Beneteau Oceanis 30.1Starker Konkurrent in der Einsteigerklasse

Lasse Johannsen

 · 15.11.2023

Der 70 Quadratmeter große Gennaker zieht die neue kleinste Oceanis von Beneteau auch bei wenig Wind mit flotter Fahrt durch die Atlantikdünung vor Les Sables d’Olonne
Foto: YACHT/J.-M. Liot
Mit der Oceanis 30.1 erneuerte Beneteau sein Einsteigermodell. Mit welchen Eigenschaften sich der weltweit größte Segelyacht-Hersteller von der Konkurrenz absetzen will – der Test

Die Großserienwerften bezeichnen ihre kleinsten Fahrtenmodelle gern als Einstiegsklasse. Damit stellen die Cruiser unter zehn Meter Länge eines der wichtigsten Marktsegmente dar. Die neue Oceanis 30.1 gehört in dieses Segment und löste ihre erfolgreiche Vorgängerin nach zehn Jahren ab, was ein bemerkenswert langer Produktzyklus ist. Entsprechend gespannt wurde die Neuvorstellung des Branchenprimus erwartet. Die neue Designsprache aus dem Hause Finot/Conq war zu erwarten, sie entspricht der 0.1-Reihe, die bereits aus sechs größeren Schwesterschiffen besteht. Damit schließt die Werft die letzte Lücke in diesem Modernisierungsprozess.

Überraschend aber ist das Konzept. Um erfolgreich zu sein, will die Werft aus der Vendée mit dem Modell 30.1 eine breitere Zielgruppe ansprechen als die Konkurrenz. Dazu sollen neben See- und Küstenseglern explizit auch die Binnensegler gehören, weshalb die Oceanis 30.1 leichter und mit weniger als drei Metern auch deutlich schmaler ist als die meisten ihrer Mitbewerber. Mit diesem Maß passt sie zwischen eng stehende Heckpfähle, in schmale Schleusenkammern und durch enge Brückenpassagen. Zudem hat die Werft angekündigt, einen klappbaren Mast anzubieten. Mit seinen Abmessungen ist das Boot außerdem ohne großen Aufwand auf der Straße zu transportieren.

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Die Konkurrenz


Ein weiterer Teil des Angriffskonzepts besteht in der großen Wandelbarkeit. Die Oceanis 30.1 wird mit drei verschiedenen Kielversionen angeboten, hat im Standard 1,88 Meter Tiefgang, gegen Aufpreis ist ein mit 1,30 Metern deutlich weniger tiefgehender Kiel zubekommen. Schließlich ist das Schiff als Kielschwerter mit Ballastschwert zu haben und kann dank der Doppelruderanlage in dieser Variante unkompliziert trockenfallen.

Neben dem Preis sind solche hervorstechenden Charaktermerkmale sensible Abgrenzungspunkte zur Konkurrenz – Fahrtenboote einer Größenordnung, in der den Konstrukteuren aufgrund des Verhältnisses von Kundenwünschen zu Abmessungen wenig Gestaltungsspielraum bleibt und die daher konzeptionell sehr vergleichbar und in vielerlei Hinsicht auch ausentwickelt sind.

Oceanis 30.1 hat eine erwachsene Erscheinung

Mit den optionalen zwei Steuerrädern statt der Standard-Pinnensteuerung – sie tauchten in dieser Bootsgröße erstmals vor fünf Jahren auf der Dufour 310 Grand Large auf – bedient die Werft neben der genannten Profilschärfung des neuen Modells nun auch einen allgemeinen Trend, der die Yachten um neun Meter Länge in Kombination mit offenem Heck und Badeplattform tatsächlich erwachsener hat werden lassen.

So bereits der erste Eindruck. Der Prototyp liegt auf­geriggt in Les Sables d’Olonne am Werftsteg von Beneteau. Das Boot hat eine markante graue Außenhaut, welche die wesentlichen Designmerkmale noch unterstreicht. Das sind eine Kimmkante im Rumpf und eine Fase vom Bug bis zu den Wanten. Dominant auch die großformatigen Rumpffenster, die feste Nase und das im Vergleich zur Vorgängerin noch breitere Heck. Holz ist kein stilbildendes Element mehr, wie es Handläufe und Fußreling auf der Oceanis 31 noch waren. Allerdings sind die Cockpitduchten standardmäßig mit Teakholzstäben belegt, gegen Aufpreis auch der Plichtboden.

