von Sven M. Rutter
Kaum eine technische Neuentwicklung hat sich in der Seefahrt so rasch verbreitet wie das Automatische Schiffsidentifizierungssystem, kurz AIS – ein Beleg für seinen Praxisnutzen, den mittlerweile auch viele Segler erkannt haben und es verwenden.
Zwar lässt sich die Position und Bewegung anderer Schiffe ebenso im Radar ausmachen und mittels entsprechender Auswertungsverfahren (zum Beispiel Marpa) gleichfalls die voraussichtliche Annäherung überprüfen (CPA/TCPA). Dabei kann man allerdings nicht feststellen, mit wem oder was man es zu tun hat. Noch nicht einmal die Art und Größe eines anderen Fahrzeugs lassen sich im Radar verlässlich erkennen, denn die Größe eines Radarechos liefert letztlich lediglich Rückschlüsse über das Reflexionsvermögen des Radarziels. Ein direkter Zusammenhang mit dessen tatsächlicher Größe muss aber nicht unbedingt vorhanden sein – Stichwort Kunststoffyacht. Von Hinweisen auf bestehende Kursänderungen und reisebezogenen Daten ganz zu schweigen. Darüber hinaus setzt eine verlässliche Radarbildinterpretation viel Erfahrung voraus.
Für die Verkehrsauswertung mittels AIS reicht im Prinzip schon ein reines Empfangsgerät an Bord aus, wobei dann allerdings ein wesentlicher Vorteil wegfällt – nämlich neben dem besseren „Sehen“ auch ein besseres „Gesehen werden“ zu realisieren. Gerade dieser Vorteil kann in kritischen Situationen, insbesondere bei unsichtigem Wetter, entscheidend werden. Denn um auf dem Radarbildschirm anderer Schiffe auch bei womöglich hochgeregeltem Seegangs-/ Regenfilter noch verlässlich zu erscheinen, bedarf es auf Yachten schon eines gewissen Aufwands. Die häufig verwendeten Radarreflektoren in schlanker Röhrenform sind dazu jedenfalls kaum in der Lage, wie der jüngste Testbericht in der YACHT 8/2022 bestätigt hat.
Mit einem AIS-Transponder kommt die eigene Yacht dagegen fast sicher auf die Plotterschirme der großen Pötte. Der Installationsaufwand ist überschaubar, und die Geräte sind deutlich günstiger und kleiner als eine Radaranlage. Neben Stand-alone-Modellen stehen Kombinationen aus UKW-Seefunkanlage und AIS-Transponder sowie Blackbox-Ausführungen zur Wahl. Welche Variante am besten geeignet ist, hängt dabei von den Gegebenheiten an Bord, der gewünschten Ausstattung und dem finanziellen Einsatz ab.
Doch zunächst etwas Theorie zum AIS-System. Das Funktionsprinzip ist ebenso einfach wie bestechend: Um sich gegenseitig identifizieren und gegebenenfalls miteinander in Kontakt treten zu können, tauschen alle aktiven Teilnehmer über zwei für das System reservierte UKW-Seefunkkanäle in festgelegten Abständen regelmäßig ihre Schiffsdaten aus – darunter Schiffsname, Rufzeichen, Fahrzeugtyp und -größe. Mit jeder Mitteilung wird zusätzlich die MMSI-Nummer übermittelt, anhand der sich der Absender bei Bedarf direkt über Seefunk per digitalem Selektivruf (DSC) anrufen lässt.
Damit sich die AIS-Aussendungen der einzelnen Schiffe nicht überlagern, wurde ein ausgeklügeltes Organisationsprinzip entwickelt, das ohne Moderator auskommt.
Bei AIS-Transpondern der Klasse A, wie sie bei ausrüstungspflichtigen Schiffen vorgeschrieben sind, kommt das Self-Organised Time Division Multiple Access, kurz SOTDMA-Verfahren, zum Einsatz. Es ermöglicht den teilnehmenden Schiffen, für ihre geplanten Aussendungen feste Sendeplätze auf den beiden vom AIS genutzten UKW-Kanälen zu reservieren. Dafür wird, vereinfacht erläutert, in gegenseitiger Abstimmung ein gemeinschaftlicher Sendebeziehungsweise Zeitplan erstellt.
Bei den für die Sportschifffahrt konzipierten AIS-Transpondern der Klasse B war zunächst allerdings keine Teilnahme am SOTDMA-Verfahren vorgesehen. Sie mussten sich mit dem sogenannten CSTDMA-Verfahren begnügen. Das Kürzel CS steht dabei für „Carrier Sense“, frei übersetzt: Trägerwellensensibilität. Es bedeutet, dass diese Geräte lauschen müssen, bis sich ein freier Slot für ihre Aussendungen findet. Bei sehr hoher Verkehrsdichte senden diese Geräte somit eher nach Gelegenheit als nach Plan.
