AusrüstungEinen Tourenkreuzer zur Einhandyacht umbauen

YACHT-Redaktion

 · 03.03.2023

One-Man-Show: Boote mit Genuawinschen direkt in Rudernähe wie hier sind dafür ideal
Foto: Nico Krauss

Ein Törn mit der Einhandyacht ist für viele ein Traum. Doch wer allein segeln will, braucht keinen Einzelbau – fast jede Yacht lässt sich ohne große Mühe anpassen. Wie man einen Tourenkreuzer einhandtauglich macht

In diesem Artikel:

Von allen Projekten, die sich ein Segler vornehmen kann, ist das Einhandsegeln wohl das mit den meisten Facetten. Denn wer allein unterwegs ist, muss alle Aspekte vom An- und Ablegen über die Segelmanöver bis hin zur Navigation selbst erledigen. Keine Mitsegler, keine Arbeitsteilung, keine Ausreden ist das Motto.

Es braucht nicht viel Ausrüstung zum Einhandsegeln

Häufiger Irrglaube in Sachen Einhandsegeln ist, dass dies größere technische Umbauten am Boot erfordere. Doch eigentlich braucht nur ein vernünftiger Autopilot an Bord zu sein. Ohne ihn werden die Arbeitsabläufe wie Segelsetzen, das Boot für Hafenmanöver klarmachen und Ähnliches schon ziemlich grenzwertig. Manche Skipper bewältigen selbst das auch mit feststellbaren Pinnen- oder Ruderanlagen, gute Kursstabilität des Bootes vorausgesetzt.

Sinnvoll, ohnehin auf dem Großteil der Yachten Standard, sind außerdem Roll-Vorsegel. Alle übrigen Dinge an Bord können bleiben, wie sie sind, zumindest zum Einstieg. Natürlich gibt es für Perfektionisten eine lange Liste von möglichen, durchaus praktischen Ergänzungen, etwa Lazy-Jacks, damit das Groß nicht gleich gestaut werden muss, ins Cockpit umgelenkte Fallen, vom Steuerstand gut erreichbare Genuawinschen oder Cockpit-Displays für Plotter – aber da setzt eher der Geldbeutel die Grenze.

Das eigene Können ist der limitierende Faktor

Viel wichtiger ist: Suchen Sie sich ein machbares Ziel. Natürlich kann ein erfah­rener Eigner mit seiner Einhandyacht auch gleich auf Einhand-Urlaubs- oder gar Langtörn gehen, aber warum nicht erst einmal mit dem naheliegenden Schritt beginnen? Ein Wochenendtraining im Sommer: Bei ruhigem Wetter zunächst nur mit Ankerbuchten als Ziel, um nicht gleich sämtliche Manöver fahren zu müssen. Oder eine Überführung an den Liegeplatz zum Saisonende oder -auftakt.

Oder aber vorweg eine häufig lehrreiche Übung: Einhandsegeln mit Crew. Klingt blödsinnig, aber wer einmal versucht, Ableger, Segelmanöver und Ähnliches mit an Bord befindlicher untätiger Crew zu fahren, riskiert wenig und lernt, dass „Lehrgeld“ in Form von Schäden gezahlt werden muss – vielleicht einmal abgesehen von den Kommentaren einiger Zuschauer ob der „faulen“ Mitsegler.

Über eins müssen sich Einhand-Interessierte klar sein: Alle Manöver dauern deutlich länger. Und ihre Planung vor allem in Details ist viel wichtiger als beim Segeln mit Crew. Fehlt eine wichtige Leine kurz vor dem Anleger oder ist sie nicht richtig angeschlagen, werden Zeit und unter Umständen auch Raum im Hafen schon mal knapp. Deshalb: Gehen Sie die Schritte des geplanten Manövers genau durch, überlegen Sie, wo Leinen, Fender, Zeisinge und alles andere, was benötigt wird, liegen muss. Natürlich sollte auch klar sein, dass der Autopilot an Bord richtig funktioniert und die Einhandyacht beispielsweise bei Welle und Wind vernünftig auf Kurs hält. Dasselbe gilt für das Im-Wind-Halten der Yacht zum Bergen und Setzen der Segel. Ist der elektronische Steuermann also nicht schon Routine, erst Tests absolvieren!

Angstfaktor Hafenmanöver!