Die Baunummer 0 ist durch auffallend sorgfältige Bauausführung gekennzeichnet, das ist bei Prototypen nicht immer so. Auch ist nahezu jedes der Extras an Bord verbaut und in den Backskisten verstaut, was die Preisliste hergibt – angefangen vom größeren Motor bis hin zur Cockpitdusche. Unter dem Schiff hängt mit der tiefergehenden der beiden Gusseisenkielvarianten die standard­mäßige Flosse.

Breitentaugliches, solides und funktionales Fahrtenschiff

Die Tücher stammen serienmäßig von der bretonischen Segelmacherei Technique Voile. An Bord ist das im Topp ausgestellte Großsegel. Ein stattdessen in den Mast rollbares ist extra erhältlich. Die Vorsegelgarderobe besteht wahlweise aus einer Selbstwendefock oder der überlappenden 105-prozentigen Genua. Die Leicht­wind­segel, ein Code Zero und ein Gennaker, können mit der dazugehörigen Ausrüstung als Upwind-Pack und als Downwind- Pack gekauft werden. Wer beide bestellt, spart damit erheblich.

Die Ausführung des Prototyps soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es den Entwicklern der Oceanis 30.1 eher um ein breitentaugliches, solides und funktionales Fahrtenschiff als um Experimente ging. Es findet sich an Bord wieder, was sich beim Vorgängermodell oder den größeren Schwesterschiffen der Serie bereits bewährt hat. Einige Detaillösungen an Deck fallen dennoch sofort ins Auge, etwa der ausgeklügelte Gaskasten oder die seitlich angebrachte Rettungsleiter mit solidem Handgriff. Doch es gibt auch Gegenbeispiele. So ist zum Beispiel kein separater Stauraum mehr für eine Rettungsinsel vorgesehen. Und der Ankerkasten beherbergt zwar eine solide installierte Winde, lässt sich aber nicht mehr wasserdicht verschließen.

Freude am Fahren auf der Oceanis 30.1

Am Tag des Tests weht es mit zehn bis zwölf Knoten aus Nordwest. Souverän aus dem Hafenbecken geschoben wird die Oceanis 30.1 vom 21-PS-Yanmar mit konventioneller Wellenanlage und dreiflügeligem Faltpropeller, dem größeren der beiden Modelle; Standard ist der kleinere Yanmar mit 15 PS. Das Boot lässt sich vorwärts wie rückwärts sehr gut unter Motor manövrieren. 6 Knoten werden bei 80 Prozent der Höchstdrehzahl erreicht, ein guter Wert angesichts der theoretischen Rumpfgeschwindigkeit von rund 7 Knoten.

Als die Segel stehen, zeigt der Prototyp sofort, dass Potenzial in ihm steckt. Der mäßige Wind reicht dank der ruhigen See und des noch völlig leeren Bootes aus, um es rasch in Fahrt zu bringen. Die Messwerte sind auf allen Kursen sehr zufriedenstellend, der Wendewinkel von 85 Grad geht in Ordnung. Vor allem aber zeichnet sich das Boot durch seine sehr gute Beherrschbarkeit aus. Es liegt angenehm auf den Doppelrudern, lässt sich mit anderthalb Umdrehungen von hart zu hart direkt steuern und ist äußerst kursstabil.

Als es gegen Ende des Tages auffrischt, zeigt die kleine Beneteau, dass dank des breiten Hecks unter Gennaker auch mehr drin ist als die Rumpfgeschwindigkeit. Dafür offenbart sich am Wind in der aufkommenden kurzen Welle aber auch, dass der voluminöse Bug am Wind Grenzen setzt; Höhe kostet sehr schnell sehr viel Fahrt. Doch die Bewegungen des Bootes in der Welle sind angenehm, das Seeverhalten ist ruhig und unaufgeregt, die Stabilität sehr gut.

Crew wird mitgedacht auf der Oceanis 30.1

Das Cockpit bietet auch unter Segeln genug Platz für die vierköpfige Crew. Sie sitzt bequem auf den Duchten, die Süllränder sind ergonomisch geformt, und der massive Edelstahlbügel, der im Hafen als Tischfuß dient, ist eine gute Möglichkeit, sich abzustützen. Der Rudergänger sitzt geschützt im Heckkorb mit freier Sicht nach vorn auf dem Süll. Allerdings muss er sich bei Lage abstützen, um nicht von der schmalen Fläche zu rutschen. Dafür sind Fußrasten montiert, die aber nicht für jeden perfekt platziert sein dürften.

