YACHT-Redaktion
· 28.03.2023
Bootsbauer Helge Wolpers hat in seinem hübschen Kleinkreuzer „Dopamin“ klassische und moderne Komponenten gemixt. Das Boot ist schnell und sportlich, für Familien geeignet und ermöglicht auch eine Übernachtung. Obendrein lässt es sich selbst bauen
„Wenn du sechs Jahre lang an solch einem Boot planst und baust, dann hängst du mit deinem Herzen am Ergebnis“, gibt Helge Wolpers zu. Das Resultat seiner Hände Arbeit kann sich sehen lassen, dazu vermag es zu überraschen. Erst mal fällt es angesichts der langen Bauzeit mit einer Länge von sechs Komma noch was Metern recht klein aus. Das geklinkerte Kleinod wirkt filigran, wenn auch nicht zerbrechlich. Ein ausgeprägter positiver Deckssprung wird durch die Kanten des Klinkerbaus noch optisch überhöht. Der kleine eckige Aufbau mit den schrägen Flanken ist natur lackiert, ebenso das halb offene Heck mit dem angehängten Ruder. Dazu eng stehende Wanten, eine Selbstwendeschiene. Insgesamt eine fast retroklassische, aber auch sportliche sowie in jedem Fall eigenständige Erscheinung mit dem Hang zum Knuffigen.
Die hat der 60-jährige Bootsbauer aus Lüneburg in Niedersachsen selbst konstruiert und „Dopamin“ genannt. Das ist ein überwiegend erregend wirkender Botenstoff des zentralen Nervensystems, der laut Medizinischer Universität Wien auch als „Botenstoff des Glücks“ bezeichnet wird. Passt.
Eigentlich war schon sehr früh klar, wohin der Weg bei Helge Wolpers geht. Nach einer Lehre auf der Kröger-Werft in Finkenwerder und der Wegener Jachtwerft in Wedel machte der Bootsbauer zwar noch einen Umweg und absolvierte eine zweite Ausbildung als Holzkaufmann. Dies aber nur, um den elterlichen Wunsch der Nachfolge im holzverarbeitenden Betrieb zu erfüllen. Im Endeffekt siegte seine Begeisterung für das Segeln und den Bootsbau.
Bereits in der Jugend war Wolpers fast täglich mit seinem Piraten und Jugendwanderkuttern auf der Elbe unterwegs. Seinen ersten Piraten hat Wolpers selbst restauriert, und im Alter von 17 Jahren baute er dann eine Schale eigenhändig aus. „Segeln war immer meine Leidenschaft“, erinnert er sich. „Selbst während meiner Ausbildung und auch später war ich jedes Wochenende auf Regatten oder auch längeren Törns unterwegs.“
Kein Wunder eigentlich, dass bei ihm irgendwann der Wunsch reifte, etwas eigenes zu konstruieren und zu bauen. „Ich wollte etwas schaffen, das all meine Anforderungen erfüllt und gleichzeitig so attraktiv ist, dass ich es auch vermarkten kann.“
2016 hat er zusammen mit dem Ingenieur für Holztechnik Michael Körling die ersten Pläne erstellt. Jedes noch so kleine Bauteil ist von Anfang an im Rechner gezeichnet worden und steht daher heute für weitere Planungen, Änderungen oder eben auch Kundenanfertigungen zur Verfügung. Eine der grundlegenden Ideen von Wolpers war es, einen Prototyp für einen Kleinkreuzer zu schaffen, den er in seiner Bootsmanufaktur Lüneburg sowohl als Bausatz mit CNC-gefrästen Teilen wie auch als Rumpfschale zum Fertigausbau sowie als vollständig von ihm produziertes Schiff anbieten kann.
Baubeginn war 2017, und eigentlich sollte alles bis 2020/2021 fertig sein. Doch Corona und ein Umzug der Werkstatt veränderten den Zeitplan, und es dauerte bis zum Herbst 2022, bis er Vollzug melden konnte.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zunächst stechen die klaren Linien heraus. Der Bug des Kleinkreuzers fällt steil und gerade ins Wasser, der Kajütaufbau fügt sich harmonisch in das Deck ein, das Cockpit ist sehr geräumig. Immerhin drei Meter lang ist der Arbeitsplatz von Skipper und Crew. Das Boot strahlt im Kleinformat Kraft und Eleganz gleichermaßen aus. Insoweit haben sich die Wünsche von Helge Wolpers also schon mal verwirklichen lassen.
