Kristina Müller
· 23.03.2023
Daniel Roesner ist Segler und Schauspieler, Tüftler und Träumer. Seit Jahren plant er einen Katamaran, auf dem er leben, arbeiten und um die Welt segeln will. Interview über ein ambitioniertes Bootsbauprojekt
Daniel Roesner: Viel! Einen Film zu produzieren oder ein Schiff zu produzieren ist im Endeffekt dasselbe. Du musst Geld in die Hand nehmen und Leute suchen, die mit dir an diesem Projekt arbeiten. Und alle gucken zu dir und fragen: Was kommt als Nächstes?
Das Team des Konstruktionsbüros iYacht in Hamburg hat alle meine Wünsche in ein Konzept gepackt. Die Pläne, das sogenannte Draft Design, sind jetzt fertig. Nun versuchen wir, eine Werft zu finden, die motiviert ist, all meine verrückten Ideen umzusetzen.
Meine Vorgabe war: Ich will das umweltverträglichste, tougheste Arbeitsschiff, auf dem man leben, Filme drehen und forschen kann. Ansonsten habe ich freie Hand gelassen.
Ja, das Schiff soll komplett nachhaltig gefertigt werden. Mein Traum ist seit Langem, auf einem Boot zu leben und die Welt damit zu erkunden. Ich liebe das Meer, ich verbringe jeden Tag mindestens eine Stunde darin. Ich habe aber verstanden, dass ich mit herkömmlichen GFK-Booten dieses Meer auch ruiniere – etwa mit Antifoulings, die ins Wasser abwaschen. Anhand der vielen alten Schiffe, die irgendwann irgendwo rumliegen oder sogar versenkt werden, sieht man, dass sie nicht nachhaltig und zirkular konzipiert sind. Als Abenteurer, Segler und Ozeanliebhaber habe ich gedacht: „Es kann doch nicht wahr sein, dass das niemanden interessiert!“ Ich möchte kein Teil davon sein. Deshalb beschloss ich, kein Boot zu kaufen, sondern zu versuchen, es anders zu machen.
Das Schiff soll komplett aus recycelbaren und recycelten Materialien gebaut und energetisch autark sein. Es wird ein 55-Fuß-Katamaran aus Aluminium, also einem extrem langlebigen Rumpfmaterial.
Das ist richtig, ich habe aber eine norwegische Firma entdeckt, die Aluminium mit erneuerbarer Energie und wiederverwertetem Material fertigt. Für die Herstellung des recycelten Aluminiums werden nur fünf Prozent der ursprünglichen Produktionsenergie benötigt.
Naturfasern müssen zwar nicht so energieintensiv hergestellt werden, aber das Problem kommt bei der Entsorgung. Es ist die Kombination aus Fasern, Harzen und Füllstoffen. Selbst wenn das Harz zu 30 Prozent Bioharz ist, bleibt als Entsorgungsmöglichkeit am Ende nur, das Material zu verbrennen oder es zu downcyceln. Man kann es noch nicht wieder auseinanderpflücken und vollständig wiederverwerten.
Eigentlich will ich gar nichts anderes, als auf dem Meer leben und Filme machen. Das ist mein Ding”
Ich habe überlegt, das aufzugreifen, was Innovation Yachts aus Frankreich mit Vulkan fasern macht, habe mich aber dagegen entschieden. Alu ist erprobt und hat sich auch in krassen Gegenden bewährt. Und am Ende seines Lebens kann man es komplett recyceln. Deshalb fiel meine Wahl schließlich auf Aluminium – beim Rumpf will ich keine großen Experimente machen.
Das stimmt. Ich bin nicht nur Segler, sondern auch Surfer. 2014 habe ich begonnen, Surfbretter aus Naturfasern zu bauen und eine Firma dafür gegründet. Ich wollte herausfinden und zeigen, was machbar ist. Ich habe viele Erkenntnisse gesammelt und gemerkt, dass es in der Industrie Zeit ist, etwas zu verändern. Damals steckte das Thema Nachhaltigkeit aber noch in den Kinderschuhen. Es war Pionierarbeit, keiner konnte mir damals Antworten geben.