Dadurch wurde dem AIS-Verkehr der ausrüstungspflichtigen Schifffahrt Vorrang gegenüber der Sportschifffahrt eingeräumt, was mehrere Konsequenzen hat. So muss die Nachricht eines CS-Transponders zwingend in einen Slot passen, da ja nicht sichergestellt ist, dass der folgende Slot ebenfalls frei ist. Dies beschränkt wiederum den Umfang der bereitgestellten Informationen.
Und auch die Frequenz der Aussendungen wurde bei CS-Modellen eng begrenzt. SOTDMA-Geräte liefern bei den dynamischen Fahrdaten im Vergleich deutlich häufigere Updates.
Seit einer Novellierung der entsprechenden Norm ist inzwischen auch Transpondern der Klasse B eine Teilnahme an dem SOTDMA-Verfahren erlaubt. Zugleich sieht der betreffende Standard für schnelle Boote häufigere Updates ihrer Fahrdaten vor. Für Fahrtensegler mag dies auf den ersten Blick weniger relevant erscheinen, aber immerhin profitieren auch sie mit einem SO-Gerät von gesicherten Sendeplätzen und -intervallen sowie einer etwas höheren Leistung von fünf Watt.
CS-Geräte dürfen nur mit zwei Watt senden. In der Praxis hängt die Reichweite aber eher von der Position der Antennen als von der Sendeleistung ab.
Bei der Produktauswahl sollte man sich neben dem AIS-Standard auch über die Installationsmöglichkeiten Gedanken machen. Insbesondere im Hinblick auf geeignete Antennenstandorte. Jeder AIS-Transponder verfügt über einen eingebauten GNSS-Empfänger, für den eine entsprechende Pilzantenne an Bord unterzubringen ist. Manche Modelle warten mit einer integrierten GNSS-Antenne auf, aber dann muss für den Transponder ein Einbauort gefunden werden, an dem das Satelliten-Signal auch ankommt.
Darüber hinaus muss an jeden AIS-Transponder eine UKW-Antenne angeschlossen werden. Hier stehen grundsätzlich zwei Varianten zur Wahl: die Montage einer eigenständigen AIS-Antenne oder der Einsatz eines sogenannten Splitters, also einer aktiven Antennenweiche. Mit Letzterer lässt sich eine vorhandene UKW-Seefunkantenne auch für den AIS-Sende- und -Empfangsbetrieb nutzen.
Modelle mit integriertem Splitter sind in der Regel günstiger als die Summe der Einzelkomponenten und zudem einfacher zu verkabeln. Manche AIS-Transponder mit eingebauter Weiche erlauben dazu den Anschluss weiterer Empfänger wie zum Beispiel Radio oder Fernseher.
Preislich markieren Stand-alone-Geräte mit eigenständigen Bedienelementen und Display die Oberklasse. Sie haben auch in puncto Funktionalität die Nase vorn, verlangen jedoch nach einem gut zugänglichen Aufstellort. Blackbox-Geräte sind hier genügsamer, dafür aber von den Möglichkeiten der verwendeten Auswertungssoftware abhängig: Was das Betriebssystem des zur AIS-Auswertung eingesetzten Multifunktionsdisplays beziehungsweise Plotters nicht unterstützt, darauf kann auch nicht zugegriffen werden, was ebenso für entsprechende Apps gilt.
Bei einigen Funktionen kann man sich aber mit externem Zubehör behelfen, wie beispielsweise einem separaten Alarmgeber oder einem externen Stummschalter. Entsprechende Anschlussmöglichkeiten am Transponder werden dann zu einem weiteren Auswahlkriterium.
Im einfachsten Fall benötigt ein AIS-Transponder nur Strom, eine UKW-Funkantenne und eine Programmierung, um betriebsbereit zu sein. Doch wer selbst sendet, will in der Regel auch die Daten der anderen Yachten und Schiffe auf dem Plotter sehen. Außerdem ist je nach Gerät und Einbauort eine zusätzliche GPS-Antenne nötig.
Eigner, die mit der Bordelektrik weniger vertraut sind, kann die schiere Menge der dann notwendigen Verbindungen abschrecken. Das Ganze ist aber kein Hexenwerk. Vor allem wenn das Boot bereits mit einem Netzwerk nach NMEA2000-Standard ausgestattet ist, denn dann lässt sich der Transponder einfach an den Backbone kuppeln. Gleiches gilt für SeatalkNGoder Simnet-Netzwerke, sie benötigen lediglich ein passendes Adapterkabel, da die Stecker nicht kompatibel sind.