Ich wollte etwas schaffen, das all meine Anforderungen erfüllt und gleichzeitig so attraktiv ist, dass ich es auch vermarkten kann”
Ein Blick in die Pläne zeigt aber auch, mit welcher Akribie hier um jedes Gramm Gewicht gekämpft wurde, ohne die Stabilität zu vernachlässigen, sie vielleicht sogar zu steigern. Bereits die grobe Ansicht des Rumpfes erinnert an die Konstruktion eines Flugzeugflügels. „Ich wollte ein so weit wie möglich gewichtsoptimiertes Boot entwickeln, das tatsächlich Anleihen beim Flugzeugbau genommen hat“, bestätigt der Bootsbauer den ersten Eindruck. Wo es nur geht, sind die einzelnen Bauteile gewichtssparend ausgesägt worden. An vielen Stellen kommen statt Vierecksleisten dreieckige Profile zum Einsatz. „Das sind zwar nur ein Paar Gramm, aber bei gleicher Klebefläche und Stabilität kann ich Gewicht sparen und in der Summe kommt was zusammen“, macht er die Feinarbeit bis in den kleinsten Winkel deutlich. So sind zum Beispiel selbst die Nahtstellen der Planken des Multiknickspantrumpfes statt mit Stringern mit Laminat und Epoxid verstärkt. Auch das spart Gewicht, aber es erleichtert zudem zukünftigen Selbstbauern die Fertigstellung.
Herausgekommen ist ein Gesamtgewicht von 400 Kilogramm! Davon sind 125 Kilo im Ballastkiel verbaut, der Anteil liegt somit bei 31 Prozent. 275 Kilogramm also für ein 6,15 Meter langes und 2,02 Meter breites Schiff mit Kajüte. Das ist ein ziemlich sensationeller Wert, auch für einen Kleinkreuzer! Der Kiel aus einer mit Glas-Epoxid verstärkten Mahagoni-Platte und einer Bleibombe ist zwar kein Hubkiel mit variablem Tiefgang, er lässt sich aber für das Trailern einziehen.
Neben der gelungenen Ästhetik und den konstruktiven Merkmalen waren dem Bauherrn Wolpers drei Merkmale besonders wichtig: Das Boot sollte gut segeln und Spaß auf dem Wasser bereiten. Es sollte von ambitionierten Laien selbst zu bauen sein. Und es sollte bezahlbar bleiben. Punkte, an denen es sich messen lassen muss.
Schon vor den ersten Metern unter Segeln ist zu spüren, wie sich das geringe Gewicht des Leichtbaus positiv auswirkt. Mit leichter Hand lässt sich der Kleinkreuzer am Steg entlangführen. Der Rumpf scheint auf dem Wasser zu schweben, so einfach ist das Boot zu bewegen. Und dieser erste Eindruck verstärkt sich auf dem Wasser noch.
Bei Windstärke zwei bis drei auf dem Ratzeburger See in Schleswig-Holstein setzt sich die „Dopamin“ in Bewegung, beschleunigt auf über fünf Knoten und fällt den ganzen Tag nur bei ausgesprochenem Schwachwind unter diesen Wert. Helge Wolpers am Steuer zählt mit blitzenden Augen und einem Lächeln im Gesicht mit: „5,2 – 5,4 – 5,7 – 5,8!!!“ Man merkt ihm an, wie stolz er auf seinen Kleinkreuzer ist. Später unter Gennaker stehen auch problemlos deutlich über sechs Knoten auf der Uhr. „Wenn ich das Boot erst mal besser verstehe und noch einige Änderungen vornehme, sind bei entsprechendem Wind bis zu zehn Knoten drin“, ist der 60-Jährige optimistisch.
Beeindruckend ist auch die Leichtigkeit, mit der das Schiff gesegelt werden kann. Sehr ausgewogen und stabil liegt es auf dem Ruder. Es reagiert auf jeden Ausschlag sofort, ohne dabei hektisch zu wirken. Gleichzeitig folgt es trotzdem seinem Kurs, sodass man nicht ständig korrigieren muss.
Die Selbstwendefock und das große Cockpit tragen zu diesem entspannten Tagesausflug bei. Ohne Weiteres könnten auch drei Segler auf den Duchten Platz nehmen, ohne sich zu behindern, und selbst zwei Erwachsene und zwei Kinder sind möglich.
