YACHT-Redaktion
· 03.03.2023
Ein Törn mit der Einhandyacht ist für viele ein Traum. Doch wer allein segeln will, braucht keinen Einzelbau – fast jede Yacht lässt sich ohne große Mühe anpassen. Wie man einen Tourenkreuzer einhandtauglich macht
In diesem Artikel:
Von allen Projekten, die sich ein Segler vornehmen kann, ist das Einhandsegeln wohl das mit den meisten Facetten. Denn wer allein unterwegs ist, muss alle Aspekte vom An- und Ablegen über die Segelmanöver bis hin zur Navigation selbst erledigen. Keine Mitsegler, keine Arbeitsteilung, keine Ausreden ist das Motto.
Häufiger Irrglaube in Sachen Einhandsegeln ist, dass dies größere technische Umbauten am Boot erfordere. Doch eigentlich braucht nur ein vernünftiger Autopilot an Bord zu sein. Ohne ihn werden die Arbeitsabläufe wie Segelsetzen, das Boot für Hafenmanöver klarmachen und Ähnliches schon ziemlich grenzwertig. Manche Skipper bewältigen selbst das auch mit feststellbaren Pinnen- oder Ruderanlagen, gute Kursstabilität des Bootes vorausgesetzt.
Sinnvoll, ohnehin auf dem Großteil der Yachten Standard, sind außerdem Roll-Vorsegel. Alle übrigen Dinge an Bord können bleiben, wie sie sind, zumindest zum Einstieg. Natürlich gibt es für Perfektionisten eine lange Liste von möglichen, durchaus praktischen Ergänzungen, etwa Lazy-Jacks, damit das Groß nicht gleich gestaut werden muss, ins Cockpit umgelenkte Fallen, vom Steuerstand gut erreichbare Genuawinschen oder Cockpit-Displays für Plotter – aber da setzt eher der Geldbeutel die Grenze.
Viel wichtiger ist: Suchen Sie sich ein machbares Ziel. Natürlich kann ein erfahrener Eigner mit seiner Einhandyacht auch gleich auf Einhand-Urlaubs- oder gar Langtörn gehen, aber warum nicht erst einmal mit dem naheliegenden Schritt beginnen? Ein Wochenendtraining im Sommer: Bei ruhigem Wetter zunächst nur mit Ankerbuchten als Ziel, um nicht gleich sämtliche Manöver fahren zu müssen. Oder eine Überführung an den Liegeplatz zum Saisonende oder -auftakt.
Oder aber vorweg eine häufig lehrreiche Übung: Einhandsegeln mit Crew. Klingt blödsinnig, aber wer einmal versucht, Ableger, Segelmanöver und Ähnliches mit an Bord befindlicher untätiger Crew zu fahren, riskiert wenig und lernt, dass „Lehrgeld“ in Form von Schäden gezahlt werden muss – vielleicht einmal abgesehen von den Kommentaren einiger Zuschauer ob der „faulen“ Mitsegler.
Über eins müssen sich Einhand-Interessierte klar sein: Alle Manöver dauern deutlich länger. Und ihre Planung vor allem in Details ist viel wichtiger als beim Segeln mit Crew. Fehlt eine wichtige Leine kurz vor dem Anleger oder ist sie nicht richtig angeschlagen, werden Zeit und unter Umständen auch Raum im Hafen schon mal knapp. Deshalb: Gehen Sie die Schritte des geplanten Manövers genau durch, überlegen Sie, wo Leinen, Fender, Zeisinge und alles andere, was benötigt wird, liegen muss. Natürlich sollte auch klar sein, dass der Autopilot an Bord richtig funktioniert und die Einhandyacht beispielsweise bei Welle und Wind vernünftig auf Kurs hält. Dasselbe gilt für das Im-Wind-Halten der Yacht zum Bergen und Setzen der Segel. Ist der elektronische Steuermann also nicht schon Routine, erst Tests absolvieren!
