Morten Strauch
· 21.11.2022
Ein Orca-Angriff auf eine schwedische Colin-Archer-Yacht wurde vor der Küste Portugals dem Anschein nach erfolgreich mit Sand abgewehrt
Der Zweck heiligt mitunter die Mittel. So wird aus Furcht vor den anhaltenden Orca-Angriffen auf Segelyachten vor den Küsten Spaniens und Portugals teils martialisch aufgerüstet, um den ruderfressenden Tieren etwas entgegensetzen zu können. Mal mehr, mal weniger diskret wird von Pyrotechnik, Harpunen und Schusswaffen berichtet, mit denen sich Crews im Kampf um ihre Boote zur Wehr gesetzt haben beziehungsweise es zumindest in Betracht ziehen.
Ein schwedisches Pärchen, das mit ihrer Colin Archer „Wilma“ Ende Oktober auf Langfahrt vor der portugiesischen Küste unterwegs war, hat sich auf Anraten lokaler Fischer etwas defensiver auf eine mögliche Konfrontation mit Orcas vorbereitet: mit feinem Sand vom Strand, den die beiden in Beuteln abfüllten und griffbereit im Cockpit lagerten.
Als es in den frühen Morgenstunden am 29. Oktober dieses Jahres tatsächlich zu einem Angriff von einer Gruppe Orcas kam und der erste Schlag das Ruder erschütterte, starteten die Schweden zuerst den Motor, um die Wale mit dem Propeller, der direkt am Ruder sitzt, zu verschrecken. Nach dem zweiten Schlag begannen sie Sand über das Ruder ins Wasser zu streuen. „Wir konnten es selbst kaum glauben“, berichtet Helena Norberg der YACHT, „aber der Angriff hörte sofort auf, und die Orcas suchten das Weite. Die Fischer hatten uns erzählt, dass die Wale instinktiv sandiges Wasser meiden, um ihre Atemlöcher zu schützen. Wir können natürlich nicht ausschließen, dass unser sehr robustes Schiff mit dem Ruderblatt aus Edelstahl ihnen den Appetit verdorben hat, aber wir glauben, dass unsere Abwehrtechnik mit Sand sehr effizient ist und die Tiere auf eine natürliche Weise vertreiben kann.“
Die Schweden haben die „Wilma“ vorsichtshalber in Amora bei Lissabon rauskranen lassen, konnten aber nicht den Ansatz eines Schadens am Boot ausfindig machen. Als Nächstes planen sie die Atlantiküberquerung und überlegen auch die Nordwestpassage anzugehen. Neben ausreichend Proviant werden sie wohl auch immer ein bis zwei Säcke zum Sandstreuen an Bord haben. Auf ihrem Blog www.projektsunshine.se berichten sie von ihrer Reise.
Seit 2020 werden immer wieder Segelboote bedrängt, gerammt und insbesondere ihre Ruderblätter angeknabbert– meist trifft es Segelyachten mit einer Länge bis 15 Meter. Die spanische Regierung musste deshalb wiederholt besonders betroffene Gebiete für kleinere Segelschiffe sperren. Zwei Segelyachten sind bisher aufgrund von Orca-Angriffen gesunken.