Die Lösung mit zwei als Extra erhältlichen Steuerrädern ist überzeugend umgesetzt worden. Eine Schubstange verbindet die beiden Quadranten, die Umlenkung auf die Räder erfolgt über Seilzüge, die in Dyneema ausgeführt sind. Die Räder sind mit 75 Zentimetern im Durchmesser klein und ermöglichen entsprechend direktes Steuern. Der Durchgang ist gut dimensioniert. Eine Notpinne ist in der Backskiste gehaltert und lässt sich im Handumdrehen auf beiden Seiten montieren; um sie benutzen zu können, muss allerdings das jeweilige Steuerrad abgebaut werden. Eine längere Achse der Notpinne würde das vermeiden.

Oceanis 30.1 kommt ohne Achterstag und Backstagen aus

Eine Arbeitswinsch auf dem Aufbau ist Standard. Die beiden Genuawinschen, alle von Harken, sind weit achtern angebracht und für den Rudergänger gut zugänglich. Anders hingegen die Großschot, deren simple und funktionale Führung über eine Hah­nepot zwar sehr überzeugend gelöst, die aber vom Rad aus nicht zu erreichen ist.

Der Mast vom französischen Hersteller Z-Spars ist 9/10-getakelt und hat stark gepfeilte Salinge, sodass er ohne Achterstag und ohne Backstagen auskommt. Damit ist einerseits das ausgestellte Großsegel unkompliziert zu benutzen, und der Ruder­gänger sitzt nicht beengt; andererseits jedoch stört das Unterwant auf dem Weg nach vorn, und es fehlt ein wichtiges Instrument beim Trimmen.

Fallen und Strecker sind ins Cockpit umgelenkt, und die Holepunkte der Genuaschiene auf dem Testschiff leinenverstellbar ausgeführt. Die Rollanlage von Facnor ist solide und ausreichend dimensioniert.

Nach bewährtem Konzept aufgeteilt

Unter Deck ist die Oceanis 30.1 hell und äußerst geräumig, die im Vergleich zu ihren Mitbewerbern geringere Breite fällt schlicht nicht auf. Aber sie ist nur in einer Ausbau­variante zu haben; auch was die Furniere angeht, gibt es keine Auswahl. Lediglich in Sachen Ausstattung können Extras wie ein vom Standard abweichendes Polster, elektronische Geräte, eine Heizung und dergleichen mehr geordert werden.

Die Aufteilung folgt dem bewährten Konzept mit Nasszelle an Steuerbord sowie Pantry und dem Zugang zum Achterschiff gegenüber: zwei ausreichend dimensionierte Sofakojen im Salon und ein mittig stehender Klapptisch sowie, als Extra, eine Navigationsecke am achteren Ende der steuerbordseitigen Salonkoje. Im Vorschiff befinden sich zwei breite Kojen von zwei Meter Länge, zwei Spinde und ausreichend Platz, um sich bei geschlossenem Schott umzuziehen.

Simpler Innenausbau

Im Salon sitzen sechs Personen bequem auf den Polstern, vier finden am Tisch Platz, ohne dass es eng wird. Ein Knüller sind die wirklich großen Rumpffenster, durch die sich auf See und vor Anker ein faszinierender Blick ergibt. Alle Oberflächen sind in hellen Farbtönen gehalten und bestehen aus Laminat in Eichenholz-Optik. Die Bord­wände sind mit Kunstleder verkleidet. Licht kommt durch ein großes Luk im Salon, die Fensterleiste im Aufbau und die beiden Rumpffenster. Das Platzangebot wurde von den Konstrukteuren gut genutzt, die Dimensionen und Positionierungen der Einbauten stimmen. Leider fehlt es an Handläufen, die auf See den Gang nach vorn erheblich erleichtern würden. Auch der Stauraum im Salon ist äußerst begrenzt. Schapps gibt es keine, lediglich flache Schwalbennester über den Rückenpolstern. Die Stehhöhe ist mit 1,90 Metern im achteren Teil hoch, vor dem Durchgang ins Vorschiff mit 1,76 Metern allerdings eher gering.