Die Datenblätter waren noch sehr vage. Es hieß: „Du musst mal gucken, ob du 30 oder 50 Gramm Harz auf 100 Gramm Fasern nehmen musst.“ Nebenbei habe ich eine Formenbau-Lehre gemacht. So entstand die Idee, tief zu recherchieren, was in Sachen nachhaltigem Bootsbau möglich ist. Als ich zum ersten Mal auf meinem Naturfaser-Holzsurfboard stand und gemerkt habe, es funktioniert, habe ich angefangen rumzuspinnen, wie man auf einem ernsthaft nachhaltigem Schiff leben könnte.
Ja. Ich habe kein Haus und keine Wohnung, sondern einen großen Van – und bald dann das Boot.
Das habe ich verkauft, nachdem ich vier Jahre in Köln darauf gewohnt hatte, während ich die Serie „Alarm für Cobra 11“ drehte. Ich wollte eigentlich schon damals auf einem Segelboot leben. Damit wollte ich den Rhein runterfahren, Mast hoch und dann einmal um die Welt segeln. Das war der große Traum. Aber ich habe nicht das richtige Schiff gefunden. Deshalb habe ich einen Stahlkutter aus Holland gekauft. 53 Fuß lang, 55 Tonnen schwer! Ein sehr cooles Boot, richtig old school. Innen hatte ich alles aus Holz ausgebaut. Ich wollte testen, ob das Leben auf dem Wasser überhaupt was für mich ist. Schnell habe ich gemerkt, dass es voll mein Ding ist und dass ich eigentlich gar nichts anderes will, als Filme machen und auf dem Meer leben.
Der Ansatz des Bootes ist, dass man damit in den hohen Norden und den tiefen Süden segeln können soll. Man soll schnell segeln können, aber auch gemütlich. Und ich möchte Herstellern von nachhaltigen Bauteilen und zukunftsweisender Technik eine Plattform bieten. Ich bin ja bei Weitem nicht der Einzige, der gerade an dem Thema Nachhaltigkeit und nachhaltigem Bootsbau dran ist. In den letzten zwei Jahren hat sich viel verändert in der Gesellschaft. Jede Firma versucht plötzlich nachhaltig zu sein. Das ist gut! Ich will das nicht kritisieren, ich finde das toll, dass man auf einmal mit allen möglichen Leuten über Alternativen nachdenken und sprechen kann. Deshalb sehe ich da gerade jetzt die Möglichkeit für mein Projekt. Alle wollen – let’s do it! Hätte ich das Boot 2014 gebaut, hätte ich wahrscheinlich nur Gegenwind bekommen. Es war noch zu früh für solch ein Projekt.
Es wird nicht einfach. Dennoch ist das Ziel, nur mit Elektromotoren zu fahren, elektrisch zu kochen und auf einen Dieselgenerator komplett zu verzichten. Also muss, neben anderen Regenerationsmöglichkeiten, so viel Solar wie möglich aufs Boot. Das Maximum an Solarfläche an Deck rauszuholen war auch eine Vorgabe für das Design. Neue Solartechnik kann man sogar außen in die Rümpfe und ins Segel einbinden. Natürlich gilt an Bord auch die Prämisse, sparsam mit Ressourcen umzugehen. Ich überlege: Wo kann ich Wasser und Energie einsparen? Wie kann ich das Boot leichter machen? Was muss überhaupt aufs Boot? Früher hat zum Beispiel auch eine gute Lüftung statt einer Klimaanlage gereicht.
Ein Gefrierschrank soll tatsächlich drauf, allerdings ein sehr energiesparendes Modell, das auch nur als Kühlschrank genutzt werden kann. Eine Waschmaschine ist geplant, ich will ja auf dem Schiff wohnen. Ich habe aber eine Alternative gefunden, die man mit Muskelkraft betreiben kann. Viele Dinge werden auch erst im Laufe der Zeit an Bord kommen – oder eben nicht.
Dort wird alles aus Aluminium, Naturfasern und Holz gebaut. Als Herzstück soll es einen vertikalen Garten geben, sodass man sich auch auf hoher See mit Grünzeug versorgen kann. Frische Sachen sind an Bord schließlich immer spätestens an Tag vier verschwunden. Das fehlt mir dann total! Bei anderen Projekten, etwa dem Low-Tech Lab aus Frankreich (siehe YACHT 10/2020, Anm. d. Red.), züchten sie Pflanzen und Pilze in ihrem fahrenden Greenhouse – das funktioniert! Warum also nicht auch auf meinem Kat?