Etwas aufwändiger wird es bei älteren NMEA-0183-Systemen. Da der Transponder dem Plotter sehr viel mitzuteilen hat, nutzen AIS-Geräte zwar das standardisierte NMEA-Datenformat, allerdings mit einer Geschwindigkeit von 38.400 Bits pro Sekunde (bps) statt der normalen 4.800 bps. Geräte, die AIS-Daten verstehen, kommen auch mit dieser höheren Geschwindigkeit klar. Allerdings haben viele einfache Plotter nur einen Eingang für NMEA 0183. Sind mehrere Datenquellen vorhanden, wird es – unabhängig von der Geschwindigkeit – eng.
Als Abhilfe besitzen praktisch alle heute erhältlichen AIS-Empfänger einen Datenmultiplexer. Das heißt, sie nehmen auf einem Anschluss die GPS-Daten entgegen und geben sie zusammen mit den AIS-Datensätzen auf dem anderen wieder heraus. Das angeschlossene Navigationsgerät erhält so über einen Eingang die Daten von zwei Quellen. Prinzipiell funktioniert dies unabhängig davon, woher die Datensätze stammen.
In der Praxis gibt es aber einige Modelle, die nur ganz bestimmte Datenpakete weiterleiten. Dann kann es problematisch werden, wenn auch Wind und Wassertiefe aus dem Instrumentensystem auf dem Bildschirm genutzt werden sollen. In diesem Fall ist ein externer Multiplexer nötig.
Außerdem kommt man um die Installation der zusätzlichen GPS-Antenne bei Transpondern nur selten herum. Die meisten Geräte arbeiten nicht mit den über das Netzwerk eingespleißten Positionsdaten.
Während die Fähigkeit zum Stand-alone-Betrieb bei Klasse-A-Transpondern eine Selbstverständlichkeit darstellt, sind entsprechende Sportschifffahrtsprodukte rar gesät. Ein solches Gerät, das obendrein den neueren SO-Standard unterstützt, haben wir nur einmal gefunden: Es ist der B400 von em-trak. Hinzu kommt der MA-510TR von Icom, der aber nur CS-Standard beherrscht. Und dann wäre da noch der Cortex-Hub von Vesper Marine, der als Kombi-Gerät zudem noch eine UKW-Seefunkanlage bietet.
Prinzipiell lassen sich AIS-Geräte problemlos über eine altbewährte NMEA-0183-Anbindung (im Highspeed-Modus) mit der bordseitigen Navigationselektronik verbinden – die Vernetzung ist sowieso in erster Linie für die Auswertung der empfangenen Daten relevant, siehe Kasten links.
Eine NMEA-2000-Schnittstelle (N2K) wird vor allem dann interessant, wenn die Navigationselektronik an Bord ohnehin bereits in ein entsprechendes Netzwerk eingebunden ist. Dann lässt sich der AIS-Transponder in den Backbone einklinken. Die Stromversorgung erfolgt bei AIS-Transpondern indes wie bei UKW-Seefunkanlagen separat, da das N2K-Netz nicht die zum Senden nötige Leistung bietet.
Bei proprietären Netzwerkstandards kann es sich wiederum auszahlen, bei der Gerätewahl beim gleichen Hersteller zu bleiben. Wer mit Smartphone und Tablet navigiert, sollte auf ein integriertes W-Lan-Modul achten, damit die AIS-Daten ohne weitere Hardware zum Mobilgerät gelangen können. Bei Blackbox-Geräten mit W-Lan ist aber zu berücksichtigen, dass durch eine verdeckte Montage der Datenempfang nicht leidet. Hier kann sich eine Anschlussmöglichkeit für eine externe Wi-Fi-Antenne als hilfreich erweisen.
Der häufig vorhandene USB-Anschluss dient bei Blackbox-Geräten vor allem zur Programmierung der Schiffsdaten im Zuge der Installation. Dies erfolgt meist über einen Laptop und eine vom Hersteller bereitgestellte Software – ist mitunter aber auch über einen kompatiblen Plotter, eine Mobilgeräte-App oder ein browserbasiertes Tool möglich. Bei Stand-alone-Geräten erfolgt die Programmierung direkt über die Benutzeroberfläche des Transponders.
Manche Geräte warten ferner mit einem integrierten Datenlogger auf, der die empfangenen AIS-Informationen sowie die eigenen GNSS-Daten laufend aufzeichnet. Dafür sind einige Geräte mit einem Speicherkartenlaufwerk versehen.