Der Navigationstisch ist nur als Extra zu haben und auch dann ein Sonderfall. Diese Miniatur kann als Schreibpult für das Logbuch benutzt werden, die Fläche ist aber nicht einmal groß genug für Sportbootkarten. Dafür kann der kleine Sekretär an die Wand geklappt und die Aussparung für die Beine mit einem Polster verschlossen werden. So konvertiert die Navi- zur Salonecke.

Die Pantry bietet ein großes Kühlfach und einen zweiflammigen Gasherd mit Backofen, der auf Backbordbug leider nur unzureichend ausschwingt. Halt gibt eine solide Edelstahlstange vor dem Herd. Die Spüle steht fast in der Mittschiffslinie und lässt sich dadurch auch bei viel Schräglage benutzen. Sie ist nicht mehr – wie noch bei dem Vorgängermodell – als Doppelspüle ausgeführt. Was auch fehlt, sind Geschirr­fächer und ein ausreichend großes Schapp für Kochtöpfe. Abmessungen, Aufteilung, Stauraum und Belüftung von WC und Achterschiff sind dagegen äußerst gelungen.

Gute Aussichten

Die Ausführung des Prototyps ist vielversprechend. Saubere Verklebungen, geringe Spaltmaße, sorgfältig mit Topcoat ausgestrichene Bilgenfächer und sorgfältige Instal­lationen fallen ins Auge, dazu die starke Dimensionierung der Ausbauten und die so­lide Ausführung von Handläufen und Beschlägen. Die Kielbolzen sind sichtbar und gut zugänglich, in die Bodengruppe sind große Durchflüsse eingeformt.

Wenn die Serie hält, was der Prototyp verspricht, bekommen ihre Wettbewerber mit der Oceanis 30.1 eine harte Konkurrenz.

Die Messwerte zum Test der Beneteau Oceanis 30.1

Windgeschwindigkeit: 10 kn (3 Bft.), Wellenhöhe: Dünung ca. 0,5 Meter * mit Gennaker

Die Beneteau Oceanis 30.1 im Detail

Angeboten wird das Schiff wahlweise mit tief- und flachgehendem Gusseisenkiel oder als Kielschwerter mit Ballastschwert | Zeichnung: YACHT/N. CampeAngeboten wird das Schiff wahlweise mit tief- und flachgehendem Gusseisenkiel oder als Kielschwerter mit Ballastschwert | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Beneteau Oceanis 30.1

  • Konstrukteur: Finot/Conq
  • CE-Entwurfskategorie: B
  • Rumpflänge: 8,99 m
  • Breite: 2,99 m
  • Tiefg./altern.: 1,88/1,30, 2,33–0,95 m
  • Gewicht: 4,0 t
  • Ballast/-anteil: 0,97 t/24 %
  • Großsegel: 23,8 m2
  • Selbstwendefock: 15,7 m2
  • Maschine (Yanmar): 15 kW/21 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

  • Rumpf: Polyester-Volllaminat mit strukturstärkender Innenform
  • Deck: GFK-Sandwich mit Schaumkern

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 120.071 € brutto inkl. 19% MWSt.
  • Garantie/gegen Osmose 3/7 Jahre

Stand 011/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Chantiers Beneteau; Saint Hilaire de Riez/Frankreich; www.beneteau.com

Vertrieb

Händlernetz

YACHT-Bewertung der Beneteau Oceanis 30.1

Günstiges Einsteigermodell von Beneteau. Dank Kielvarianten und Abmessungen vielseitig einsetzbar. Mit solider Bauausführung, großem Raumangebot und soliden Segeleigenschaften gut als Fahrtenschiff geeignet

Konstruktion und Konzept

  • + Vielseitiges Fahrtenboot
  • + Große Kammer im Vorschiff
  • - Keine Ausbauvarianten

Segelleistung und Trimm

  • + Gute Segeleigenschaften
  • + Einfaches Handling
  • - Seeverhalten in der Welle am Wind

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Großes, gut genutztes Raumangebot
  • + Robuste Bauausführung
  • - Kaum Sonderwünsche realisierbar

Ausrüstung und Technik

  • + Sauber installierte Bordtechnik
  • - Notpinne nur ohne Rad möglich

Die Beneteau Oceanis 30.1 im Video

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 09/2019 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.


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