Tatjana Pokorny
· 02.03.2023
Zwei Jahrzehnte ist es auf den Tag genau her, dass Alinghi die Segelwelt rockte und als erstes europäisches Team den America’s Cup gewann. Am 2. März 2003 war der Gipfelsturm des Schweizer Teams im neuseeländischen Revier von Auckland vollendet und Team New Zealand mit 0:5 geschlagen. An den Erfolg von einst erinnerten heute Ernesto Bertarelli und das neu formierte Team Alinghi Red Bull Racing, das 2024 wieder um die verschnörkelte Silberkanne kämpfen will
Vor zwei Jahrzehnten konnten Europas Segelfans mitten in der Nacht live verfolgen, wie das Schweizer Team Alinghi Geschichte schrieb und den 31. America’s Cup in Neuseeland gewann. Der historische Sieg vereinte die Nation und rückte eine Sportart ins Rampenlicht, die bis dahin nur eine recht überschaubare Anzahl an Anhängern hatte. Die Begeisterung war nicht nur bei den Schweizer Fans in Auckland riesig. Gefeiert wurde auch daheim. Wenige Tage nach dem ersten gelungenen Gipfelsturm einer Mannschaft unter europäischer Flagge feierten 30.000 Menschen das Team in Genf.
Als leidenschaftlicher Regattasegler, Initiator und Rennstallbesitzer hatte Ernesto Bertarelli Team Alinghi ersonnen und ein Dream-Team rekrutiert, dem auch Deutschlands erfolgreichster Olympiasegler Jochen Schümann angehörte. Team Alinghi setzte sich mit Steuermann Russell Coutts und herausragender Crew gegen neun Herausforderer durch und erreichte das 31. Duell um den America’s Cup. Das 5:0 über Cup-Verteidiger Neuseeland setzte das finale Ausrufezeichen hinter eine bewegende Kampagne in einem aufregenden Cup-Jahr.
“Ich erinnere mich genau an den Moment, als ich den Pokal über meinen Kopf hob”, erinnert sich Ernesto Bertarelli an die mitreißenden Jubelszenen, nachdem ihm der Kommodore der Royal New Zealand Yacht Squadron die Silberkanne überreicht hatte. “Es war ein demütiger Moment”, sagt Bertarelli, “ich begann zu begreifen und zu schätzen, was wir da gerade erreicht hatten.” Umringt von seinem gesamten Team reckte Bertarelli die “Auld Mug”, die vor ihm so viele Segel-Hochkaräter in Händen gehalten hatten, wie einen Schatz in den Himmel über Auckland, bevor es die anderen ihm gleichtaten. Auch Jochen Schümann, der sich erinnert: “Der Cup ist schwerer als man denkt. Aber noch schwerer ist es, ihn zu gewinnen.”
Die Erfolgsstory war der Katalysator für die “Generation Alinghi”. Junge Leute meldeten sich in Segelschulen im ganzen Land an. Einige von ihnen sind heute Mitglieder im aktuellen Alinghi Red Bull Racing Sailing Team. “Ich erinnere mich, wie ich mit meinen Freunden das letzte Rennen des Matches bei der Société Nautique de Geneve gesehen habe”, sagt Alinghi-Red-Bull-Racing-Skipper Arnaud Psarofaghis. “Ich war 14 Jahre alt, und das war der Moment, in dem ich beschloss, mit dem Schweizer America’s-Cup-Siegerteam Alinghi am America’s Cup teilzunehmen.”
Dieser Teamspirit ist geblieben. So wie die Mischung aus Jugend und Erfahrung. Auch heute wird Alinghi Red Bull Racing beim Comeback im America’s Cup von Teammitgliedern beflügelt, die bereits 2003 dabei waren. Das gilt nicht nur für Ernesto Bertarelli selbst, sondern auch für “die graue Eminenz” Brad Butterworth, Pierre-Yves Jorand, Michel Hodara, Juan Vila, Luc du Bois, Rodney Ardern, Jean-Marie Fragnière, João Cabeçadas, Simon Bovay, David Nikles, Narino Alessi, Christophe Lanz, Nils Frei und Yves Detrey.
Die Schweiz trat vor 20 Jahren jener exklusiven Gruppe von Ländern bei, die den America’s Cup gewonnen haben. Es sind neben den Eidgenossen bislang nur drei: die Vereinigten Staaten von Amerika, Australien und Neuseeland. Seine Erfolgsstory will das Team in neuer Formation als Alinghi Red Bull Racing 2024 vor Barcelona fortschreiben. Weitere Herausforderer sind Ineos Britannia mit Sir Ben Ainslie, Patrizio Bertellis italienisches Team Luna Rossa Prada Pirelli, American Magic vom New York Yacht Club und als jüngster Neuzugang das französische Team Orient Express mit dem deutsch-französischen Teammanager Stéphan Kandler. Nur eines der Teams kann das Recht erkämpfen, das Emirates Team New Zealand im 37. America’s Cup zum Duell fordern zu dürfen.
“Meine Beziehung zum America’s Cup hat sich nicht geändert, meine Motivation ist auch heute ungebrochen. Ich bin zuversichtlich, was die Chancen von Alinghi Red Bull Racing angeht, im bevorstehenden Wettbewerb weit zu kommen. Natürlich möchte ich, dass wir den Erfolg von 2003 wiederholen, denn ich sehe viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Kampagnen: ein neues, ehrgeiziges Team, starke Werte, eine ausgezeichnete Disziplin und ein hohes Mass an Knowhow. Wir wissen, was wir tun müssen, um so bereit wie vor 20 Jahren gegen unsere Konkurrenten anzutreten.
Der Sieg von Alinghi in Neuseeland war ein fantastischer Moment. Ich erinnere mich an die Überquerung der Ziellinie, als wäre es gestern gewesen. Ich umarmte meine Teamkollegen, und dann kamen die anderen Teammitglieder aufs Boot, sodass es fast unterging. Wir spürten einen sehr starken Teamgeist, Kameradschaft und Erfüllung. Wir hatten Gänsehaut, eine Mischung aus Freude, Tränen und Lachen. Dann die Ankunft an den Docks, wo das Team auf uns wartete, dieses Bad in der Menge, das Publikum, das völlig entflammt war. Das wird eines der prägenden Ereignisse in meinem Leben bleiben.
Dank unserer Siege (Red.: Alinghi verteidigte den 2003 gewonnenen America’s Cup 2007 erfolgreich) und der jungen Leute der ‘Generation Alinghi’ haben wir in der Schweiz sehr gute Segler. Im Jahr 2024 werden der dritte Youth America’s Cup und der erste Women’s America’s Cup ausgetragen, wichtige Faktoren für die Entwicklung unseres Sports. Ich bin überzeugt, dass wir weiterhin in die Zukunft des Schweizer Segelsports investieren müssen und einen Talentpool schaffen.”