GestrandetSeenotretter befreien zwei Segelyachten aus gefährlicher Brandung

Max Gasser

 · 01.08.2023

Gestrandet: Seenotretter befreien zwei Segelyachten aus gefährlicher BrandungFoto: Die Seenotretter-DGzRS
Die havarierte Yacht im Schlepp des Seenotrettungskreuzers “Otto Diersch”
Gleich zwei Segelyachten mussten von den Seenotrettern in letzter Sekunde aus der Brandung gerettet werden. Eine davon erneut im Seegatt Schluchter vor Norderney, beide drohten bereits zu zerschellen. Wie Sie richtig handeln und gefährliche Legerwall-Situationen vermeiden

Am Sonntagnachmittag drohte eine Segelyacht vor Norderney in der Brandung zu zerschellen. Die etwas mehr als zehn Meter lange Yacht einer polnischen Crew war im Seegatt Schluchter etwa eineinhalb Seemeilen nordwestlich von Norderney auf einer Sandbank gestrandet. Bei 6 Beaufort und bis zu zweieinhalb Meter hohen Wellen befanden sich die drei Segler in Lebensgefahr, konnten jedoch noch rechtzeitig aus der Gefahrensituation befreit werden und blieben unversehrt.

Gegen 15 Uhr hatte die von der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) betriebene deutsche Rettungsleitstelle See von der Notlage erfahren. Sofort wurden die freiwilligen Seenotretter der Station Norddeich mit dem Seenotrettungsboot “Otto Diersch” alarmiert. Diese machten sich umgehend auf den Weg zur havarierten Yacht. Trotz des am Sonntag stattfindenden Tags der Seenotretter beendete auch der Seenotrettungskreuzer “Hans Hackmack” seinen Besuch auf Langeoog und fuhr zum Unglücksort. Mehr als 40.000 Gäste besuchten die DGzRS-Stationen am zurückliegenden Wochenende und erlebten so an einigen Stationen auch tatsächliche Einsätze.

Am Tag der Seenotretter: Yacht drohte in der Brandung auseinanderzubrechen

Die starke Brandung hob die Segelyacht unterdessen immer wieder an und ließ sie wieder auf den harten Sandboden aufsetzen. Das Schiff drohte auseinanderzubrechen. Die Seenotretter waren daher zu schnellem, aber gezieltem Handeln gezwungen und versuchten sofort dicht an das Boot heranzukommen, um eine Leinenverbindung herzustellen. “Wir mussten gut aufpassen, nicht selbst festzukommen”, erklärte der freiwillige Vormann Marcus Baar die Herausforderung. Als die havarierte Segelyacht leicht vertrieb, ergriffen die Retter die Gelegenheit und näherten sich mit der “Otto Diersch” schnell, sodass eine Leine geworfen werden konnte.

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Die polnische Yacht wurde daraufhin in den Hafen geschleppt. Die Besatzung, bestehend aus zwei Frauen und einem Mann, überstand den Vorfall unversehrt. Laut den Seenotrettern wäre der Havarist wenig später vermutlich von der starken Brandung zerschlagen worden.

Kein Einzelfall: Weitere Yacht aus der Brandung gerettet bei Nacht

Auch bei Nacht im Einsatz: Die Seenotretter kommen der gestrandeten Yacht zu HilfeFoto: Die Seenotretter-DGzRSAuch bei Nacht im Einsatz: Die Seenotretter kommen der gestrandeten Yacht zu Hilfe

Bereits am vergangenen Dienstag waren vier französische Segler auf der Nordsee in eine ähnliche und ebenfalls lebensgefährliche Situation gekommen. Vor Borkum wurden sie nachts in der Brandungszone ebenfalls Opfer einer Sandbank. Bei nordwestlichem Wind mit 5 bis 6 Beaufort und bis zu zweieinhalb Meter hohen Wellen gelang es der Crew nicht, sich selbst von der Untiefe zu befreien.

Das Ruder war bereits gebrochen, Schlimmeres drohte. Denn die starke Brandung hob die knapp zehn Meter lange Segelyacht auch bei diesem Fall immer wieder an, bevor sie wieder auf dem harten Sandboden aufsetzte. Die Seenotretter der Station Borkum wurden gegen 22.30 Uhr informiert und befreiten das Schiff daraufhin wegen der geringen Tiefe mit dem Tochterboot. Im dritten Versuch glückte es, die havarierte Yacht in Schlepp zu nehmen und sie dann mit dem Seenotrettungskreuzer “Hamburg” in den Hafen zu bringen. Die vier Segler waren völlig erschöpft, blieben aber ebenfalls unverletzt, heißt es in der Mitteilung der DGzRS.

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Navigation in Seegatten und gefährliche Legerwall-Situationen: So handeln Sie richtig

Insbesondere die Seegatten zwischen den Ostfriesischen Inseln Juist und Norderney gelten auch unter erfahrenen Seglern als sehr anspruchsvoll. Die Havarie der polnischen Crew ist nicht der erste Fall im Schluchter-Fahrwasser. Zuletzt war dort im Mai ein niederländisches Paar nur knapp mit dem Leben davongekommen.

Da die Seegatten tückisch und zudem individuell unterschiedlich sind, gilt besondere Vorsicht. Durch natürliche Prozesse können sich die Fahrwasser ständig verlagern, weshalb aktuelle Informationen zur Lage für eine sichere Befahrung notwendig sind. Laut der BSU ist es für Wassersportler derzeit allerdings „nur mit erheblichem Aufwand möglich, verlässliche Informationen für die Befahrung von Seegatten zu finden“. Daher empfiehlt die Behörde im Generellen das Folgende:

  1. Seegatten stets mit dem Tidenstrom befahren.
  2. Soll eine Insel außen herum umsegelt werden, beide Gatt-Passagen sorgfältig planen.
  3. Ein Gatt nicht bei Dunkelheit oder schwierigen Sichtverhältnissen befahren.
  4. Grundsätzlich sollte jedes Seegatt bei mäßigem, auflandigem Wind von 3 bis 4 Beaufort und dem zugehörigen Seegang bei einlaufendem Wasser und mehr als halber Tide befahrbar sein. Ausnahme: Es hat sich eine hohe Dünung gebildet.
  5. Die Konstellation Strom gegen Wind immer meiden! Ab einer Windstärke von 5 Beau­fort kann sie für Segel­yachten gefährlich werden.
  6. Die Barre – also eine Sand- oder Schlickbank – bei Hochwasser (plus/minus zwei Stunden) passieren.
  7. Stets innerhalb des betonnten Fahrwassers manövrieren.
  8. Ein Segelboot sollte ein Seegatt unter Segeln nur dann anlaufen, wenn jederzeit ausreichend Raum nach Lee zur Verfügung steht.
  9. Bei Kursen vor dem Wind möglichst nur unter Vorsegel fahren, um das Risiko von Patenthalsen und auch die Luvgierigkeit zu reduzieren.
  10. Ein Motor – so vorhanden – sollte stets startklar sein oder sogar mitlaufen, um das Boot auf Kurs zu halten oder aus einer plötzlichen Gefahrensituation hinauszumanövrieren.

Im Jahr 2021 wurden der BSU insgesamt 65 Fälle in deutschen Gewässern mit Freizeitbooten unter Motor und Segel in Zusammenhang mit Grundberührungen gemeldet, von denen 20 Yachten im Charterbetrieb fuhren. Neben Selbstüberschätzung sind mangelnde Vorbereitung, Revierunkenntnis und technisches Versagen die häufigsten Ursachen für derartige Legerwall-Situationen.


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