Osmose-Special, Teil 1Was ist Osmose bei Segelyachten, wie entsteht sie?

YACHT-Redaktion

 · 16.03.2023

Osmose-Special, Teil 1: Was ist Osmose bei Segelyachten, wie entsteht sie?Foto: Peter Wrede Yacht Refits
Schnitt durch ein von Osmose befallenes Laminat. Die einzelnen Phasen sind weiter unten erklärt

Unter Seglern hat sich Osmose als Synonym für die am Rumpf entstehenden Schäden durch eindringende Feuchtigkeit und Zersetzung/Auflösung des Laminats eingebürgert. Damit es aber tatsächlich zu Osmose kommt, müssen mehrere Effekte eintreten


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Das Baumaterial eines GFK-Schiffes ist der sogenannte glasfaserverstärkte Kunststoff (GFK). Dabei handelt es sich um Glasfasern, die mittels eines Harzes miteinander verbunden werden. Bei den Glasfasern kann es sich um lose zusammengepresste Glasstränge handeln (Glasmatte) oder miteinander verwebte Fasern, Textilstoffen ähnlich (Gelege, Gewebe, Roving). Das Harz verbindet diese Fasern miteinander, einem Kleber ähnlich. Ohne Fasern wäre das Harz nur ein spröder Kunststoff, der schnell brechen würde. Daher der Begriff glasfaserverstärkter Kunststoff. Beim Harz handelt es sich meist um einen Kleber, der aus zwei Komponenten angerührt wird: dem Harz und dem Härter. Dabei kann es sich um Polyesterharz handeln oder um Epoxidharz. Im Bootsbau kommt meist Polyesterharz zum Einsatz, aus Kostengründen. Dieses ist aber auch anfälliger für Osmose als Epoxidharz.

Die Phasen der Osmose-Entstehung

Die Entstehung von Osmose an Yacht-Rümpfen in der Illustration
Foto: Peter Wrede Yacht Refits

Die äußere, für den Betrachter sichtbare Schicht einer Yacht ist das Gelcoat. Es besteht aus Harz, meist Polyesterharz, das mit Farbpigmenten gefüllt ist und eine glatte, farbige Oberfläche bildet. Dieses Gelcoat soll wegen seiner hohen Dichte eigentlich das darunter liegende Laminat vor Feuchtigkeit schützen.

Feuchtigkeit diffundiert in das Laminat

Jedoch ist kein Stoff undurchlässig für Wasserdampf. Das gilt auch für Polyesterharze. Egal, ob als Gelcoat oder Laminierharz angemischt, sind sie weder zu 100 Prozent wasserundurchlässig, noch dauerhaft wasserbeständig. Besonders die in den Anfangszeiten des GFK-Bootsbaus eingesetzten Orthophthalharze gelten als anfällig. Doch auch spätere Isophthalsäure-Verbindungen sind betroffen. Heute kommt meist Vinylestherharz zum Einsatz, das die Osmose deutlich hinauszögern kann.

Im Laufe der Wasserliegezeit dringt also durch das Gelcoat mittels Diffusion Wasserdampf, schlicht Feuchtigkeit, in das GFK ein. Das ist ein ganz normaler Vorgang bei jeder Yacht. Ob und in welchem Umfang ein Schaden auftritt, hängt davon ab, welche Harze und Verstärkungsfasern die Werft verwendet hat. Besonders gegen Hydrolyse beständige Harze verzögern den Vorgang. Ebenso wichtig ist eine sorgfältige Herstellung des Laminates, die davon abhängt, wie sorgsam die Bootsbauer beim Verarbeiten der Materialien vorgegangen sind. Dabei gilt die Faustregel: Je weniger Lufteinschlüsse, desto besser.

Hydrolyse zersetzt das Harz

Denn einmal durch das Gelcoat gewandert, sammelt sich die Feuchtigkeit in Poren und baubedingten Hohlräumen. Den Glasfasern macht sie nichts aus, das Harz ist der wunde Punkt des Systems. Das Wasser reagiert mit dem Harz, vor allem mit nicht reagierten Resten der Polyesterhärtung, und zersetzt dieses. Dieser Prozess wird Hydrolyse genannt. Als Reaktionsprodukt bilden sich Säuren. Diese zersetzen das Harz weiter und lösen Osmose aus.

Die Osmose beginnt

Die wegen der Hydrolyse entstandene Säure hat eine höhere Dichte als das Wasser, in dem das Boot schwimmt. Die Dichtedifferenz von Wasser und Säure setzt den aus der Natur bekannten Osmoseprozess in Gang: Durch das Dichtegefälle wird Wasser in das Laminat gesogen, um die Säuredichte in der Osmoseblase mit dem Wasser anzugleichen, in dem das Boot schwimmt. Das Gelcoat fungiert dabei als Membran. Die Osmoseflüssigkeit hat das Bestreben, sich zu verdünnen, und zieht dafür Wasser in den Rumpf.

Im Süßwasser entstehen die für die Osmose notwendigen Konzentrationsgefälle zwischen Umgebung und Laminat übrigens leichter, was die Hydrolyse beschleunigt. Denn wegen der höheren Dichte von Salzwasser ist das Konzentrationsgefälle zur Säure im Laminat nicht so hoch wie bei Süßwasser

Osmoseblasen entstehen

Im Laufe der Zeit diffundiert mehr und mehr Wasser in den Rumpf, vor allem in die Hohlräume, wo es sich sammelt. Das eingedrungene Wasser löst das Laminierharz an, und zusammen entsteht die Säure. Diese Säure will sich an das Wasser, in dem das Boot schwimmt, angleichen und zieht zur Verdünnung weiteres Wasser in den Rumpf. Der Druck steigt in diesen Blasen erheblich an, bis hin zum Ausbeulen des Gelcoats nach außen. Es entstehen sichtbare Blasen.

Diese Blasenbildung des Gelcoats ist dann ein sicheres Zeichen, dass das Schiff von Osmose betroffen ist. Erst jetzt ist die Osmoseschädigung erkennbar.

Wie oben beschrieben, werden die Glasfasern vom Polyesterharz zusammengehalten. Wenn nun der Zersetzungsprozess des Harzes dauerhaft anhält, werden aus dem starken GFK-Laminat Glasfasern ohne Zusammenhalt – das Boot wird zunächst instabil und dann zerfällt es regelrecht.


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