Kristina Müller
· 02.11.2022
Nach zwei Monaten auf See haben die schnellsten Skipper beim Golden Globe Race den Südatlantik bald im Kielwasser. Das Kap der Guten Hoffnung rückt auf der Seekarte in greifbare Nähe, und es zeigt sich, welche Wettertaktik sich nun auszahlt
Für die Entscheidung, weiter südlich zu segeln als der Rest des Führungsquintetts werden nun Kirsten Neuschäfer und Pat Lawless belohnt, die zügig vorankommen, während Simon Curwen, Tapio Lehtinen und Abhilash Tomy weiter nördlich segeln und kreuzen müssen.
Kirsten Neuschäfer segelte auf ihrer Cape George 36 zuletzt die schnellsten Etmale und prescht nach vorn. Laut Tracker hat sie aktuell die berechnete Position zwei inne.
Doch nicht nur die Positionierung zum Hochdruckgebiet im Südatlantik hat den Speed der Skipper in den letzten Tagen beeinflusst. Einige nutzten die ruhigen Bedingungen, um den Rumpf von starkem Bewuchs zu reinigen. Aussichtslos erscheint eine solche Operation auf See allerdings Guy Waites, auf dessen Rumpf Pocken und Entenmuscheln offenbar so stark wuchern, dass er Kurs auf die südamerikanische Küste genommen hat, um das Boot dort aus dem Wasser zu heben und den Rumpf zu reinigen.
Im Mittelfeld zwischen Führungsquintett und Nachhut segeln der Franzose Damien Guillou und der Österreicher Michael Guggenberger auf Kurs Kapstadt. Zu Guillous Bruch am Schaft seiner Hydrovane-Windsteueranlage berichtet Veranstalter Don McIntyre, dass die Ursache in Modifikationen zu finden sein soll, die Guillou vor dem Start an der Anlage vorgenommen hat. 14 der 16 teilnehmenden Yachten haben eine Hydrovane am Heck montiert – der kanadische Hersteller von Windsteueranlagen ist Partner und Sponsor des Golden Globe Race.
Höchst zufrieden wirkt „Captain Gugg“, wie Skipper Guggenberger in der GGR-Community nur noch heißt, im ersten Video-Zusammenschnitt von Bord seiner „Nuri“, der nun veröffentlicht wurde. Guggenberger, der eigentlich schon beim letzten Golden Globe starten wollte, zeigt sich glücklich darüber, es so weit geschafft zu haben, und dokumentiert sein Hochseeleben mit Akribie.
„Ich habe fast den Eindruck, dass ich hier segle, um einen Dokumentarfilm zu drehen“, sagt auch der indische Skipper Abhilash Tomy, während er seine Kamera montiert, die ihn beim Kochen in der Pantry zeigt. Längst nicht alle Skipper beherzigen die Aufforderung der Rennleitung, packende Bilder von See zu liefern. Doch einige – wie Guggenberger und Tomy – filmen engagiert, wie sie mit Frachtern oder der Familie Funkkontakt aufnehmen, wie ihre Boote durch die Wellen surfen und sie trotz des Geschaukels versuchen, die Balance für ein wenig Körperhygiene aus dem Eimer zu halten.
Weitere Eindrücke von Bord könnte es schon bald geben, wenn die Flotte den zweiten vorgegebenen Stopp vor Kapstadt eingelegen wird. Wie schon vor Lanzarote erwartet sie dort ein GGR-Team, das Bildmaterial und Briefe von Bord in Empfang nimmt. Dann liegt mit dem Indischen Ozean ein langer, einsamer Marathon vor der Flotte der angehenden Nonstop-Weltumsegler.