BootskaufSo vermeiden Sie Fehler auf dem Weg zur Traumyacht

YACHT-Redaktion

 · 22.10.2024

Welches Boot am Ende wirklich Zufriedenheit schenkt, ist individuell sehr verschieden und schwer vorhersagbar
Foto: YACHT/Morten Strauch
Wer eine Segelyacht kaufen will, sollte sich ehrlich fragen, was er wirklich braucht, sagt unser Autor Lars Reisberg nach acht Jahren im Yachthandel. Über die häufigsten Fehler und den Weg zum Erfolg beim Bootskauf

Text von Lars Reisberg

Auf der Suche nach dem passenden Boot sollten Interessenten vor dem Kauf als Erstes die rosarote Brille absetzen und ehrlich zu sich selbst die Frage beantworten, wofür es später tatsächlich benutzt werden wird. Das ist allerdings einfacher gesagt als getan.

Bei den Anforderungsprofilen können generell drei Kategorien der gängigsten Bootsnutzungs-Konzepte unterschieden werden: der Wochenend-Segler, der Regatta-Segler und der Urlaubs-Cruiser. Es gibt natürlich noch ein paar mehr, zum Beispiel den Charterer, aber der spielt beim Bootskauf keine Rolle. Ein ganz eigenes Kapitel sind die echten Blauwassersegler: Menschen, die wirklich die Leinen loswerfen, um mit ihren Yachten, etwa im Rahmen eines Sabbaticals, die ganz großen Reisen zu machen.

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Ein realistisches Anforderungsprofil beginnt mit der Zeit, die zur Verfügung steht, eine Yacht zu nutzen. Für die meisten von uns sind das natürlich die Urlaubstage, die wir pro Jahr im Job haben. Im Schnitt sind das für Deutsche 30 Tage. Wenn dann zusätzlich die Wochenenden berücksichtigt werden, also 52 mal 2 volle freie Tage, stehen noch einmal etwa 100 Tage zur Verfügung. Kommen noch die gesetzlichen Feiertage hinzu, dann sind das etwa 10 pro Jahr. Macht insgesamt also 140 Tage.

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Das klingt nach richtig, richtig viel: fast ein Drittel des Jahres für das Segeln. Aber je nachdem, wo die Yacht liegen wird, schränkt schon allein das Wetter und auch die Entfernung zum Boot die Nutzungszeit zumeist erheblich ein. Wer sein Boot ab Ende Oktober ins Winterlager bringt und erst ab Anfang Mai vernünftig wieder segeln kann, der kann ein halbes Jahr Nutzung getrost streichen.

Ist das Boot in der Nähe, wird man viel mehr Wochenenden auf ihm verbringen, weil die Anreise kein Problem darstellt – das ist die klassische „Bodensee-Nutzung“. Anders meine „Seeschiff-Kunden“, also Kunden, die ihre Yachten in der Adria, an der Côte d’Azur oder bis runter an der spanischen Mittelmeerküste hatten.

Meistens verfügten sie noch über Ferienwohnungen in der Nähe, sodass sie einen Bezug und eine Vorgeschichte zu und mit dem Revier dort hatten – und einiges an Anreise-Erfahrungen mitbrachten. Viele von ihnen hatten sich dabei schon in ihrem Job auf mehr oder weniger lange Perioden von Heimarbeit und Home­-Office eingerichtet, um ihre Nutzungsdauer „vor Ort“ zu verlängern. Diese Konzepte ließen sich dann natürlich wunderbar auf die neue Yacht übertragen. Generell aber waren das dann kaum mehr Week­ender, sondern eher Urlaubs-Cruiser – mehrere ­Wochen im Jahr an Bord also.