Tatsächlich habe ich alle diese spinnerten Ideen selbst. Da ich ja nicht klassisch aus dem Bootsbau komme, bin ich sehr frei in meiner Vorstellungskraft. Die ganze Recherche und die Kontaktaufnahme zu Firmen mit spannenden Technologien nehme ich selbst in die Hand. Hätte ich das beauftragt, wäre allein das Design viel zu teuer geworden. Ich versuche ein Statement zu setzen, deshalb grabe ich mich tief ein und schaue: Wie alternativ kann man wirklich bauen?
Quer durch die Bank. Der Nachhaltigkeitsmarkt interessiert mich von A bis Z – sei es Dämmung, seien es Materialien, Techniken oder Wassersparmöglichkeiten. Dann schaue ich, was schon bei anderen Projekten umgesetzt wurde. Wenn dort beispielsweise eine zirkulare Dusche gebaut wird, frage ich: Wie baut man sie selbst? Oder stellt das schon jemand her, mit dem ich eventuell zusammenarbeiten könnte? Ich gehe auf Messen, zum Beispiel auf die Metstrade. Aber auch auf Hausbaumessen! Ich schaue mir an, wie alternative Häuser gebaut werden. Dort gibt es ja zum Teil die gleichen Probleme und Herausforderungen wie bei einem Boot. Viele Themen sind ähnlich, zum Beispiel was Energiekonzepte, Wärmepumpen oder Isolierung angeht. Ich schaue auch im Autobereich, wo viel Technik und Knowhow entwickelt wird, um von fossilen Brennstoffen Abstand zu nehmen.
Ich habe mir den Energy Observer angeschaut (Katamaran, auf dem neue Antriebs- und Energiegewinnungs-Technologien erprobt werden, s. YACHT 13/2019, Anm. d. Red.). Der Ansatz ist super! Es ist zwar ein großes Schiff und ein komplexes System. Aber wenn man so was runterbrechen könnte für ein kleineres Schiff – warum sollte das nicht funktionieren? Es ist nicht so, dass ich das Rad neu zu erfinden versuche. Ich nehme nur viele Puzzleteile, die es schon gibt, und setze sie zusammen. Ich möchte Lowtech und alternatives Denken wirklich sexy machen. Es soll ein Performance-Kat werden, der ein alternatives Herz hat.
War es auch. Ich träume davon, seitdem ich 2014 meine Surfboard-Firma gegründet habe. Richtig konkret wurde es vor gut drei Jahren. Ich kann nicht sagen, wie viele Stunden, Tage und Wochen ich seitdem investiert habe.
Unterschiedlich! Mein Konstruktionsbüro bei iYacht ist wie ein Filter für meine Vorstellungskraft und meinen Antrieb. In mancher Hinsicht werde ich eingebremst, in anderer heißt es: Das geht, da können wir sogar noch einen draufsetzen!
Ich bin mittendrin! Ich habe mir Werften in Amerika, Südafrika, Italien, Polen, Holland und Frankreich angeschaut. Ich suche eine, die das Projekt von A bis Z begleitet. Ich will nicht den Kasko bauen lassen und dann an einen anderen Ort bringen. Aber du musst erst mal eine Werft finden, die bereit ist, all diese spinnerten Ideen umzusetzen und die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Aktuell bin ich in Gesprächen mit einer Werft in Concarneau, die schon ähnliche Projekte umgesetzt hat. Sie arbeitet mit jungen Leuten zusammen, die an einer Universität daran forschen, wie man zum Beispiel einen Garten an Bord anlegen kann. Sie beschäftigt genau meine Fragen: Wie viel Wasser brauche ich? Wie viel Strom benötige ich? Wo kann man einsparen? Wie kann man alternativ bauen? Dort gibt es die Infrastruktur, die ich bräuchte. Ein Grund, warum ich zu den Franzosen gehen würde, ist auch, dass sie sagen: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Sie machen alles möglich und sind gewillt, komplett alternative Wege zu gehen.