Mehr Augenmerk muss naturgemäß der Sicherheit an Bord geschenkt werden, schließlich fahren Autopiloten keine MOB-Manöver für über Bord gegangene Skipper. Auf die Fragen, ab wann Rettungsweste tragen, wie einpicken beim Verlassen des Cockpits und wo Streckgurte spannen, sollte vor dem ersten Solo-Ableger jeder seine persönlichen Antworten gefunden haben. Die größten Bedenken haben angehende Einhand-Skipper interessanterweise eigentlich nicht unbedingt vor dem Segeln des Bootes auf See, sondern vor den Hafenmanövern. Kein Wunder, riskiert man dort doch die größte Blamage vor den Augen der kritischen Stegsegler. Und wer will schon durch verpatzte Manöver ärgerliche Schäden am eigenen oder gar fremden Boot zu verantworten haben?
Deshalb einige Tipps: Fehlte vor dem Anleger die Zeit, die Einhandyacht klarzumachen, oder ist die Lage im Hafen unübersichtlich, kann es lohnen, das Boot zunächst einmal in Lee eines Dalben mit nur einer Vorleine festzumachen und alles in Ruhe vorzubereiten.
Nützlich für Häfen oder Buchten, in denen geankert wird: Der Heckanker, mit Gurtband über Rolle oder mit Kettenvorläufer und Tau, kann ideal vom Steuerstand aus bedient oder später zum Bug verholt werden. Generell viel Zeit für die Suche nach einem guten Platz lassen. Wer in Boxen einläuft, sollte die Fender nicht zu früh außenbords hängen, da diese sich gern an Dalben oder Nachbarbooten verhaken und Relingsstützen verbiegen. Vorleinen sind schon lose über den Bugkorb zu legen, sodass helfende Hände an Land sie direkt greifen können. In vielen Situationen sind Anleger mit dem Heck zuerst die bessere Lösung: Der Skipper hat die Heckleinen direkt in Griffweite, kann den Abstand zur Pier besser einschätzen als beim Vorwärts-„Einparken“, und zur Not kann die Yacht auch zur Stabilisierung in die Achterleinen „eindampfen“, bis eine Bug-Leine ausgebracht ist.
Ist das Einhandsegeln derart um den befürchteten Stress gemindert, gibt es kaum noch Gründe, es nicht zu probieren. Forscher und erfahrene Solisten sind sich jedenfalls einig: Das Alleinsein auf See mit der Einhandyacht sorgt bei vielen sehr schnell zu einer mit Crew kaum erlebbaren Tiefenentspannung. Das Alleinsein in der Natur, die Konzentration auf sich selbst setzt teils Glückshormone wie bei Langstreckenläufern frei. Es gibt sogar ein psychologisches Fachwort dafür: „Flow-Effekt“. Klingt doch vielversprechend, oder?
Es ist auch sinnvoll, ein Boot so auszurüsten, dass man auch unabhängig von Mitseglern damit zurechtkommt. Ohne größere Umbauten kann fast jede Yacht einhandtauglich getrimmt werden. Im Wesentlichen gibt es sechs Bereiche, die besondere Beachtung beim Umbau zur Einhandyacht finden sollten:
Auch wenn manche Serienboote nicht gerade ideale Voraussetzungen fürs Solosegeln mitbringen: Schoten und Winschen lassen sich durchaus so positionieren und ergänzen, dass der Skipper sie ohne weite Wege erreicht. Das Grundprinzip dabei sollte sein: Keep it simple.
Ein einfaches Rigg lässt sich bei Weitem besser allein bewältigen als ein filigranes Regattarigg mit Backstagen. Wer jedoch schnell unterwegs sein möchte, kommt um diverse Trimmeinrichtungen nicht herum. Große Vormwind-Segel zu setzen ist einhand knifflig; selbst viele Eigner und Charterer, die mit Crew unterwegs sind, verzichten oft darauf. Durch einen Bergeschlauch oder moderne Rollanlagen sind Gennaker aber sicher zu handhaben.
Wichtig ist, dass sich die Segel innerhalb kürzester Zeit vom Cockpit aus setzen, reffen und bergen lassen. Und zwar mit möglichst wenigen Handgriffen. Das geht beim Groß per Einleinenreff und mit Hilfe von Lazy-Jacks. Oder über ein Rollreffsystem im Mast beziehungsweise Baum. Vorsegel werden heute im Serienbau meist durchweg auf Rollanlagen gefahren – nicht nur der Einfachheit wegen, sondern auch aus Sicherheitsgründen: Sie ersparen den Weg auf das Vorschiff. Sinnvoll kann auch die Nachrüstung einer Selbstwendefock sein; sie vereinfacht das Aufkreuzen erheblich.
