Max Gasser
· 14.01.2023
Es ist angerichtet: Die Teams sind in den letzten Zügen der Vorbereitung, zahlreiche Journalisten und Fans tummeln sich im und um den Hafen – kurzum: Die Spannung und die Vorfreude auf den Start von The Ocean Race könnten größer kaum sein
Erstmals in der 50-jährigen Geschichte der legendären Mannschaftsregatta um die Welt ist die Imoca-Klasse das Boot der Wahl, und zum zweiten Mal wird das Rennen, das einst als Whitbread Round the World Race begann, unter einem neuen Namen stattfinden. Die 14. Ausgabe bietet mit der längsten Etappe der Historie – 12.750 Seemeilen durch das Südpolarmeer – noch eine weitere, sportlich höchst spektakuläre Premiere. Nie war das Interesse in Deutschland so groß, nie konnte das Rennen so intensiv mitverfolgt werden. Das liegt zum einen an der Kooperation des Veranstalters mit US-Mediengigant Warner Bros. Discovery (Eurosport), vor allem aber an der Rekordteilnehmerzahl deutscher Segler. Durch die Pandemie bedingt findet das Ocean Race zudem erstmals erst fünf Jahre (anstelle von drei) nach der vorangegangenen Ausgabe statt. Umso gespannter schauen nun die komplette Segelwelt und Hunderttausende von begeisterten Fans nach Alicante.
Dort wird morgen um 14 Uhr der erste Startschuss fallen. Allerdings zunächst für die Volvo-65-Klasse, die eine verkürzte Route mit lediglich drei Etappen bestreiten wird (VO65 Sprint Cup). Erst zwei Stunden später werden dann die Hauptakteure auf ihren Imocas auf den 1.900 Seemeilen langen Kurs von Alicante zu den Kapverdischen Inseln geschickt.
Um dorthin zu gelangen, erwartet die Segler zunächst ein harter Amwind-Teil mit bis zu 35 Knoten Wind in den Böen. Nach ungefähr zwei Tagen auf See werden die Teams die Straße von Gibraltar durchsegeln, um dann auf raumen Kursen dem Ziel entgegenzujagen.
Die erste Etappe gleicht im Kontext des Rennens einem Sprint – nach der aktuellen Wettervorhersage werden die Teams lediglich vier bis fünf Tage unterwegs sein. Besonders strategisch ist der Auftakt dadurch jedoch keineswegs weniger anspruchsvoll. Denn der Stopp auf den Kapverden wird nur wenige Tage lang sein – bereits am 25. Januar erfolgt der Start in Richtung Kapstadt.
Zudem darf die Technik-Crew der Teams nicht vor Ort Hand anlegen; jeder entstandene Schaden muss also von den Seglern in kürzester Zeit selbst repariert werden. Spannend wird daher sein, ob die Teams ihre Boote bereits auf den ersten Seemeilen ans Limit treiben oder ob zunächst etwas mehr Vorsicht zu sehen sein wird.
Ein besonderes Augenmerk liegt hier nicht zuletzt auf Boris Herrmann und seinem Team. Der Hamburger war schon bei der Route du Rhum deutlich verhaltener als die Konkurrenz aufgetreten. Nun stellten sich erst kürzlich massive Schäden an den Foils von “Malizia – Seaexplorer” heraus. Mittlerweile wurden diese durch Profile ersetzt, die denen von Sam Davies’ Boot “Initiatives Cœur” gleichen. Sie waren für einen weiteren, derzeit noch geheimen Neubau eines namhaften Offshore-Profis bestimmt.
Zwar unterscheiden sich die neuen Foils deutlich von den bisherigen, machten aber bisher einen überraschend guten Eindruck – das Team selbst und der Sieg beim In-Port Race bestätigten das. Wie gut die kurzfristig angebrachten Tragflügel der Belastung allerdings langfristig standhalten werden, ist aktuell schlicht nicht vorhersehbar. Das könnte Grund genug für etwas mehr Vorsicht beim deutschen Team sein.
Denn die Route hält von Natur aus bereits einige Herausforderungen für die Teams bereit. So beispielsweise die Straße von Gibraltar mit ihrem Schiffsverkehr, der Strömung und frischen bis stürmischen, auf jeden Fall sehr böigen Winden aus West – also direkt gegenan.
Das Ziel dieser ersten Etappe ist die Insel São Vicente auf den Kapverden. Auch bei der Annäherung an das vor Mindelo gelegene Ziel könnte es nochmals interessant werden. Aufgrund der kurzen Distanz werden die Teams wohl dicht aneinander eintreffen und auf den letzten Metern hart um jeden Platz kämpfen.
Wem morgen ein guter Start und darauffolgend der Spagat zwischen absolutem Erfolgswillen und gutem Risikomanagement gelingt, wird gute Karten auf eine Podiumsplatzierung haben. Und startet damit nicht nur mit einem weitestgehend unbeschädigten Boot, sondern auch mit den ersten Punkten und Selbstbewusstsein am 25. Januar in Richtung Kapstadt.
Der Start zur ersten Etappe von The Ocean Race wird live übertragen und kann so von zu Hause mitverfolgt werden. Ab 15.30 wird der Start der Imocas im linearen Fernsehen bei Eurosport 1 begleitet. Wer beide Klassen mitverfolgen möchte, kann dies ab 14 Uhr über den Streaminganbieter discovery+ oder über den ebenfalls kostenpflichtigen Eurosport Player tun. Einen Youtube-Livestream auf dem Kanal von Eurosport wie bei den In-Port-Rennen, wird es voraussichtlich nicht geben. Außerdem wird im ZDF Sportstudio ein längerer Beitrag über The Ocean Race und die deutschen Teilnehmer zu sehen sein.