorient und Port-La-Forêt sowie zahlreichen Unterauftragsnehmern arbeiten. Einige dieser Werften kooperieren auch mit der Berufsschiffswerft Chantiers de l’Atlantique.

Warum faszinieren dich die AC75-Yachten?

Eine AC75 ist wie ein Kampfflugzeug, das mit acht Piloten dicht über dem Wasser fliegt. Es ist eine hochtechnologische Maschine, die sich mit der neuesten Luft- und Raumfahrttechnik messen kann.

Wir wollen das Überraschungs-Team sein!

Wann beginnt ihr mit dem Bau der AC75?

Wir fangen im April an zu bauen. Im Sommer trainieren wir. Unsere bislang noch nicht vorhandene AC40 bekommen wir hoffentlich im August.

Segelst du auch privat?

Ich bin Kiter, habe aber nicht so viel Zeit. 2019 habe ich ein Weingut von meinen Eltern in Avignon übernommen.

Aber dein Hauptjob ist, das Cup-Team zu führen?

Ja, mit Bruno Dubois als Partner. Der Cup ist heute so komplex, dass eine Doppelspitze viel Sinn ergibt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen, herausragenden Teammitgliedern, die vorher in internationalen Cup-Kampagnen weniger Gehör fanden oder neu dabei sind, ist erfrischend. Natürlich ist der SailGP für uns wichtig, in dem Quentin Delapierre erfolgreich im Einsatz ist, der unser Segelteam leitet. Wir alle sind enorm motiviert. Wir wollen gemeinsam das Überraschungsteam im 37. America’s Cup sein.

Habt ihr euch ein Ziel gesetzt?

Das Finale der Herausfordererrunde zu erreichen wäre ein toller Erfolg.


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