Wenn es einen Indikator gibt für die Faszination Einhandsegeln, dann wohl das Silverrudder rund Fünen. Es findet Mitte September bereits zum zwölften Mal statt – und ist mit 439 Meldungen die bei Weitem größte Solo-Wettfahrt der Welt. Vom Holz-Jollenkreuzer bis zum Carbon-Trimaran, vom Familienkreuzer bis zum Regattaschiff geht vor dem Stadthafen von Svendborg alles an den Start, was schwimmt. Bei der Premier im Jahr 2012 waren es gerade mal ein Dutzend Boote.
Die Teilnehmer suchen „ihren eigenen kleinen Mount Everest“, beschreibt Silverrudder-Erfinder Morten Brandt-Rasmussen die eigenwillige Faszination dieses Rennens, bei dem ohne Vergütung und Vermessung gesegelt wird. Für die meisten gehe es auf dem rund 130 Seemeilen langen Kurs „nur ums Ankommen, um den einen besonderen Moment in ihrer Segelsaison“.
Wie groß der Reiz ist, längere Zeit ganz allein mit sich und dem Boot klarzukommen, zeigt auch die Resonanz auf das im Sommer 2015 erstmals veranstaltete YACHT-Skippertraining einhand. Die mit Boris Herrmann, Henrik Masekowitz und Andraz Mihelin hochkarätig besetzte Veranstaltung war binnen einer Woche restlos überbucht. Aus dem schier unerschöpflichen Wissen der Instruktoren speisen sich die im Folgenden erläuterten Profi-Tipps.
Es scheint, als habe das Alleinsein auf See noch nie so viele Anhänger in seinen Bann geschlagen wie zurzeit. Ganz gleich, ob Skipper die Herausforderung bewusst als Selbstbeweis suchen oder mangels Crew, ob sie nur gelegentlich ein Solo einlegen oder so oft wie möglich – es zu können ist definitiv ein Gewinn. Denn mitunter wird man plötzlich und ungewollt zum Singlehander. Migräne, Seekrankheit oder ein Sturz können Mitsegler so sehr beeinträchtigen, dass sie vollständig ausfallen. Insofern ist Einhand-Kompetenz ein wichtiger Baustein guter Seemannschaft.
Zwar gelten Solotörns gemeinhin als Grenzgang, als unverantwortliche Übung. Der Weltsegelverband World Sailing etwa verweigert Einhand-Langstreckenrennen seine Anerkennung, weil Punkt 5 der Kollisionsverhütungsregeln („... jederzeit gehörigen Ausguck halten ...“) nicht voll erfüllt werden kann.
Die Risiken sind freilich durch umsichtige Schiffsführung und geeignete Ausrüstung beherrschbar. Deshalb wird Einhandsegeln von führenden Wassersportversicherern wie Pantaenius vertraglich nicht ausgeschlossen und gilt auch nicht per se als grobe Fahrlässigkeit. Eine Haltung, die von der Rechtsprechung mehrfach bestätigt wurde.
Ganz trivial ist das Segeln ohne Begleiter dennoch nicht. Wahrscheinlich macht genau das den besonderen Reiz aus. Wie aber stellt man sich der Herausforderung? Wie wächst man daran? Wie vermeidet man Ängste und Überforderung?
Am besten draußen, auf See, wenn alle Theorie verblasst vor dem unbeschreiblichen Gefühl, dass nach dem Loswerfen der Festmacher alles von einem selbst abhängt. Manch einen beflügelt genau das. Manche irritiert und lähmt diese ungeteilte Verantwortung. Kann ich das? Soll ich? Was mache ich, wenn Sturm aufzieht? Wie finde ich zwischendrin Ruhe, wenn das Boot bockt? Wie sicher anlegen bei starkem Seitenwind?
Es gibt viel zu sagen über die richtigen Strategien, über konsequente Vorbereitung, über Ernährung, Schlafmanagement, Navigation, Hafenmanöver. Auf den folgenden Seiten zeigen wir grundlegende Segelmanöver, zerlegen sie in Einzelschritte und erklären sie der Reihe nach.
Die wichtigsten Tipps aber bilden die sieben goldenen Regeln. Denn sie beschreiben eher eine Haltung als einen Ablauf, zielen ab auf das große Ganze statt auf konkrete Handlungsanweisungen. So halten sie den Kopf frei für eigene Erfahrungen, auf dem eigenen Schiff, in dem für Sie eigenen Stil.
Weil Einhandsegeln viel mit Ihrer Persönlichkeit zu tun hat, Ihrem Risikoprofil, Ihren Stärken und Schwächen, gibt es meist nicht den einen universellen, für alle gültigen Weg. So haben auch die drei Instruktoren des YACHT-Skippertrainings auf ihren Fahrten teils unterschiedliche Angänge für bestimmte Situationen gefunden. Statt Patentrezepte anzubieten, propagieren sie Neugier und Offenheit.
Zu den simpelsten und zugleich wichtigsten Empfehlungen zählt, flexibel zu bleiben. So zum Beispiel, sich nachts eine knifflige Hafenansteuerung zu ersparen und stattdessen bis zum Morgenanbruch in der Nähe zu ankern. Statt einen Harakiri-Anleger in die Box zu versuchen, sich an einen Dalben in Luv zu hängen und auf Wetterberuhigung zu warten. Statt sich im tanzenden Schiff mühsam etwas Warmes zu kochen, eine halbe Stunde beizuliegen und sanft schaukelnd das Essen zu genießen.
Jeder hat dabei seine ganz persönlichen Vorlieben. Beim Einhandsegeln kann man diese Eigenarten in vollen Zügen ausleben – oder auch mal überwinden, wenn man will. Es ist folglich weit mehr eine gedankliche Übung als eine bloße Fertigkeit.
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Dieser Artikel rund ums Einhandsegeln erschien in der Ausgabe 20/2015 von YACHT und wurde im August 2023 von der Redaktion überarbeitet.