Nutzungsgruppen: Vom Racer bis zu Sailing Families

Weekender

Erfahrungsgemäß sind die meisten Nutzungskonzepte für Segelboote als Week­ender anzusehen, wenn die Boote mit dem Auto zu erreichen sind. Die Nutzung der Yacht wird dann möglichst viele Wochenenden sowie ein, zwei größere Urlaubs­törns im Jahr umfassen. Wenn man von einem guten Sommer ausgeht, also eine schöne Saison von Mai bis August, vielleicht Mitte September, wird ein durchschnittliches Ostsee-Segelboot an zehn bis zwölf Wochenenden gesegelt. Hinzu kommen größere Urlaube, zwei bis drei eine oder zwei Wochen lange Törns. Und das ist es dann auch schon.

Die Arbeit im Home-Office wird immer populärer. Seit der Coronazeit kann von einem Paradigmenwechsel gesprochen werden, und es hat ein großes Umdenken eingesetzt. Yachten sind perfekte Orte für die internetbasierte Fernarbeit. Wer es schafft, Re­mote Work einzurichten, dessen Nutzungskonzept verändert sich und die Yacht wird vom Weekender zum Boat­-Office. Die Yacht ist ein perfekter Ort für diese Art zu arbeiten, wenn sie technisch entsprechend ausgestattet wird. Es erweitert sich dadurch der Nutzungszeitraum, obschon das Boot dann meist statisch am Liegeplatz bleibt und kaum gesegelt wird. Wenn Boat-Office eine Rolle spielt, muss dies beim Kauf und bei der Bootsauswahl natürlich von vornherein berücksichtigt werden.

Urlaubs-Cruiser

Eine zweite große Nutzergruppe sind die Urlaubs-Cruiser. Das sind Yachten, die sich weiter entfernt vom Wohnort befinden. Meist sind dies mittelgroße bis große Yachten, die dann im Mittelmeer, vorrangig der Adria, in Spanien und teilweise auch in Griechenland liegen. Mittelgroß, das sind Yachten ab 40 bis 45 Fuß, also schon große Boote, die ein entsprechend hohes Anfangs-Invest erfordern.

Fehler sollten beim Kauf eines jeden Bootes vermieden werden. Bei Yachten ab 40 Fuß aber und vor allem bei Booten, die weitab vom Wohnort liegen, also hohe Anreise-­Aufwände und Unterhaltskosten produzieren, muss einfach alles perfekt sein. Das Frustpotenzial bei einem Fehlkauf und allen folgenden Maßnahmen ist bei weit entfernten Yachten sehr groß.

Ein solches Boot ist für die meisten meiner Kunden nicht das erste gewesen. Fast alle haben sich mit dieser Yacht den Traum vom großen Schiff im Meer erfüllt, nachdem sie vorher auf kleineren Booten – oftmals geerbten Familienbooten des Herrn Papa – in den Binnenrevieren oder der Ostsee geübt hatten. Nichtsdestotrotz ist das Up­grade auf eine große Yacht in vielerlei Hinsicht eine ganz besondere Herausforderung. Schauen wir uns das Anforderungsprofil dieser Urlaubs-Cruiser an. Nutzer einer solchen Yacht haben entweder durch Wohneigentum vor Ort oder eine lange Familienurlaubs-Tradition eine Bindung zu dem Revier. Sehr häufig stellt die Yacht eine Ergänzung zur Ferienwohnung dar. Für mich als Berater war das immer recht einfach, denn die lokalen Gebräuche und Sitten waren dann meist bekannt – und die Organisation von Liegeplätzen meist schon längst durch den Interessenten erledigt.

Bei der Nutzung der Yacht sollte man es erreichen, vier bis sechs Wochen pro Jahr an Bord zu sein. Das wäre das Minimum und ist nach meiner Erfahrung für die meisten Eigner eines solchen Modells auch realisierbar. Viele Kunden, die dieses Modell fahren, kaufen sich ihre große Yacht in Vorbereitung auf den eigenen Ruhestand. Die dem zugrunde liegende Idee ist, dass man jetzt, drei bis fünf Jahre vor der Rente oder Pension, das Boot kauft und sich langsam auf das Leben als Rentner vorbereitet – man gönnt sich die Yacht, als Bonbon sozusagen, als Vorgeschmack auf das süße Leben im Ruhestand, als Belohnung. Mir waren diese Kunden immer sehr sympathisch, weil sie sich so sehr auf ihre Boote und ihr Leben später als Skipper freuen, weil sie nach vorn blicken. Es hat dann immer etwas so Positives gehabt.

