Jochen Rieker
· 20.04.2023
Seit zwei Wochen ist der Skipper von Team Malizia zu Hause in Hamburg. Interview über seine Aufgaben daheim, seine Mühen, den Wach-Rhythmus abzuschütteln, und über die Frage, wie oft er während der vierten Etappe von The Ocean Race auf den Tracker schauen wird
Der Wechsel muss ihm surreal vorgekommen sein: Nach fast 35 Tagen im Southern Ocean und dem packenden Sieg in Itajaí, nach einer Woche im Race Village zwischen Technik-Briefings, Gesprächen mit anderen Skippern und ein bisschen Kiten ist Boris Herrmann wieder daheim in Hamburg.
Von dort aus wird er sein Team auf der vierten Etappe verfolgen. Denn die wollte er von Beginn an als Ruhepause nutzen: um Kraft zu tanken, seine Familie zu sehen, Besprechungen mit Partnern und Sponsoren zu führen. Wir haben ihn gefragt, wie leicht ihm der Wechsel fiel und was ein Hochsee-Profi auf Landurlaub macht.
Im Landleben bin ich nur graduell angekommen. Am Anfang hatte ich noch den Vier-Stunden-Wach-Rhythmus in mir, sogar zehn Tage nach dem Zieldurchgang noch! Da merkte ich, dass ich von abends acht bis Mitternacht total müde war, und wenn ich mich da wachgehalten hab, konnte ich von zwölf bis vier auch nicht mehr recht schlafen.
In der Regeneration bin ich grundsätzlich nicht so gut, weil ich mir immer wieder was Neues vornehme. Da fehlt mir noch Erholung. Das dauert immer länger, als man denkt, zumindest bei mir. Daher bin ich sehr froh, aussetzen zu können, und finde das nach wie vor gut – für die Team-Dynamik, fürs Familienleben, aber auch, weil ich hier von Hamburg aus das Geschehen positiv beeinflussen kann, etwa indem ich unsere Hamburger Partner treffe. Das ist eine wichtige Rolle für mich und fürs ganze Team.
Wie eine Teil-Auszeit, weil ich mich jetzt mit meiner Frau Birte ein bisschen abwechsle und oft die Betreuung unserer Tochter übernehme. Die ist morgens zwar in der Kita, aber sie steht schon um sechs Uhr in der Früh auf. Es ist also kein wirkliches Urlaubsprogramm, wo ich einfach so in den Tag hinein chillen kann.
Ich begleite Malou zur Kita, kümmere mich nachmittags um sie, bring sie abends ins Bett und steh nachts auch auf, wenn’s sein muss. Ich versuche in der Zeit hier in Hamburg eine aktive Vaterrolle zu übernehmen. Wir haben deshalb keine Reise geplant, bleiben überwiegend hier, machen nur kleine Ausflüge, und zwischendurch kümmere ich mich natürlich um die Team-Angelegenheiten.
Gute Frage. Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Ich würde die Übertragung gern live verfolgen und vielleicht ein paar Leute dazu einladen.
Ich hab eigentlich genug Ablenkung, werde aber trotzdem oft draufgucken. Man lebt ja damit. Als ich in Kapstadt war und bei Etappe zwei wegen meiner Fußverbrennung nicht mitsegeln konnte, hab ich schon jede Stunde die Positionen aktualisiert, um ehrlich zu sein. Nachts aber guck ich nicht drauf, da bin ich froh, wenn ich überhaupt Schlaf kriege.
Darüber hab ich mit der Crew noch nicht gesprochen, das werden wir aber noch machen. Die Stimmung ist so weit ganz gut, vielleicht ein bisschen gestresst. Die sind ja jetzt wieder im vollen Lauf. Am Mittwoch war das Pro-Am-Rennen, davor waren sie auch schon zweimal auf See für Tests. Ich glaube, sie gehen mit gemischten Gefühlen in die nächste Etappe, weil sie taktisch anspruchsvoll wird. Jede Etappe ist ja ein neues Rennen. Wir haben lange über die Segel diskutiert. Am Dienstag haben wir dazu zwei Stunden in einer Videokonferenz diskutiert. Es ist noch nicht alles final entschieden, aber wahrscheinlich gehen wir mit etwas geändertem Segelplan an den Start.
Nein, das passt so! Hätte ich den Eindruck gehabt, dass das Team schlechter dasteht ohne mich, würde ich’s entweder bereuen oder meine Entscheidung noch ändern. Aber ich bin sicher, dass die vier – Will Harris, Nico Lunven, Rosalin Kuiper und Christopher Pratt – genauso einen guten Job machen werden, als wenn ich dabei wäre. Auch bei unserem Neuzugang, Christopher, hab ich ein sehr gutes Gefühl.
Über die anderen kann ich nichts sagen. Das wird sich zeigen. Aber wir stehen gut da!