Absolut, ich habe auch gesucht wie verrückt! Anfangs standen sogar Holzschiffe auf der Liste. Zwei interessante Alurümpfe habe ich gefunden und mir angeschaut. Einen hätte ich komplett bis auf den Kasko auseinanderreißen müssen. Dann hätte ich mindestens genauso viel Geld wieder reinstecken müssen. Damals bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mein eigenes Boot bauen lassen will, in dem ich alle meine Visionen und mein Wissen über Materialkunde unterbringen kann.
Eine Prämisse war, dass ich das Ding einhand segeln kann, dass aber auch acht bis zehn Leute an Bord Platz finden. Ein Monohull wäre dann in Richtung 60 bis 65 Fuß gegangen, aber das segelt man nicht mehr allein, auch wenn der Segelspaß damit größer wäre. Fürs Leben und Arbeiten an Bord ist ein Katamaran viel angenehmer.
Es hat mich mit Anfang zwanzig gepackt, als ich zum Schauspiel-Studium nach Kalifornien gezogen bin und die Schiffe vor meinem Lieblings-Surfspot liegen sah. Damals habe ich dann meinen ersten Segelschein gemacht, später Boote überführt, und ich bin auch Regatten gesegelt. Ich liebe die Vorstellung, dass du überall auf dieser Welt mit dem Schiff hinkannst, mit deiner eigenen Bude. Gerade mache ich meinen Yachtmaster Ocean, um auch die Astronavigation zu beherrschen. Schließlich will ich ein solider Skipper für mein solides Boot sein.
Genau, ich will damit Aufklärungsarbeit betreiben. Was mich sehr interessiert, ist Wasserqualitätsmonitoring, also die Meere zu untersuchen. Ich habe einen großen Freundeskreis bestehend aus Tauchern, Freitauchern, Wissenschaftlern und Unterwasserfilmern. Mit denen zusammen möchte ich verschiedene Projekte zu Themen wie beispielsweise Umweltschutz und Tierforschung umsetzen. Zudem hoffe ich auf die Zusammenarbeit mit diversen Universitäten. Darüber hinaus sollen Filme immer wieder an die Projekte gekoppelt werden. Einen Kinofilm werden wir auf dem Boot wohl nicht drehen, aber wer weiß!
Ich nehme Puzzleteile und setze sie zusammen. So soll ein Performance-Kat mit alternativem Herz entstehen«”
Finanziell kann und will ich es nicht komplett allein stemmen. Ich suche daher noch starke Partner, die dieselbe Vision haben. Das Ziel ist nicht, möglichst teuer zu bauen, sondern innovativ und vor allem im Innenausbau durchaus mit recycelten, günstigen, alternativen und nachhaltigen Materialien zu arbeiten.
Wenn ich jetzt im Frühjahr eine Werft finde, dann fangen wir im Sommer, eher im Herbst an zu bauen. Eigentlich war mein Ziel, dass das Boot schwimmt, wenn ich 40 bin. Im Januar bin ich 39 geworden, da müsste ich jetzt schon sehr viel Gas geben. Innerhalb der nächsten zwei Jahre wäre aber schon super.
Definitiv! Täglich! Und es werden sicher auch viele Sachen schieflaufen und anders als geplant! Es ist eben viel Arbeit, und ich frage mich oft, warum ich nicht einfach ein Schiff kaufe und lossegle.
Mir hat mal jemand gesagt, dass es Segler gibt, die einfach segeln wollen, und solche, die zum Segeln immer noch etwas dazu brauchen. Zu denen zähle ich. Ich kann wochenlang auf dem Ozean sein, aber es muss irgendeinen Grund geben, warum ich das mache. Einfach nur in den Sonnenuntergang zu segeln ist mir zu langweilig. Mir ist wichtig, dass ich das Boot nicht nur zu meinem persönlichen Vergnügen baue, sondern damit ein Zeichen setze, tolle Themen im Gepäck habe und Diskussionen über eine alternative Zukunft lostrete. Das ist es, was mich am meisten packt.
Die Konstruktionspläne sehen einen 55-Fuß-Explorer-Kat aus Aluminium mit Schwertern vor. Das Ziel ist eine so nachhaltig wie möglich gebaute Blauwasseryacht. Sie soll elektrisch angetrieben und mit Energieerzeugern wie Solar, Wind- und Hydrogeneratoren ausgestattet werden.