Das große Boot wird nach dem Kauf also zunächst nur eher selten genutzt, aber dann, wenn es richtig losgehen soll mit der Freizeit, wären die Kinderkrankheiten beseitigt und man hätte als Skipper und Crew schon viel Erfahrung im Umgang mit der Yacht. Nicht das schlechteste Konzept. Bei einer Yacht, die als Urlaubs-Cruiser dienen soll, sind oftmals eher weniger Menschen an Bord. Das ist später wichtig für die Ausstattung und das Kabinen­layout des Bootes. Ein Paradoxon: Die häufiger genutzten Week­ender, auf denen meist auch mehr Leute segeln, sind kleiner, während die Yachten, die seltener und von noch weniger Menschen genutzt werden, meist größer ausfallen.

Racer

Und schließlich gibt es die Regatta-Segler, die kleinste der Kundengruppen, aber eine nicht zu unterschätzende. Manch einer ist früher als Kind oder Jugendlicher Laser oder andere Jollentypen im Segelclub auf Regatten gefahren und findet später wieder Gefallen an der Idee, ein sportliches Boot anzuschaffen, um sich in den vielen Clubs oder bei den unzähligen Regatten mit anderen zu messen. Es boomt – vor allem in Nordeuropa, aber auch im Mittelmeer – die Einhand- und Double-Handed-Racing-Szene. ­Events wie das Silver­rudder, der Veg­visir Race, aber auch Klassiker wie Run Skagen, Rund um den Bodensee und viele andere sind oft binnen Stunden ausverkauft.

Es gibt auch bei den Großserien-Herstellern sehr attraktive Boote für ambitionierte Segler. Yachten wie die Dehler 30 OD, die SunFast 30 OD, die Boote von J oder Pogo können dabei ernsthaft und durchaus siegambitioniert auf den totalen Racing-Einsatz getrimmt werden. Und es gibt sportliche Yachten, die mit richtig schönen Cruising- und Komfortqualitäten aufwarten. Etwa die Bene­teau-­Reihe Sea­scape/First oder ­X‑Yachts und so weiter. Racer können also durchaus auch Familienyachten sein und damit die Kategorie Weekender oder Urlaubs-Cruiser ­anschneiden.

Nicht zu unterschätzen ist dabei die Kategorie der kleinen, trailerbaren Boote bis maximal 27, 30 Fuß. Sie sind mobil und erweitern damit die Einsatzorte immens. Diese Woche eine Regatta in der Ostsee, nächsten Monat Familienwochenende in der Lagune von Venedig und später Weiterfahrt nach Kroatien für eine Einhand­regatta – das ist alles kein Problem. Die Winterlager-Suche ist easy: Beim Bauern für einen schmalen Euro den Trailer hinter der Scheune geparkt, Persenning drüber und fertig. Oder besser noch im eigenen Garten. Man achte allerdings beim Kauf eines Trailerbootes unbedingt da­rauf, dass der eigene Wagen das Boot auch ziehen kann und darf.

Beim sportlichen Anforderungsprofil sind natürlich die Events der Treiber. Wen die Rennszene reizt und wer sich daher ganz gezielt ein Boot kaufen möchte, um Regatten zu segeln, wird Anforderungen an sein Boot in Bezug auf Klassenregeln, Clubregeln oder Yard­stick mitbringen und wissen, welche Regatten und Rennen er gern segeln möchte.

