Ob Anfänger oder erfahrener Segler, beim Kauf eines Bootes stellt sich jedem die Frage: Neu oder gebraucht? Jede Option hat ihre Vorzüge und Nachteile. Es gibt keine universellen Argumente für oder gegen den Kauf eines neuen Bootes – diese Entscheidung ist stark von den persönlichen Präferenzen und Gegebenheiten abhängig. Eine gebrauchte Yacht hat oft den Vorteil, dass eventuelle Anfangsprobleme behoben und Mängel beseitigt oder zumindest bekannt und im Kaufpreis eingerechnet sind. Besitzer derselben Yachtmodelle können um Rat gefragt werden, und häufig ist eine Probefahrt möglich. Der oft deutlich günstigere Preis spricht ebenfalls stark für den Kauf eines Gebrauchtbootes.
Je nach Alter können jedoch hohe Folgekosten entstehen. Neue Segel oder neue Elektronik, eine Austauschmaschine oder eine Osmosesanierung – da kommen schnell etliche Tausend Euro zusammen. Zudem ist die Konstruktion oft überholt, der Komfort geringer als auf neueren Yachten. Und noch etwas spricht für den Kauf einer Neuen: Er scheint weniger risikobehaftet zu sein. Doch auch mit einer werftneuen Yacht kann man in Fallen tappen und am Ende draufzahlen.
Ein neues Schiff kann man sich zumindest in Teilen nach eigenen Wünschen und Vorstellungen bauen oder zumindest ausbauen lassen. Ein oder zwei Nasszellen, begehbare Backskiste statt zusätzlicher Achterkajüte, sportliches Regatta- oder gemäßigtes Fahrtenrigg? Je nach Werft kann man auch in der Serienproduktion bei der Bootsbestellung auf diese und andere Punkte Einfluss nehmen. Grundlegende Änderungen etwa der Innenraumaufteilung nachträglich an einem Secondhand-Boot vorzunehmen ist dagegen aufwändig und wirtschaftlich betrachtet selten sinnvoll.
Der Vorteil einer gebrauchten Yacht: Sie ist häufig nicht nur bereits perfekt ausgestattet, sondern oftmals auch sofort startklar. Wer ein neues Schiff ordert, muss nicht selten monatelang auf dessen Fertigstellung und Auslieferung warten. Und schließlich wäre da ja auch noch das leidige Thema Geld. Zum Preis eines herkömmlichen neuen Bootes gibt es gebraucht häufig entweder hochwertigere, besser ausgestattete oder schlicht größere Schiffe. Auf der anderen Seite ist man weniger gut gegen unschöne Überraschungen gefeit. Einen Mangel an der neuen Yacht muss der Händler beseitigen. Beim Gebrauchtboot von privat lastet das Risiko, einen Seelenverkäufer erworben zu haben, auf dem Käufer.
Besonders beliebt, daran habe sich nichts geändert, sind Yachten, deren Erwerb als kalkulierbares Risiko gilt. Das vermuten potenzielle Käufer, wenn der Wiederverkaufswert schon vor der neuen Marktsituation stabil war. Als weiterer Pluspunkt wird angesehen, wenn die Werft noch existiert oder wenn es gut organisierte Klassenvereinigungen oder Eignerzusammenschlüsse gibt, weil sich das meist positiv auf die Ersatzteillage und das Informationsangebot auswirkt. Und schließlich steht ein Schiff höher auf der Beliebtheitsskala der Käufer, wenn sie es schon kennen – etwa, weil sie den gleichen Typ schon einmal gechartert haben.
Die Wahl zwischen einem neuen oder einem gebrauchten Boot wird maßgeblich von der Erwartungshaltung und Herangehensweise der Käufer bestimmt. Tatsächlich lasse sich eine Segmentierung in zwei Käuferschichten erkennen, sagt der Sachverständige Uwe Gräfer: solvente Interessenten, die gezielt nach den jüngeren Exemplaren der beliebtesten Gebrauchtboote suchen, und Bastler, die sich im Low-Budget-Angebot umschauen. „Von beiden wird Segeln nicht mehr als der elitäre Sport von Zahnärzten wahrgenommen, wo man keinen Einstieg findet, weil das zu teuer ist und zu umständlich.“
Auch die Klientel, die sich an ältere Exoten heranwagt, sei seit der Corona-Krise merklich gewachsen, weiß Gräfer zu berichten. Junge Leute, auch mit Familie, die analog zum VW-Bus-Abenteuer mit schmalem Budget ein älteres Boot kaufen und denen klar ist, dass sie fortan auch immer einen Schraubendreher in der Tasche haben werden. „Die hat es vor der Corona-Krise auch gegeben, aber es sind deutlich mehr geworden.“
Zur Krise komme nämlich ein weiterer Effekt, der sich besonders in diesen Käuferschichten auswirke. „Segeln ist sichtbarer geworden“, erklärt Gräfer. Das mediale Interesse sei seit Greta Thunbergs Atlantiküberquerung und Boris Herrmanns Vendée-Globe-Teilnahme extrem gestiegen. Junge Menschen würden zudem durch Video-Blogs zum Thema motiviert, von Restaurierungen bis hin zu Langfahrtprojekten mit alten Blauwasseryachten.
Was kostet eine Segelyacht über die Jahre wirklich, und wie hoch sind die Folgekosten für Hafenplätze und Instandhaltung? Und ist es am Ende nicht doch günstiger zu chartern? Diese Fragen muss jeder individuell für sich beantworten, für pauschale Empfehlungen spielen zu viele Variablen eine Rolle.
Um aber Für und Wider abwägen zu können, sollten die zu erwartenden Kosten so genau wie möglich erfasst und verglichen werden. Dazu gehören laufende Kosten wie Liegeplatz, Instandhaltung und Versicherung, Kraftstoff, Öl und Gas. Und nicht zuletzt die Ausgaben für Fahrten zum Schiff und zurück sowie die für Wartungsarbeiten, wenn diese nicht selbst erledigt werden.
Außerdem sollten die sogenannten Opportunitätskosten berücksichtigt werden. Dieser Betrag beziffert den entgangenen Zinsgewinn, wenn man die Yachtanschaffungskosten sparen und das Geld als Festgeld fest anlegen würde. Wer möchte, kann an dieser Stelle auch mit wahrscheinlichen Gewinnen am Aktienmarkt spekulieren. Wer dagegen einen Kauf finanzieren möchte, muss die Kosten, welche durch Zinsen entstehen, berücksichtigen.
Die einzelnen Posten für ein eigenes Boot summieren sich schnell zu anschaulichen Beträgen, die leicht die Ausgaben für einen Charterurlaub übersteigen können.
Die reine Betrachtung der Kosten sollte jedoch nie der einzige Aspekt sein, der die Entscheidung beeinflusst. Yachtbesitz bringt zwar viele finanzielle Verpflichtungen mit sich, andere Effekte jedoch, wie die Freiheit und Unabhängigkeit durch ihre Nutzung, sowie die Vorteile, ein eigenes Schiff zu steuern statt ein fremdes zu chartern, lassen sich nicht mit Geld aufwiegen. Hier muss jeder selbst entscheiden, ob ihm diese Gefühle Investitionen wert sind.