Mehr Augenmerk muss naturgemäß der Sicherheit an Bord geschenkt werden, schließlich fahren Autopiloten keine MOB-Manöver für über Bord gegangene Skipper. Auf die Fragen, ab wann Rettungsweste tragen, wie einpicken beim Verlassen des Cockpits und wo Streckgurte spannen, sollte vor dem ersten Solo-Ableger jeder seine persönlichen Antworten gefunden haben. Die größten Bedenken haben angehende Einhand-Skipper interessanterweise eigentlich nicht unbedingt vor dem Segeln des Bootes auf See, sondern vor den Hafenmanövern. Kein Wunder, riskiert man dort doch die größte Blamage vor den Augen der kritischen Stegsegler. Und wer will schon durch verpatzte Manöver ärgerliche Schäden am eigenen oder gar fremden Boot zu verantworten haben?

Deshalb einige Tipps: Fehlte vor dem Anleger die Zeit, die Einhandyacht klarzumachen, oder ist die Lage im Hafen unübersichtlich, kann es lohnen, das Boot zunächst einmal in Lee eines Dalben mit nur einer Vorleine festzumachen und alles in Ruhe vorzubereiten.

Nützlich für Häfen oder Buchten, in denen geankert wird: Der Heckanker, mit Gurtband über Rolle oder mit Kettenvorläufer und Tau, kann ideal vom Steuerstand aus bedient oder später zum Bug verholt werden. Generell viel Zeit für die Suche nach einem guten Platz lassen. Wer in Boxen einläuft, sollte die Fender nicht zu früh außenbords hängen, da diese sich gern an Dalben oder Nachbarbooten verhaken und Relingsstützen verbiegen. Vorleinen sind schon lose über den Bugkorb zu legen, sodass helfende Hände an Land sie direkt greifen können. In vielen Situationen sind Anleger mit dem Heck zuerst die bessere Lösung: Der Skipper hat die Heckleinen direkt in Griffweite, kann den Abstand zur Pier besser einschätzen als beim Vorwärts-„Einparken“, und zur Not kann die Yacht auch zur Stabilisierung in die Achterleinen „eindampfen“, bis eine Bug-Leine ausgebracht ist.

Ist das Einhandsegeln derart um den befürchteten Stress gemindert, gibt es kaum noch Gründe, es nicht zu probieren. Forscher und erfahrene Solisten sind sich jedenfalls einig: Das Alleinsein auf See mit der Einhandyacht sorgt bei vielen sehr schnell zu einer mit Crew kaum erlebbaren Tiefenentspannung. Das Alleinsein in der Natur, die Konzentration auf sich selbst setzt teils Glückshormone wie bei Langstreckenläufern frei. Es gibt sogar ein psychologisches Fachwort dafür: „Flow-Effekt“. Klingt doch vielversprechend, oder?

Diese sechs Bereiche beim Umbau beachten

Es ist auch sinnvoll, ein Boot so auszurüsten, dass man auch unabhängig von Mitseglern damit zurechtkommt. Ohne größere Umbauten kann fast jede Yacht einhand­tauglich getrimmt werden. Im Wesentlichen gibt es sechs Bereiche, die besondere Beachtung beim Umbau zur Einhandyacht finden sollten:

Cockpit

Auch wenn manche Serienboote nicht gerade ideale Voraussetzungen fürs Solosegeln mitbringen: Schoten und Win­schen lassen sich durchaus so positionieren und ergänzen, dass der Skipper sie ohne wei­te Wege erreicht. Das Grundprinzip dabei sollte sein: Keep it simple.

Rigg und Besegelung

Ein einfaches Rigg lässt sich bei Weitem besser allein bewäl­ti­gen als ein filigranes Regattarigg mit Backstagen. Wer jedoch schnell unterwegs sein möchte, kommt um diverse Trimmeinrichtungen nicht herum. Große Vormwind-Segel zu setzen ist einhand knifflig; selbst viele Eig­ner und Charterer, die mit Crew unterwegs sind, verzichten oft darauf. Durch einen Ber­ge­schlauch oder moderne Rollanlagen sind Gennaker aber sicher zu handhaben.

Reffsystem

Wichtig ist, dass sich die Segel innerhalb kürzester Zeit vom Cockpit aus set­zen, reffen und bergen lassen. Und zwar mit möglichst wenigen Handgriffen. Das geht beim Groß per Einleinenreff und mit Hilfe von Lazy-Jacks. Oder über ein Rollreffsystem im Mast beziehungsweise Baum. Vor­segel werden heute im Serienbau meist durch­weg auf Rollanlagen gefahren – nicht nur der Einfachheit wegen, sondern auch aus Sicherheits­gründen: Sie ersparen den Weg auf das Vorschiff. Sinnvoll kann auch die Nachrüstung einer Selbstwendefock sein; sie vereinfacht das Aufkreuzen erheblich.