Der wohl erfahrenste deutsche Einhandsegler Wilfried Erdmann hat es auf den Punkt gebracht: „Die oberste Priorität des Einhandseglers ist: Niemals über Bord fallen.“ Auf dem Weg zum Vorschiff geben Streckgurte zum Einpicken an beiden Seiten des Aufbaus Sicherheit. An der Reling sollte man sich mit der Lifeline niemals einklinken, da sie den Kräften kaum standhalten würde. Der Vorteil von Gurten gegenüber Strecktauen ist, dass sie nicht wegrollen, wenn man drauftritt. Werden sie im Bereich der Genuawinschen angeschlagen, kann man sich bereits im Cockpit für den Weg nach vorn sichern. Falls man doch einmal das Gleichgewicht verliert, bleibt durch diesen Befestigungspunkt die Chance, längsseits an der Bordwand schleifend den Heckkorb zu greifen oder sich über die Badeleiter wieder an Bord zu ziehen.
Die wichtigste Zusatzausrüstung für einen Einhandsegler stellt ohne Frage die Selbststeueranlage dar. Schließlich kann man nicht pausenlos Ruder gehen. Welches System man wählt – elektrisch, hydraulisch oder mechanisch über Windfahne –, hängt vom Einsatzgebiet ab. Bei langen Ozeanpassagen empfiehlt sich eine Windsteueranlage, da sie völlig ohne Stromzufuhr vom vorbeiströmenden Wasserdruck betrieben einen konstanten Winkel zum Wind hält. Sie sind unter Blauwasserseglern sehr verbreitet und arbeiten nahezu geräuschlos. Für Reviertörns entlang der Küste tut es auch ein einfacher Pinnenpilot oder eine unter Deck eingebaute Selbststeuerung, da hier der Stromverbrauch keine Rolle spielt und zudem selten mehrtägige Fahrten ohne Unterbrechung anstehen.
Da es auf längeren Solo-Etappen unmöglich ist, permanent Ausguck zu gehen, sollten Einhandsegler ihren eigenen Sichtradius erweitern und elektronische Alarmfunktionen nutzen. Moderne Radargeräte lassen sich so programmieren, dass sie Signal geben, wenn ein Gegenstand in einer vorher definierten Entfernung geortet wird. Wem diese Investition zu hoch ist, der kann zumindest dafür sorgen, dass seine Einhandyacht auf den Radarschirmen anderer Schiffe unübersehbar wird. Das ermöglichen aktive Radarreflektoren. Auch sie sind mit einer Benachrichtigungsfunktion ausgestattet: Immer dann, wenn die Antenne in den Kegel eines fremden Radars gerät, schlägt das Gerät Alarm und macht durch Aussendung eines verstärkten Echos auf sich aufmerksam. Dadurch verbessert sich die Sichtbarkeit auf den Radargeräten in der Umgebung befindlicher Schiffe.
Es gibt darüber hinaus eine Fülle weiterer sinnvoller Ausrüstung, die Solisten das Segeln mit der Einhandyacht erleichtern sollen. Jedes Jahr kommen neue Systeme hinzu. Altmeister Wilfried Erdmann empfiehlt jedoch allen, die mit dem Einhandsegeln beginnen möchten, eine ganz simple Alternative. Statt mit einer voll ausgerüsteten Yacht zu starten, rät er für den Einstieg zu einer robusten Wanderjolle: „Dies an diejenigen, die meinen, einhand segeln könnte man nur auf dem offenen Meer und mit richtigen Yachten.“
Tatsächlich ist es nicht so sehr Technik, die Solotörns zum Genuss werden lässt, sondern in erster Linie Erfahrung und gute Seemannschaft. Mehr noch als beim Segeln im Team kommt es einhand darauf an, Situationen vorauszuahnen, instinktiv richtig zu reagieren. Und da hilft nur: üben!