Während UKW-Seefunkanlagen mit eingebautem AIS-Empfänger mittlerweile vielfach angeboten werden, bilden Kombisysteme mit integriertem AIS-Transponder weiterhin eine Ausnahme. Uns sind bei der Recherche nur drei begegnet: zum einen die Navico-Modelle B&G V60-B und B&G V100-B. Letzteres ist auch als Simrad RS100-B erhältlich. Hinzu kommt der Cortex-Hub V1 von Vesper Marine. Die Navico-Geräte sind wahlweise in Stand-alone-Ausführung oder als Blackbox mit separatem Bedienteil erhältlich. Es handelt sich jeweils um UKW-DSC-Seefunkanlagen mit integriertem Klasse-B-AIS-Transponder, die allerdings nicht über einen eingebauten Antennensplitter verfügen.
Mit Antennenweiche kommt der Cortex-Hub, der allerdings in einer eigenen Liga spielt. Smartphone-ähnliche Bedienteile mit Touchscreen, vielfältige integrierte Sensoren sowie die vom Hersteller angebotenen Apps mit diversen Überwachungs- und Steuerfunktionen, die bei optionaler Mobilfunkanbindung auch aus der Ferne zugänglich sind, verpassen dem Produkt gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale. Der Cortex-Hub wird in zwei Varianten angeboten: unter der Modellbezeichnung M1 als Blackbox-AIS-Transponder, der mit einem optionalen Bedienteil in ein Stand-alone-Gerät verwandelt werden kann, und unter der Produktbezeichnung V1 mit zusätzlich integrierter UKW-DSC-Seefunkanlage.
Den Platz des wohl vielseitigsten Systems unter den Blackbox-Lösungen nach SO-Standard sichert sich derweil der easyTRX 3 von Weatherdock, der in vielfältigen Ausstattungsvarianten für alle Ansprüche erhältlich ist und dessen Funktionsumfang sich sogar nachträglich erweitern lässt.
Ebenfalls mit zahlreichen Features sowie eigenen Apps wartet der AIT5000 von Digital Yacht auf. Und auch der ABT1 von Ocean Signal kommt wie die zuvor genannten Geräte mit W-Lan daher, allerdings ohne Anschlussmöglichkeit für eine externe Wi-Fi-Antenne und zudem ohne eingebauten UKW-Antennensplitter. Selbiges gilt für den Watcheye B Pro, der mit einem recht günstigen Preis auffällt.
Auch die bekannten Marineelektronikhersteller Furuno, Garmin und Raymarine bieten kompatible Blackbox-Transponder zu ihren Navigationssystemen nach dem SO-Standard an (Details siehe Tabelle).
Navico hat einen Nachfolger für den bewährten NAIS-500, der noch nach „CS“ arbeitet, in der Pipeline (Simrad V3100). Wer sparen möchte und wem der Betriebsstandard und zusätzliche Features gleich sind, findet weiterhin einfache Ausführungen nach CS-Standard auf dem Markt.
Für welche Lösung man sich auch entscheidet, in der Praxis sollte man sich neben allen Vorzügen von AIS auch immer der Grenzen des Systems bewusst sein. Die wichtigste Einschränkung besteht darin, dass man mit AIS nur diejenigen Schiffe sieht, die selbst AIS-Daten senden – und das sind längst nicht alle. Fischer beispielsweise schalten zuweilen ihre Geräte aus, über die Gründe darf spekuliert werden. Gerade bei verminderter Sicht bleibt somit stets ein Unsicherheitsfaktor.
AIS vermag daher das altbewährte Radar nicht zu ersetzen, allerdings hervorragend zu ergänzen. Zusätzlichen Nutzen verheißt AIS im MOB-Fall, wenn die Crew mit entsprechenden AIS-Notsendern ausgestattet wird.
Wer dagegen keine eigene Yacht besitzt, sondern stattdessen regelmäßig chartert, kann sich mit einer mobilen Lösung behelfen, sofern die Charteryacht nicht bereits mit AIS ausgerüstet ist. Wobei allerdings nur eine Empfangslösung in Frage kommt, da ein Transponder ja zunächst vom Eigner angemeldet werden müsste. So gibt es zum Beispiel von Weatherdock einen kompakten AIS-Empfänger auf Basis eines Raspberry-Pi-Rechners.
AIS-Smartphone-Apps, die sogenannte Live-Daten anderer Schiffe aus dem Internet anzeigen, bieten hingegen keine Alternative und sind eher als Spielerei einzuordnen. Zum einen stellt sich stets die Frage nach der Aktualität der angezeigten Positionen. Zum anderen werden diese Daten von Landstationen aufgezeichnet, sodass die Erfassung eines Schiffes von dessen Entfernung zur nächsten Empfangsstation abhängt und nicht von der Nähe zum eigenen Boot.
Hinweis: Die Marktübersicht bezieht sich auf das aktuelle Angebot an yachttauglichen AIS-Transpondern. Derzeit nicht lieferbare Produkte bleiben unberücksichtigt (Stand 8/2023)