Sicherung an Deck

Der wohl erfahrenste deutsche Einhandsegler Wilfried Erdmann hat es auf den Punkt gebracht: „Die oberste Priorität des Einhandseglers ist: Niemals über Bord fallen.“ Auf dem Weg zum Vorschiff geben Streckgurte zum Einpicken an beiden Seiten des Aufbaus Sicherheit. An der Reling sollte man sich mit der Lifeline niemals einklinken, da sie den Kräften kaum standhalten würde. Der Vorteil von Gurten gegenüber Strecktauen ist, dass sie nicht weg­rollen, wenn man drauftritt. Werden sie im Bereich der Genuawinschen angeschlagen, kann man sich bereits im Cockpit für den Weg nach vorn sichern. Falls man doch einmal das Gleichgewicht verliert, bleibt durch diesen Befestigungspunkt die Chance, längsseits an der Bordwand schleifend den Heckkorb zu greifen oder sich über die Bade­leiter wieder an Bord zu ziehen.

Selbststeueranlage

Die wichtigste Zusatzausrüstung für einen Einhandsegler stellt ohne Frage die Selbststeueranlage dar. Schließlich kann man nicht pausenlos Ruder gehen. Welches System man wählt – elektrisch, hydraulisch oder mechanisch über Windfahne –, hängt vom Einsatzgebiet ab. Bei langen Ozeanpassagen empfiehlt sich eine Windsteueranlage, da sie völlig ohne Stromzufuhr vom vorbeiströmenden Wasserdruck betrieben einen konstanten Winkel zum Wind hält. Sie sind unter Blauwasserseglern sehr verbreitet und arbeiten nahezu geräuschlos. Für Reviertörns entlang der Küste tut es auch ein einfacher Pinnenpilot oder eine unter Deck eingebaute Selbststeuerung, da hier der Stromverbrauch keine Rolle spielt und zudem selten mehrtägige Fahrten ohne Unterbrechung anstehen.

Sicht und Sichtbarkeit

Da es auf längeren Solo-Etappen unmöglich ist, permanent Ausguck zu gehen, sollten Einhand­segler ihren eigenen Sichtradius erweitern und elektronische Alarmfunktionen nutzen. Moderne Radargeräte lassen sich so program­mieren, dass sie Signal geben, wenn ein Gegenstand in einer vorher defi­nier­ten Entfernung ge­ortet wird. Wem diese Investition zu hoch ist, der kann zumindest dafür sorgen, dass seine Einhandyacht auf den Radarschirmen anderer Schiffe unübersehbar wird. Das ermög­lichen aktive Radarreflektoren. Auch sie sind mit einer Benachrichtigungs­funktion ausgestattet: Immer dann, wenn die Antenne in den Kegel eines fremden Radars gerät, schlägt das Gerät Alarm und macht durch Aus­sendung eines verstärk­ten Echos auf sich aufmerksam. Dadurch ver­bessert sich die Sichtbarkeit auf den Radargeräten in der Umgebung befindlicher Schiffe.

Sich selbst richtig einschätzen

Es gibt darüber hinaus eine Fülle weiterer sinnvoller Ausrüstung, die Solisten das Segeln mit der Einhandyacht erleichtern sollen. Jedes Jahr kommen neue Systeme hinzu. Altmeister Wilfried Erdmann empfiehlt jedoch allen, die mit dem Einhandsegeln beginnen möchten, eine ganz simple Alternative. Statt mit einer voll ausgerüsteten Yacht zu starten, rät er für den Einstieg zu einer robusten Wander­jolle: „Dies an diejenigen, die meinen, einhand segeln könnte man nur auf dem offe­nen Meer und mit richtigen Yachten.“

Tatsächlich ist es nicht so sehr Technik, die Solo­törns zum Genuss werden lässt, sondern in erster Linie Erfahrung und gute Seemannschaft. Mehr noch als beim Segeln im Team kommt es einhand darauf an, Situatio­nen vorauszuahnen, instinktiv richtig zu rea­gieren. Und da hilft nur: üben!


