Vor knapp einer Woche erlebte vor der Küste von Bigoudène ein belgisches Seglerpaar einen unerwarteten Seenotfall: Ihr Segelboot wurde von zwei Orcas angegriffen. Die von den jungen Walen verursachten Schäden führten zur Seeuntüchtigkeit ihres Bootes und erforderten ein Abschleppen durch die französichen Seenotretter zum Hafen von Guilvinec.
Bei der Yacht handelte es sich um die 2021 gebaute, 11,80 Meter lange Holzyacht „Pieterjan“, der Vorfall ereignete sich rund 800 Seemeilen vor der französischen Küste auf der Rückfahrt von den Azoren.
Skipper John erzählt in einem Video: „Der Autopilot war ausgefallen, also ging ich ins Cockpit. Ich sah zwei Orcas hinter dem Boot und etwa 20 Meter weiter schwamm ein Stück des Ruderblattes. Da funktionierte das Ruder schon nicht mehr richtig.“
Offenbar wendete das Paar dann eine besondere Taktik an: Die Segel wurden geborgen, die Maschine gestartet und rückwärts gefahren. So sollte es für die Orcas nicht mehr so leicht sein, das Ruderblatt gefahrlos von hinten zu attakieren. Die Tiere hätten dann auch schnell das Interesse verloren.
Bei der Aktion war aber das Ruder quergeschlagen, wobei das Rudergestänge beschädigt wurde, so dass die Yacht manövrierunfähig geworden sei. Die herbeigerufenen Seenotretter schleppten die nach nach Guilvinec, wo sie repariert werden soll.
Der Vorfall ist bemerkenswert, da er sich 800 Seemeilen nördlich der Straße von Gibraltar ereignete, wo traditionell die meisten Schwertwalangriffe aufgezeichnet werden. Dies deutet auf eine mögliche Ausweitung der Gebiete hin, in denen Schwertwale mit Booten interagieren.
Seit Juli 2020 wurden fast 700 Interaktionen zwischen Schwertwalen und Booten entlang der Atlantik- und Mittelmeerküste in Europa und Nordafrika registriert. Etwa die Hälfte davon hat Schäden an den Booten verursacht, oft dadurch, dass die Schwertwale das Ruder mit großer Präzision angreifen.
Untersuchungen zeigen, dass eine Population iberischer Schwertwale, die aus etwa 35 Individuen besteht, für viele dieser Angriffe verantwortlich ist. Es ist jedoch unklar, welche Population europäischer Schwertwale hinter dem jüngsten Vorfall in der Bretagne steckt.
Die Empfehlungen für Segler zur Orca-Abwehr widersprechen sich teilweise. Einerseits wird geraten, langsamer zu fahren, den Motor abzustellen oder die Segel zu bergen, den Autopiloten und das Sonar auszuschalten und das Ruder so wenig wie möglich zu bewegen. Die Tiere würden sich so schnell langweilen.
Als wirksamer hat sich jedoch das Gegenteil herausgestellt. Statt Stillhalten empfehlen die Behörden nun jeder Yacht im Fall einer Orca-Interaktion, die Segel zu bergen, die Maschine zu starten und so schnell es geht möglichst flache Gewässer anzulaufen, bis die Orcas das Interesse verlieren.
Außerdem sollten die Orcas zu fotografiert werden sind und für jeden Skipper besteht die Pflicht zur Meldung von Orca-Interaktionen bei der nächstgelegenen Rettungsleitstelle (CCS) über die entsprechenden UKW-Kanäle (Kanal 16 oder Arbeitskanal).
Außerdem sollten sich Personen an Bord nicht den Rändern nähern und sicherstellen, dass sie sich an Orten befinden, die den größtmöglichen Schutz vor möglichen plötzlichen Bewegungen der Yacht bieten.
Ob eine der folgenden Abwehrmaßnahmen gerechtfertigt ist, muss jeder Skipper selbst entscheiden, da sie den Tieren schaden können.
Von Fischern wurde der Tipp übernommen, Sand auszubringen, um das Sonar der Orcas zu irritieren. Sand in voller Fahrt abzuwerfen ist jedoch sinnlos, weil er bei fünf Knoten Fahrt durchs Wasser sofort vertreibt wie jede andere ausgebrachte Substanz. Sand sollte nur stillliegend ausgebracht werden und dann in großen Mengen, säckeweise.
Über die Wirkung von Knallkörpern, sogenannten Robben-Bomben, die Fischer zur Abwehr von Robben von ihren Netzen einsetzen, hat Ex-Trans-Ocean-Vorstand Martin Birkhoff auf seiner Website berichtet. Er erlebte zwei kurze, heftige Orca-Attacken und setzte als letztes Mittel nach dem Ablaufen sogenannte Fire-Cracker ein, was die Interaktionen beendete.
Hier werden speziell angefertigte Stahlringe in Profilform mit seitlich abstehnenden, langen Dornen über das Ruderblatt gesteckt. Ob diese martialische Methode funktioniert, ist nicht bekannt.
Die norddeutsche Firma F3 Maritime Technology bietet einen Pinger für Yacht-Crews, der die Wale auf Distanz halten soll.