Andreas Fritsch
· 20.03.2023
Auf dem Weg von Galapagos nach Polynesien rammt eine Yacht einen Wal und sinkt. Die Crew wird nach acht Stunden in der Rettungsinsel abgeborgen
Der Deutsche Simon Fischer war eins von vier Crewmitgliedern der Yacht “Raindancer”, einer 44-Fuß-Yacht, die auf Blauwasser-Törn im Pazifik etwa auf halbem Weg zwischen Galapagos und Französisch-Polynesien unterwegs war, als sie einen Wal rammte. In einem langen, sehr emotionalen Instagram-Video erzählt er, wie es zu dem dramatischen Vorfall kam.
“Wir waren im Cockpit beim Pizzaessen, als es passierte. Ob wir den Wal oder er uns getroffen hat, kann man nicht sagen. Wir sind innerhalb von 18 Minuten gesunken, der Schaden war zu massiv, als dass wir irgendetwas hätten machen können.”
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Eigner und Skipper Rick Rodriguez erzählte später in einem Bericht, dass ein Crewmitglied noch den Wal abtauchen sah, den das Boot getroffen hatte. “Es war, als ob wir gegen eine Betonwand gefahren wären”, das Boot kam nach zuvor sechs Knoten Speed sofort zum Stillstand. Eilig checkte die Crew das Boot, und der Skipper stellte massiven Wassereinbruch über der Propeller-Welle und dem Skeg fest. Das Boot war zur Zeit der Kollision unter vollen Segeln unterwegs.
“Nach ungefähr 30 Sekunden hatten wir schon erstes Wasser auf den Bodenbrettern”, so der Skipper. Sofort setzte die Besatzung ein Mayday via VHF ab, erreichte aber keine Yacht in der Nähe. Nachdem die Crew das Boot aufgestoppt hatte, zeigte sich bei einem raschen Tauchgang, dass das Boot massive Risse an Propellerschaft und Skeg hatte, die zentimeterweit aufklafften, und so viel Wasser ins Boot strömte, dass es hoffnungslos war, zu versuchen, die Löcher von innen oder außen zu verstopfen. Der Skipper, der als Profi-Crew auf vielen Yachten gearbeitet hatte, entschied daraufhin, dass die “Raindancer” nicht zu retten sei und es nun um das Überleben der Crew ging. Sofort begann diese mit den Vorbereitungen, um das Schiff zu verlassen.
“Ich hatte auf meine Armbanduhr geschaut, daher kann ich genau sagen, dass es 18 Minuten dauerte, bis das Boot sank”, so Simon Fischer in seinem Video. Doch die Crew reagiert ruhig und professionell. Das auf dem Vorschiff gelagerte Dingi wurde ins Wasser gesetzt, die Rettungsinsel aufgeblasen, Wasser, Vorräte, Funkgerät und ein Iridium “GO”, ein Personal-AIS sowie Signalraketen eingepackt. Eilig setzte der Skipper via Iridium eine Not-Nachricht an seinen Bruder und einen Freund ab, der etwa 160 Seemeilen hinter der “Raindancer” segelte, da via Funk kein Kontakt zu anderen Schiffen zustande kam.
Dann musste die Crew auch schon in Dingi und Rettungsinsel steigen, da die Yacht sehr schnell zu sinken begann. Der Skipper beschreibt es so:
“Wir luden so viel Vorräte und Wasser in die Rettungsinsel und das Dingi, bis der Wasserhahn der Spüle in der Bordküche unter Wasser war. Die Fußreling war da nur noch wenige Zentimeter über Wasser. Die beiden Frauen waren schon im Dingi und der Rettungsinsel und warteten auf Simon und mich. Ich hielt einen Moment inne, überlegte, ob ich noch irgendetwas tun kann. Dann habe ich mir noch einmal kurz die surreale Szene angesehen. Kurz drohten die Gefühle mich zu übermannen, doch dann sind Simon und ich in die Rettungsinsel geklettert. (...) Ich wusste, dass bald Rettung kommen würde, wenn ich Tommy, 160 Meilen hinter uns, oder die World-ARC-Flotte erreichen könnte. Dann habe ich das Iridum ausgeschaltet, um noch Batterie für später zu haben. Als ich es nach zwei Stunden wieder anschaltete, hatte ich einen ganzen Haufen Antworten. Da war klar, alle ändern ihren Kurs und sind auf dem Weg zu uns.”