Die perfekte Einhandyacht

 | Grafik: A. Hoppenhaus
| Grafik: A. Hoppenhaus
  1. Badeleiter: Unverzichtbar, um wieder an Bord zu gelangen. Sollte fest am Heck montiert und – wenn hochgeklappt – auch vom Wasser aus entriegelbar sein.
  2. Selbststeueranlage: Für Einhand­segler ist sie unumgänglich, da man ja nicht Tag und Nacht steuern kann. Je nach Fahrtgebiet und Dauer der Reise als elektrisches System oder mechanisch mit Windfahne.
  3. Fender: Wenn das Nachbarboot oder der Steg bei Hafenmanövern bedrohlich nahe kommt, fangen die Airbags fürs Boot potenzielle Schäden ab. Je mehr und je größer, desto besser. Ein Kugelfender ist Minimum.
  4. Ablagen im Cockpit: Um unnötige Gänge unter Deck zu ersparen, sollten sich in Reichweite des Steuermanns möglichst viele Staufächer oder -taschen befinden.
  5. Große Cockpitbänke: Sie machen den Aufenthalt in der Plicht angenehm und lassen auch mal ein kleines Nickerchen zu.
  6. Umgelenkte Fallen: Zum Setzen und Trimmen der Segel vom Cockpit aus sinnvoll, auch wenn die Reibung dadurch größer ist und die Bedienkräfte höher.
  7. Optimierte Leinenführung: Im Idealfall sind alle Schoten direkt innerhalb einer Armlänge des Skippers zu bedienen.
  8. Einleinenreff: Ermöglicht die Anpassung der Segelfläche vom geschützten Cockpit aus und mit wenigen Handgriffen.
  9. Sprayhood: Schützt vor Wind und Wetter, schont dadurch den Skipper. Stabile Nirobügel sichern außerdem den Gang aufs Deck.
  10. Lazy-Jacks: Hindern das Groß beim Reffen und Segelbergen, unkontrolliert zu flattern und nach Lee auszuwehen. Lazy-Bags (s. Illustration) ersparen auch das Festbändseln des weggerefften Tuchs und vereinfachen darüber hinaus das Segelbergen.
  11. Maststufen: Wer einhand segelt, kann sich nicht selbst ins Rigg winschen. Stufen (am besten klappbar) ermöglichen Wartungsarbeiten und Kontrollgänge ohne Hilfe von außen.
  12. Selbstwendefock: Erleichtert Kreuzen, vor allem in engem Fahrwasser. Auch als Ergänzung zur großen Genua bei mehr Wind sinnvoll.
  13. Rollreffanlage: Hilfreich beim Setzen und Bergen des Vorsegels. Auch als Reffhilfe nutzbar, wobei dann aber der Stand der Genua beeinträchtigt ist.
  14. Relingsrollen: Verringert die Tendenz von Schot, Schothorn oder Unterliek, sich im Manöver am Seezaun zu verhaken.
  15. Bugstrahlruder: Teure und schwere Manövrierhilfe im Hafen. Ersetzt den Mann auf dem Vorschiff, wenn der Bug vom Steg oder von Nachbarliegern freizuhalten ist.
  16. Strecktaue: Ermöglichen kontinuierliche Sicherung am Boot, weil man vom Cockpit bis zum Bug eingepickt bleiben kann.
  17. Handläufe: Kommen im modernen Bootsbau immer mehr aus der Mode. Dabei sind solide Haltemöglichkeiten für die Sicherheit an Deck unabdingbar. Gegebenenfalls zusätzliche Bügel in der Plicht und am Aufbau montieren.
  18. Leinenverstellbare Holepunkte: Dienen dem optimalen Vorsegeltrimm auf allen Kursen. Vom Cockpit aus bedienbar, ersparen sie den Gang aufs Seitendeck in Lee, der bei Wind und Welle kräftezehrend sein kann. Selten in Serie verbaut, aber dennoch leicht nachrüstbar.
  19. Scheuerleiste: Bei Hafenmanövern schützt sie den Rumpf vor Kratzern, wenn nicht überall abgefendert werden kann, und erlaubt das kurzzeitige „Anlehnen“ an Dalben und mit Holz verkleideten Spundwänden.
  20. Mittelklampe: Angriffspunkt für die Spring, die bei Hafen­manövern eine große Erleichterung darstellen und ein Bugstrahlruder obsolet machen kann.
  21. Plotter oder GPS-Tochteranzeige: Wichtige Navigationshilfe im Cockpit; erlaubt schnellen Abgleich von Position und Kurs, ohne dass der Skipper unter Deck muss.
  22. Selbstholende Winschen: Sie können das Handling wesentlich erleichtern. Eine leichtgängige Kurbel, zwei Gänge oder ein Elektroantrieb sparen zusätzlich Kraft.
  23. Funkgerät im Cockpit: Ideal, wenn der Skipper eine Schleuse oder Brücke anfunken muss, aber das Ruder nicht verlassen kann.
  24. Heckanker: Vereinfacht Ankermanöver, weil der Skipper dazu nicht nach vorn muss. Die Leine kann nach dem Eingraben am Bug befestigt werden. Auch als Notanker immer fallbereit.
  25. Wurf- und Schleppleine: Sinnvoll für alle Eventualitäten, am besten schwimm­fähig, mindestens in doppelter Schiffslänge.
  26. Rettungsinsel: Sie zu haben ist das eine. Aber sie muss auch schnell und einhand einsatzklar gemacht werden können. Am Heckkorb montiert, fällt sie nach Entriegelung ins Wasser und muss dann nur noch ausgelöst werden.

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