Alexander Worms
, Max Gasser
· 20.12.2022
Die kleinste Bavaria ihrer Zeit bietet Platz im Innenraum wie mancher 34-Fußer. Rein optisch ist sie allerdings keine Offenbarung. Ihre Werte liegen im soliden Bau und viel Platz. Daran sollte man auch beim Segeln denken
Für 40.000 lässt sich locker eine optimale Yacht finden. Aber: günstig kaufen und investieren oder lieber alles ausgeben und gleich losfahren? Wir haben fünf Yachten daraufhin getestet:
Seit 2006 lief die getestete Cruiser 30 im Charterbetrieb, im Schnitt 20 Wochen pro Jahr. Da erwartet der Tester ein, gelinde gesagt, abgelebtes Interieur. Aber das ist es nicht. Gut, die Niedergangstreppe hat gelitten, aber das ist eine Frage von ein paar Stunden mit Exzenterschleifer, Lack und Pinsel. Das oftmals als zu dünn verrufene Furnier auf den Holzteilen hat sich perfekt gehalten, kaum Kratzer oder gar Löcher sind zu sehen. Auch der Fußboden ist in gutem Zustand, hier zeigen sich oft zuerst unschöne Gebrauchsspuren. Ein einfaches Leben hatte die Bavaria jedoch sicher nicht, was man im nächsten Teil am arg ramponierten Deckslayout sehen wird.
Ergonomisch leistet sich die Fränkin nahezu keine Schwächen. Alle Kojen sind lang und breit genug auf Höhe der Matratze. Wohl aufgrund des hohen Freibords läuft auf beiden Seiten des Schiffs ein Stringer zur Stabilisierung von vorn nach achtern. Den merkt man meistens nicht; im Vorschiff ist er beidseitig als Regalbrett getarnt. Leider raubt er jedoch auf Schulterhöhe eine Menge der ansonsten üppigen Breite von 1,75 Metern. Am Ende bleiben zwischen den Ablagen nur rund 1,20 Meter übrig, das ist knapp. Aber eine echte Navi findet Platz, auch Pantry und Nasszelle sind im Vergleich großzügig. Die Stehhöhen von um die 1,80 Meter sind ausreichend. Viel Schiff!
Der eine Bug geht besser als der andere. Das ist nicht unüblich, aber beim Test sehr ausgeprägt. Der Grund liegt in der Großschot: Das Segel lässt sich auf Steuerbord einfach weiter in die Mitte ziehen. An einem hektischen Übergabetag wurde auf der Charterbasis, in der die Bavaria 13 Jahre lang angestellt war, einfach irgendein Block montiert, als der originale von Rutgerson seinen Dienst quittierte. Die Folge: Eine Part fehlt, der Schot mangelt es damit an Zugkraft. Den meisten Kunden wird das nicht aufgefallen sein – den Testern aber sehr wohl. Doch auch ohne diesen Defekt wäre die kleine Fränkin keine Rennyacht. Schwer, mit viel benetzter Fläche und völlig ausgelutschten Segeln hat sie nicht die besten Chancen. Die 30 ist bekannt dafür, dass sie sich am Heck festsaugt, auch das zeigt der Test. Gewicht achtern ist also Gift. Ansonsten fühlt sie sich trotz schlechter Ausgangsbedingungen gar nicht so übel an.
Die älteren Bavarias laufen irgendwie und vermitteln dank des Ruderdrucks ein ganz gutes Gefühl. Mit frischen Tüchern und hier und da erneuerten Beschlägen ließe sich auch diese Bavaria mit Freude segeln. Bei den Beschlägen profitiert die 30 von der Gleichteilestrategie. Der Stopper etwa, der auf der 37 zu klein ist, passt hier bestens.
Bavaria-typisch wird die Großschot auf dem Aufbau gefahren; für die meist kleine Crew kann das ein Problem sein. Der Umbau auf eine nach achtern geführte Lösung ist aber mit zwei Stoppern möglich.
Nach 13 Jahren in der Charter ist das Deck eine Baustelle. Die Beschläge müssen gepflegt oder getauscht werden, das Gelcoat ausgebessert. Das ist aber teils in Eigenleistung machbar.
Rumpf Massivlaminat, Deck Sandwich, Handauflegeverf., Temperung. Bodengruppe GFK, Gusseisenkiel
* Stand 2020
Viel Raum, ergonomisch gut, seglerisch wenig anspruchsvoll. Ein gutes Einsteigerboot für die ganze Familie. Viel Schiff fürs Geld