Sabbatical und Sailing Families

Eine weitere Kundengruppe mit speziellen Anforderungsprofilen sind zumeist ­junge Familien, gern mit Neugeborenen oder Kleinkindern, die ein Boots-Sabbatical machen wollen. Viele junge Paare, aber auch Menschen mittleren Alters schieben so eine Segel-Auszeit in ihr Berufsleben. Sie stehen dann vor der großen He­raus­forderung, bei diesem Anforderungsprofil nicht nur die Ausstattung des Bootes, sondern auch die sehr kurze und eingeschränkte Nutzungsdauer der Yacht zu ­berücksichtigen.

Das Sabbatical ist meist eine ­größere Seereise, keine Weekend- oder Urlaubs­törn-­Nutzung. Das Top-Reise­ziel für ein- bis zweijährige Sabbaticals ist das Mittelmeer. Auch hier stehen vor allem die zahlreichen Reviere Griechenlands ganz oben auf der Liste. Der Grund ist einfach: unzählige Ziele, die man ansteuern kann – dabei aber die Sicherheit, in der EU zu sein, mit allen Annehmlichkeiten, schnelle Verbindung nach Hause, falls man zurückmuss, aber trotzdem das Gefühl, weit weg zu sein.

Ebenso reich, aber wettertechnisch anspruchsvoller und noch eher ein Geheimtipp ist die nördliche Ostsee. Für viele Segler, mich eingeschlossen, sind die Schären Schwedens und vor allem der baltische Norden ab Finnland das schönste Segel­revier der Welt. Eine ausgiebige Ostsee-Runde kann auf die Crew wie eine Weltumrundung wirken. Sie hat das Gefühl, ganz weit weg vom Zuhause zu sein und ein großes Abenteuer zu bestehen – obwohl man sich in sicherer Reichweite der Zivilisation bewegt. Gerade von Familiencrews mit Kleinkindern wird das aus Gründen der Gesundheitsversorgung gern so gewählt.

Andere gehen auf eine echte Langfahrt in weiter entfernte Ziele. So ist eine Kanaren-Runde seemännisch schon deutlich anspruchsvoller und exotischer, manche kombinieren das mit Madeira oder einer Reise auf die Azoren. Auch die klassische Atlantik-Überquerung ist in einem Jahr gut machbar, wobei sich hier oftmals die Rückreise über die weit anspruchsvollere Nordroute als große Herausforderung und Probe erweist. Dennoch kann eine Atlantik-Runde in einem Jahr Auszeit gut bewältigt werden, inklusive Karibik, New York und triumphaler Rückkehr.

Das Problem bei der Wahl der Yacht für ein solches Sabbatical ist nun folgendes: Es bedarf eines Bootes, auf dem die Crew wohnen kann und das gleichzeitig die Herausforderungen des Hochseesegelns mit allem, was dazugehört, zu meistern imstande ist. Das fängt bei der Bootsgröße an, geht über die grundsätzliche technische Ausrüstung bis hin zu Details. So wird man Ausrüstung und Klamotten für alle Jahreszeiten mitnehmen müssen, Fahrräder, SUP, Beiboot und, und, und. Das alles braucht Stauraum, und daher sind die Boote für solche Auszeiten auch meist jenseits der 40 Fuß zu suchen.

Ich kenne viele Beispiele von Pärchen-­Sabbaticals mit einem oder zwei kleinen Kindern auf kleineren Booten. 36 Fuß, sogar 30 Fuß. Aus meiner Sicht bezahlt man hier mit zu vielen Kompromissen, oft leidet dann der Komfort und damit die Stimmung an Bord. Aus einem Traum kann so eher ein Albtraum werden.

