The Ocean RaceZwei unnötige Frühstarts, “Biotherm” mit zwei Seglerinnen

Tatjana Pokorny

 · 23.04.2023

Kurz vor dem Start ist schon zu sehen, dass "Guyot" und das US-Team 11th Hour Racing ihre Bugspitzen recht weit vorn haben. Beide müssen kurze Zeit später ihre Frühstarts bereinigen
Foto: Sailing Energy/The Ocean Race

Die vierte Ocean-Race-Etappe läuft! Dabei mussten die Teams 11th Hour Racing und Guyot Frühstart-Patzer teuer bereinigen. Team Biotherm führte die Flotte auf Kurs Newport zunächst vor Holcim – PRB und Malizia an

Team Biotherm setzt bei der vierten Etappe im Ocean Race auf weibliche Kraft: Erstmals bei dieser 14. Auflage der Weltumsegelung bestreitet eine Mannschaft eine Etappe mit mehr als nur der einen vom Reglement vorgeschriebenen Seglerin. Für den mit 5.500 Seemeilen zweitlängsten Ocean-Race-Abschnitt von Iajaí in Brasilien nach Newport an der US-Ostküste holte “Biotherm”-Skipper Paul Meilhat gleich zwei Seglerinnen in sein Team.

Team Biotherm mit 50:50-Crew

Neben Paul Meilhat und Navigator Alan Roberts verstärkt die französische Ocean-Race-Siegerin und mehrfache Nacra-17-Weltmeisterin Marie Riou aus Frankreich Team Biotherm. Sie hatte das letzte Ocean Race mit Charles Caudreliers Dongfeng Race Team gewonnen. Neben ihr ist die portugiesische Matchrace-Spezialistin Mariana Lobato neu an Bord des blau-weißen Imoca. Damit bestreitet Team Biotherm die Etappe im 50:50-Modus mit zwei Männern und zwei Frauen. Mit An-Bord-Reporterin Anne Beaugé sind sogar mehr Frauen als Männer an Bord.

Der Etappenauftakt gelang Team Biotherm in dieser Konstellation glänzend: Das Mixed-Team gewann den Start vor Itajaí und führte die Flotte zunächst an. Das lag auch daran, dass sich mit Charlie Enrights Team 11th Hour Racing und dem Guyot Environnement – Team Europe gleich zwei übereifrige Mannschaften unnötige Frühstarts leisteten. Beide mussten in anfänglich leichten Winden um neun Knoten zur Startlinie zurückkehren, ihre Patzer bereinigen und die Verfolgung aufnehmen. Team Guyot gelang das besser und schneller als den Amerikanern.

Ich würde nicht aussetzen, wenn ich das Gefühl hätte, sie könnten es mit mir besser machen.” (Boris Herrmann)

Eine Stunde nach dem Start führte weiter Team Biotherm die Flotte vor der gesamtführenden “Holcim – PRB” und “Malizia – Seaexplorer” an. Das von Will Harris geführte Team auf der deutschen Yacht verteidigte nach den Auftaktrunden vor Itajaí beim Ausgangstor die Top-Drei-Platzierung. Teamchef Boris Herrmann pausiert auf dieser Etappe planmäßig und ist in Hamburg bei seiner Familie.

“Ich nehme Projektaufgaben wahr, treffe Partner, plane für die Zukunft und bin als Familienvater gefordert”, sagt der Hochseeprofi zur einmonatigen Segelpause bei seiner fünften Weltumsegelung. Er glaube nicht, dass sein Team durch seine Abwesenheit einen Nachteil habe: “Ich würde nicht aussetzen, wenn ich das Gefühl hätte, sie könnten es mit mir besser machen.”

“Alle fünf Teams können diese Etappe gewinnen”

Bei seiner Prognose für die Chancenverteilung auf Etappe vier des Ocean Race warnte Boris Herrmann vor überhöhten Erwartungen: “Es wäre Quatsch zu denken: Wir haben die letzte Etappe gewonnen, also gewinnen wir auch diese.” Seine Überzeugung: “Es ist immer noch wie zu Beginn des Ocean Race: Alle fünf Teams können gewinnen. Alles ist möglich.”

Aus seiner Segelgarderobe für die komplexe vierte Etappe aus dem Süd- in den Nordatlantik hatte Team Malizia vor dem Start ein Geheimnis gemacht. Die Konkurrenz sollte nicht zu früh von den Plänen erfahren. Boris Herrmann erklärte: “Wir fahren die vierte Etappe mit einem asymetrischen großen Spinnaker.” Der Entscheidung liegt die Erfahrung von Etappe zwei und die Hoffnung auf mehr Power für “Malizia – Seaexplorer” bei glatter See und leichten Winden zugrunde.

“Wir haben Dinge gefunden, die man besser machen kann”

Boris Herrmann erklärt: “Das war der Fehler auf Etappe zwei. Wir hatten nicht bedacht, dass die Teams bei den Kapverden noch die Segel wechseln. Da haben dann einige ihren Spi noch an Bord genommen oder hatten ihn schon dabei. Dann hatten alle bis auf Team Holcim – PRB und wir einen Spinnaker an Bord. Und waren beim Downwind-Segeln weg von den Kapverden deutlich tiefer und schneller unterwegs. Das war ein bisschen ein Trauma fürs Team, das in der Phase einmal komplett abgehängt wurde.”

Inzwischen, so Herrmann, kenne sein Team das Boot erheblich besser. “Wir haben viele Dinge gefunden, die man besser machen kann. Zum Beispiel nicht ganz so viel Gewicht nach vorn zu packen. “Das ist schon ungewöhnlich. Bei den klassischen Verdier-Rumpfdesigns hat man schon alles Gewicht vorn, schläft vielleicht sogar vorn. Das funktioniert aber bei unserem Schiff mit der Rumpfform nicht.”

Etappe vier führt die Flotte zurück auf die Nordhalbkugel

Für Team Malizia bestreiten neben Will Harris die nach ihrer Gehirnerschütterung auf Etappe drei wieder vollständig genesene Rosalin Kuiper und Navigator Nico Lunven die vierte Etappe. Neu an Bord ist der Franzose Christopher Pratt, der viel Imoca-Erfahrung mitbringt. Pratt hat bereits mit Größen wie Jérémie Beyou und Armel Le Cléac’h gesegelt. Beim Zweihand-Klassiker Transat Jacques Vabre erreichte er viermal Podiumsplätze.

Mit der vierten Etappe verabschiedet sich die Ocean-Race-Flotte von der Südhalbkugel. Es geht entlang der südamerikanischen und der nordamerikanischen Ostküste den Atlantik hinauf in den US-Hafen Newport. Dort werden die Boote nach etwa 18 Tagen um den 10. Mai herum erwartet. Bei fünf Punkten Vorsprung könnten die Spitzenreiter vom Team Holcim – PRB ihre souveräne Führung im Gesamtklassement (19 Punkten) auf dem Ocean-Race-Konto nur im Fall eines Ausfalls bei gleichzeitigem Sieg von Team Malizia einbüßen.


Kompliziert! Extrem abwechslungsreich! Fordernd! Hier geht’s zur Vorschau auf Etappe vier:


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