Neben der Größe fallen im Cockpit des Kleinkreuzers aber noch weitere Einzelheiten auf. Da sind zum Beispiel die unter Deck geführten Schoten für die Fock, die mit ihren Führungen in Schwalbennestern in der Seitenwand verbaut sind. Unter zwei Luken im Teakboden lässt sich ein Elektro-Außenborder samt Akku verstauen. Die Schlupfkajüte ist bei entsprechender Ausstattung mit Polstern bei fast drei Meter Nutzlänge ausreichend groß, um sowohl Segelsäcke aufzunehmen als auch Schlafplätze für zwei zu bieten.
Wenn ich das Boot besser verstehe und noch einige Änderungen vornehme, sind bei entsprechendem Wind bis zu zehn Knoten drin”
Der Besucher spürt, dass mit Helge Wolpers ein passionierter Segler am Werk war. Alle Beschläge sind genau da, wo sie sein sollen. Selbstwendefock, die im Vordeck versenkte Rollreffanlage und der Gennakerbaum funktionieren tadellos und lassen sich bequem vom Cockpit aus bedienen. Und dann diese Leichtigkeit, mit der sich das Schiff führen lässt, wie schnell es reagiert, wie es losprescht und Böen quittiert, wie es jollenartig Wind in Geschwindigkeit umsetzt, eine pure Freude.
“Dopamin“, der Name ist Programm, das Boot wird zum Glückshormon oder setzt dieses zumindest frei. Nur die Frage nach dem Selbstbau und den Kosten lässt sich nicht so eindeutig beantworten. Das liegt zum einen an der aktuellen Situation, in der sich Holzpreise nicht voraussagen lassen. Es liegt aber zum anderen an der Bauweise, die Helge Wolpers anbietet. Da beim Bausatz alle Teile CNC-gefräst von einem Zulieferer hergestellt werden, sind auch diese Kosten zurzeit nur zu schätzen. Er rechnet derzeit beim reinen Holzbausatz ohne Rigg und Beschläge mit rund 10.000 Euro. Dafür erhält der Kunde alle Zeichnungen und Pläne und den kompletten Bausatz aller gefrästen Teile.
Ein von ihm vollständig aus Gabun-Sperrholz, Teak und Mahagoni konstruiertes Schiff, segelfertig mit allen Beschlägen in hochwertiger Ausführung (zum Beispiel Klemmen und Blöcke von Harken), wird zwischen 60.000 und 70.000 Euro kosten.
Dazwischen gibt es noch Varianten wie etwa die, bei der die Bootsmanufaktur Lüneburg den Rumpf als Kasko liefert und der Kunde den Rest im Eigenbau erledigt.
Man erhält in jedem Fall ein sehr vielfältig einsetzbares Boot. Die „Dopamin“ lässt sich sportlich auf Regatten segeln, ist aber auch für den gemütlichen Tagestörn mit der Familie geeignet, bis hin zur Übernachtung am Wochenende. Sie ist schnell und lässt sich sehr gut segeln. Auf den ersten Blick ist sie ein Retroklassiker und auf den zweiten ein modernes Schiff mit vielen guten Eigenschaften.
Klaus-Dieter Seelig
Pläne für Selbstbauboote aus Deutschland sind eine Seltenheit. Das Gros kommt aus England, den USA, Kanada, Australien und Südafrika, von wo es diverse Pläne zu kaufen gibt. Die Seiten WOODENBOAT.COM oder MODERNWOODENBOAT.COM bieten einen guten Einstieg und Überblick. Auf BOATKITS.EU oder unter DIXDESIGN.COM werden auch Bausätze mit CNC-gefrästen Teilen angeboten, und unter dem Suchbegriff DIY Sailboat Kit stößt der Interessierte auf viele weitere Möglichkeiten.
Unter BOATKITS.DE finden sich kleine Boote vom Opti bis zu Jollen wie dem Piraten. Die deutschsprachige Seite VIVIER-BOOTE.DE bietet Pläne und Bausätze von der Jolle bis hin zum Kleinkreuzer des französischen Retro- und Kleinboot-Experten François Vivier. Weiter werden unter HEIMWERKER.DE eine Vielzahl von Plänen offeriert.
Im Jollenbereich erfreut sich die Einmannjolle Seggerling bei Selbstbauern großer Beliebtheit. Sie wird im einfach anzuwendenden „Stitch and Glue“-Verfahren gebaut, mehr unter SEGGERLING.DE. Infos zum Thema Selbstbau bietet regelmäßig auch die YACHT, siehe zuletzt die Serie über Jan von der Banks „Remy“ (Abschluss in YACHT 18/2022). Spannend ist zudem der Selbstbau-Mini 5.80 in YACHT 8/2020.