Zum Ziel waren es zu dem Zeitpunkt noch 1.200 Seemeilen. Was die Crew nicht weiß: Ihre Epirb hatte zu dem Zeitpunkt ebenfalls bereits Alarm geschlagen und meldete den Untergang bei der Coastguard in den USA, wo sie registriert war. Die Behörden kontaktierten das MRCC von Peru, doch eine Rettungsaktion so weit im Pazifik ist extrem schwierig. Dennoch wird ein Frachter zum Unglücksort umgeleitet.
Doch die Crew hat Glück im Unglück: Ganz in der Nähe des Untergangsortes segeln zufällig acht Boote der World-ARC-Flotte. Über die Satelliten-Notrufe des Skippers macht die Nachricht vom Untergang via Relay-Call die Runde. Die kürzeste Distanz zur letzten bekannten Position hat letztlich die “Rolling Stones”, ein 45-Fuß Kat, der nicht an der World ARC teilnimmt. Die Crew macht sich sofort auf den Weg zu den Schiffbrüchigen.
Die Crew erlebt derweil die erste Nacht mitten auf dem Pazifik in der Rettungsinsel. Der Skipper der “Raindancer” beschreibt die Nacht so:
“Da trieben wir nun in pechschwarzer Nacht in einem Dingi und einer Rettungsinsel inmitten des Pazifik. Wir hatten beide zusammengebunden. Fliegende Fische landeten die ganze Nacht im Dingi, und der Wind nahm zu. Einer hielt immer Ausschau nach Schiffen, und wir haben jede Stunde über unser UKW-Handgerät ein Mayday abgesetzt. Um 5 Uhr morgens hat Simon dann als Erster die Lichter eines Schiffes gesehen. Danach haben wir dann Funkkontakt zum Kat ‘Rolling Stones’ gehabt.”
Nach knapp 8 Stunden erreicht dieser die Position und kann die Crew lokalisieren, da Kapitän Rodriguez ein persönliches AIS in der Rettungsinsel hat und eine Leuchtrakete abschießt. Und so kommt es, dass die gesamte Crew nach etwa 10 Stunden in Sicherheit ist und mit der “Rolling Stone” weiter nach Polynesien segelt. Die Organisatoren der World ARC haben eine eigenen Bericht zur Rettungsaktion veröffentlicht.
“Wir hatten großes Glück, dass wir via Iridium und Starlink so schnell gerettet werden konnten”, so Simon Fischer, der in seinem Instagram-Video noch sichtlich geschockt vom Geschehenen ist. Er bedankte sich bei allen Helfern für die schnelle Rettung und für die freundliche Aufnahme an Bord der “Rolling Stones”.
Beim aktuellen Fall der “Raindancer” handelt es sich nicht um die erste Meldung dieser Art. Seit 2020 werden immer wieder Boote bedrängt, gerammt und insbesondere ihre Ruderblätter beschädigt – meist trifft es Segelyachten mit einer Länge bis 15 Meter. Nach offiziellen Zahlen waren zuvor bereits zwei Yachten nach ähnlichen Zwischenfällen gesunken, es soll aber eine weitaus höhere Dunkelziffer geben.
Derzeit ist nicht bekannt, ob sich auch diese Kollision wie in den meisten Fällen mit einem Orca (Schwertwal) ereignet hat. Zur Prävention dieser Angriffe gab es bereits mehrere Herangehensweisen. Unter anderem sollte das Streuen von Sand die Tiere vertreiben, die neueste Theorie vermutet einen Zusammenhang der Zwischenfälle mit schwarzem Antifouling.