Sabbatical-Segler kaufen daher meist gebrauchte Yachten. Die Kosten-­Nutzen-­Rechnung für eine große, komfortable und seefähige Neu-Yacht, die man nur ein oder zwei Jahre intensiv nutzt, geht für die meisten nicht auf. Eine gebrauchte nach der Zeit wieder zu verkaufen begrenzt die finanziellen Verluste erheblich und reduziert natürlich das Anfangsbudget enorm. Eine ozeanfähige Yacht für die große Langfahrt hat mindestens 45 Fuß. Die Schiffsgröße ist zunächst ganz einfach eine Frage der Sicherheit. Je größer die schwimmende Plattform, desto stabiler, schneller und damit sicherer ist sie.

Auf dem offenen Ozean muss man sich früher oder später auch den unangenehmen Wettersystemen stellen. Während man auf Ostsee oder Mittelmeer immer innerhalb von einigen Stunden im sicheren Hafen ist, geht das auf dem Ozean nicht. Schwerwetter wird bei einer Weltumrundung daher ganz sicher ein Thema sein. Und damit dann sofort Schiffs­eigen­schaf­ten wie Durchschnittsgeschwindigkeit, Stabilität, Kenterkurve und dergleichen. Eine Yacht, die ein Etmal von 180 Seemeilen schafft, also im Schnitt 7,5 Knoten, ermöglicht ein ganz anderes Wetter-Routing als ein Boot, das mit 5 Knoten schon sein Maximum erreicht.

Wer auf Langfahrt geht, braucht außerdem Stauraum, Stauraum, Stauraum und nochmals Stauraum. Allein die Ersatzteile, Ersatzsegel, Ausrüstungsgegen­stände und Klamotten werden für einen solchen Trip enorme Ausmaße annehmen – umso mehr, je mehr Besatzungsmitglieder an Bord sind. Sollte man mit einem oder zwei Kindern segeln, wäre die empfehlenswerte Bootsgröße, die dann sowohl genug Kabinen- oder Schlafplätze als auch genug Stauraum bietet, eher nicht unter 50 Fuß anzusiedeln.

Abgrenzung und Einschätzung

Die Grenzen zwischen den Anforderungsprofilen sind nicht immer total starr oder gar unveränderlich. Es gibt in meinem Kundenportfolio beispielsweise Eigner, die ihre Urlaubs-Cruiser auf Per­for­mance getrimmt haben. Oder Eigner, die sich aus der Weekender-Sparte hin zu den Urlaubs-­Cruisern entwickelt haben. Wichtig ist, dass die eigenen Möglichkeiten vor dem Kauf realistisch eingeschätzt werden. Dass der Käufer ehrlich und objektiv mit sich selbst und allen Beteiligten die Nutzung der zukünftigen Yacht durchspricht – und auch schon einmal grob durchrechnet.

Passt das Budget zum Anforderungsprofil? Sind die Aufwände für An- und Abreise es wert, das Boot wirklich in das Traumrevier zu legen, oder fängt man erst mal standortnah an? Wie viel Zeit will und kann man überhaupt realistisch an Bord verbringen? Das ist sehr wichtig, denn klar zu formulieren, was man will und kann – und was nicht –, bewahrt später vor Fehlberatung, Fallen und letztlich auch vor Fehlkäufen.

Gute Beratung beim Bootskauf

Es ist sehr schwer, vielleicht sogar eines der schwersten Dinge im Bootskauf überhaupt, ein Anforderungsprofil für die eigene Yacht zu entwickeln – vor allem wenn es das erste Boot ist. Schwierigkeiten damit sind vollkommen normal, und meiner Erfahrung nach haben mindestens die Hälfte aller Bootsbesitzer nicht das passende Boot. Wer in der Marina Eigner anspricht, die seit zwei, drei Saisons eine neue Yacht besitzen, wird feststellen, dass kaum jemand sagt, er sei mit der Bootswahl hundertprozentig zufrieden.

Aus meiner Sicht leben vor allem Erstkäufer noch zu viel in der durch das Marketing der Werften idealisierten Segelwelt. Sie haben kaum praktische Erfahrungen, mit Neubooten sowieso nicht, und hängen zudem oftmals einem Ideal nach, das aus vielen Plänen, Vorhaben und Annahmen ­besteht. Das tatsächliche Anforderungsprofil unterscheidet sich hierbei oftmals von dem, was sie damals beim Kauf als Nut­zungs­idee für die Yacht hatten. Damit betrügt man sich am Ende nur selbst, und man wird dann unter Umständen ein nicht passendes Boot besitzen und meistens viel zu viel Geld dafür bezahlt haben.

Ein guter Bootshändler ist daran zu erkennen, dass er gerade am Anfang der Beratung sehr intensiv mit dem Kunden über dessen Anforderungsprofil spricht. Und dass er es kritisch hinterfragt. Unseriöse Bootsberater stellen kaum Fragen, akzeptieren jede noch so absurde Idee und wollen nur verkaufen.

Bootskauf: Traumyacht versus Realität

Die Bootsgröße ist, wie kein zweites Attribut, ein Statussymbol. Und dies sogar mehr noch als letztlich die Marke und der Typ der Yacht. Wenn Segler über ihre Boote reden – wird meist sofort die Größe genannt. Und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit haben Kaufwillige auch schon eine mehr oder weniger klare Vorstellung davon, wie groß das neue Boot werden soll. Wie kaum eine zweite Eigenschaft der Yacht scheint die Bootsgröße eine Eigenschaft zu sein, welche die meisten Segler meinen zielsicher definieren zu können. Oftmals liegen sie damit für sich selbst auch richtig. Viele – die meisten, würde ich sagen – kaufen sich dann am Ende die Boote auch in genau dieser Größe.

Meine Erfahrung mit dem Großteil der Bootskäufer ist die, dass man als Yachtberater gefühlt fast in jede Richtung beraten und auch vorgefertigte Meinungen ändern oder beeinflussen kann – die Bootsgröße selbst aber eher kaum oder nur selten. Selbst wenn die Kunden augenscheinlich eine viel zu große Yacht unterschrieben hatten, musste in der Wunschgröße gekauft werden, daran war nicht zu rütteln.

Werthaltigkeit und Wiederverkauf

Es ist durchaus sinnvoll, sich schon Gedanken über die Werthaltigkeit und sogar den Wiederverkauf zu machen, während man noch überlegt, was für ein Schiff gekauft werden soll. Denn natürlich wird irgendwann der Moment kommen, da – aus welchem Grund auch immer – die Yacht wieder zum Kauf angeboten wird. Das Ziel ist dann ein schneller Verkauf zu einem hohen Preis. Das bedeutet, dass in ein Boot investiert werden sollte, welches einen geringen Wertverfall hat.

Boote sind generell immer einem mehr oder weniger starken Wertverfall ausgesetzt und eignen sich daher auch nicht als Wertanlage. Selbstverständlich gibt es allerdings Nuancen, die beim Kauf wichtig zu beachten oder wenigstens zu wissen sind. Es gibt, wie bei Autos auch, solche und solche Marken. Grundsätzlich gilt die Regel: Je weiter verbreitet eine Marke oder ein Bootstyp ist, desto größer ist der Wertverfall. Aber: Desto höher ist auch die Chance, dieses Boot schnell wieder verkauft zu bekommen. Diese Faustformel gilt also für alle großen Serienhersteller: Bavaria, Bene­teau, Jean­neau, Hanse und Dufour.

Entsprechend ist auch klar, dass kleinere Hersteller, exklusivere Marken und spezialisiertere Yachten einen kleineren Kundenkreis ansprechen, daher eher schwerer zu verkaufen, dafür aber meist wertstabiler und höherpreisiger sind. Das sind etwa Yachten wie Grand Soleil, Hallberg-Rassy, ­J/Boats oder ­X‑Yachts. Auch alles, was in Richtung Luxus­marke, spezialisierte Performance-Hersteller und Blauwassersegeln geht, würde ich ­darunter zählen.

Die Entscheidung für eine ­bestimmte Marke und für einen bestimmten Typ entscheidet also maßgeblich über den Wieder­verkaufswert und eine Wiederver­kaufs­chance. Mit Yachten der großen Serienhersteller macht man grundsätzlich nichts falsch. Je nach Marke gibt es dabei allerdings Schwerpunkte. So sind die großen französischen Marken selbstverständlich in Frankreich und im Mittelmeer in der Überzahl, in den nordeuropäischen Revieren sind es dann eher Marken wie Bavaria, Hanse und Dehler.

Wertverfall nach dem Bootskauf

Yachten verlieren generell immer erst einmal an Wert. Es ist davon auszugehen, dass ein Boot direkt nach der Übergabe, wenn der erste Fuß an Deck gesetzt wird, 30 Prozent seines Wertes verliert. Die erste Saison tut also am meisten weh. Die Yacht gilt sofort als Gebrauchtboot und ist abgewertet. Doch keine Sorge, so steil geht es dann nicht mehr bergab. Denn dann stabilisiert sich der Wert und sinkt nur noch langsam. Jetzt kommt es darauf an, wie gut der Zustand des Bootes ist.

Bei Yachten im zweiten Jahr nach Übergabe ist noch die Gewährleistung aktiv, und Yachten, die jünger als drei bis fünf Jahre sind, sollten noch einige aktive Garantien für bestimmte Ausrüstungsteile haben. Aktive Gewährleistung und Garantien sind gute Wiederverkaufs-Argumente und wirken damit wertstabilisierend.

Leider gibt es keine allgemeingültige Formel zur Werteinschätzung einer Yacht, da die genannten Faktoren so unterschiedlich sind. Generell aber kann man sagen, dass ein Serienboot nach 10 bis 15 Jahren nicht mehr stark im Wert sinken wird – bei entsprechender Wartung, guter Behandlung und Pflege, versteht sich.

Diagnose: Fußkrankheit

Abschließen möchte ich mit der Warnung vor einer Krankheit, die 99 Prozent aller Segler befällt: die Fußkrankheit. Die Symp­tome dieses Leidens äußern sich darin, dass man als Eigner plötzlich und sehr schmerzhaft 10 Fuß zu wenig am Steg hat. Der Eintritt erster Symptome kann schon in der ersten oder zweiten Saison mit dem neuen Boot diagnostiziert werden.

Bei der Fußkrankheit ist ein sich stetig verschlimmernder Verlauf zu erwarten, der bei vielen Opfern dieser heimtückischen Krankheit zu ständiger, immerzu brennender, nicht zu unterdrückender Sehnsucht nach einem neuen, größeren Boot führt. Unablässiges Sprechen hierüber, das Book­mar­ken sämtlicher das neue Boot betreffenden Web­sites und Messebesuche mit stundenlangem Aufenthalt an Bord des größeren Bootes sind die Folge.

Viele Erkrankte können nie kuriert werden – Heilung kann sich nur verschaffen, wer die Fußkrankheit durch stoische Ruhe und Gelassenheit mit der Zeit zurückdrängt oder, meist nach drei bis fünf Jahren, ebenjene 10 fehlenden Füße durch einen Neukauf erhält.


Über den Autor: Lars Reisberg

Für den YACHT Artikel: Bootskauf 22/2024
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cell +49 (0)176 - 403 780 89Foto: Lars Reisberg/No Frills Sailing

Lars Reisberg war nach einer Karriere in verschiedenen Werbeagenturen als Marketing-und Vertriebsleiter für einen Bootshändler tätig und verkaufte zuletzt in rund drei Jahren selbst 100 Yachten. Seine Erfahrungen hielt er in einem Buch fest, das demnächst erscheint. Heute arbeitet Reisberg als freier Content-Spezialist für Kunden aus der Bootsbranche. Gemeinsam mit seinen zwei Kindern und Freunden segelt Reisberg demnächst auf seiner neuen Yacht, die 10 Fuß länger ist als die alte.

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