TestHanse 315 – eine der kleinsten aller Großserien-Fahrtenyachten

Michael Good

 · 01.05.2023

Das Heck ist offen. Die beiden Räder sind optional, ebenso wie eine Badeklappe
Foto: YACHT/B. Kolthof

Frisch, schnörkellos und günstig: Mit der Hanse 315 sprechen die Yachtbauer aus Greifswald sowohl Ein- wie auch Umsteiger an. Die kleinste Fahrtenyacht von Hanseyachts auf dem Prüfstand

In diesem Artikel:

Es ist nicht wenig, was die Schiffe der sogenannten Einsteigerklasse alles können und bieten müssen: voller Tourenkomfort für die Familie, Seetauglichkeit, einfachstes Handling und zudem gern gute Segelleistungen. Auch haben die kleinsten Yachten im Programm für ihre Hersteller repräsentative Aufgaben zu erfüllen – sie geben dem Neueinsteiger eine Vorstellung, was die größeren Modelle der Werft drauf haben. Das ist wichtig, um die angehenden Umsteiger für die Marke zu inter­essieren. Obendrein muss die Kostenrechnung stimmen. Je kleiner und einfacher die Boote, desto genauer gucken die Kunden auf die Preisgestaltung.

Dabei gilt es zu unterscheiden, denn nicht alle Serienhersteller vollziehen ihren Einstieg im selben Längensegment. Bavaria Yachtbau und Jeanneau zum Beispiel beginnen ihre Fahrtenlinien erst bei 33 Fuß, also bei knapp zehn Meter Rumpflänge. Beneteau, Delphia, Dufour und Hanse dagegen starten die Tourenprogramme bereits eine Nummer kleiner, bei 31 Fuß, also knapp über neun Meter Rumpf­länge und damit dichter am Kompaktkreuzer-Segment. Die neue Hanse 315 ist gar die kleinste aller Großserien-Fahrtenyachten.

Der maßgebliche Unterschied: Bei den kleineren Booten bleibt es beim Innenausbau mit zwei Kabinen. In der Zehn-Meter-Klasse sind dagegen Ausbauvarianten als Dreikabiner mittlerweile Standard.

Breit und dennoch ansehnlich

Hanseyachts pflegt seinen Einsteiger gewissenhaft mit vergleichsweise kurzen Über­arbeitungszyklen – so ist die Greifswälder Werft im wichtigen Segment stets mit einem zeitgemäßen Modell präsent. Mit der Hanse 315 kommt wieder ein komplett neu konzipiertes Schiff auf den Markt, gezeichnet wie üblich von Hanses Konstruktions-Partnern Judel/Vrolijk & Co in Bremerhaven. Der Newcomer präsentiert sich in markant kräftiger Optik. Dafür sorgen die lotrecht abfallenden Schiffsenden, der vergleichsweise hohe Freibord und die kompakten Abmessungen. Die Hanse 315 ist bei etwas weniger Rumpflänge um fünf Zentimeter breiter als das Vorgängermodell 325.

Dies fällt allerdings höchstens am Steg sowie auf dem Papier auf. Unterwegs präsentiert sich die kleine Hanse hingegen als sehr gefälliger Kreuzer mit vielen, für das Auge sogar sportlichen Merkmalen. Verantwortlich dafür ist vor allem die breite, fast halbkreisförmig gestaltete Heckpartie mit der achtern stark eingeschnürten Wasser­linie – ein Designmerkmal, das man von Judel/Vrolijk-Konstruktionen kennt, insbesondere auch von den aktuellen Modellen der verwandten Dehler-Reihe.

Rumpf der Hanse 315 als Sandwichkonstruktion

Mit der 315 baut Hanse nun erstmals auch den Rumpf eines kleinen Bootes als Sandwichkonstruktion mit Balsaholzkern oberhalb der Wasserlinie – bisher war dies nur für die größeren Typen über 45 Fuß Länge der Fall. Mit dieser aufwändigeren Bauweise kann die Werft Material und Gewicht sparen und gleichzeitig einen robusteren sowie thermisch und akustisch besser isolierten Rumpf präsentieren. Die Decks werden bei allen Typen ebenfalls im Sandwich laminiert.

Und Hanse baut dem neuen Schiff nun auch einen Kiel aus Gusseisen in L-Form an. Beim Vorgängermodell und auch bei den größeren Schwestern der Reihe war und ist ein T-Kiel üblich, L-Kiele gab es in Greifswald bisher nur als Option. Neben dem Standard-Tiefgang von 1,85 Metern mit einem Ballastanteil von 33 Prozent (1,5 Tonnen) ist ein Kurzkiel mit lediglich 1,37 Meter Tiefgang, aber dafür 150 Kilogramm mehr Gewicht erhältlich.

Für einen Test stand der YACHT die Baunummer 4 in La Rochelle an der Westküste Frankreichs zur Verfügung. Die Bedingungen: 10 Knoten Wind im Mittel, dazu mäßig hoher Schwell. Damit kommt die Hanse 315 prima klar. Mit der standardmäßigen Selbstwendefock erreicht sie 5,6 Knoten hart am Wind bei einem Wendewinkel von rund 90 Grad – ordentliche Werte für ein Boot dieser Größe und Ausrichtung.

Überdurchschnittlich gut sind die Agilität auf dem Ruder sowie die Wendigkeit im Manöver. Die Hanse 315 lässt sich auf allen Kursen ausgezeichnet am Wind steuern und beweist dabei ein durchaus sportliches Verhalten. Auch bezüglich der Manövrierbarkeit unter Maschine kann das Boot mit seiner offenbar sehr guten Abstimmung der Unterwasser-Anhänge überzeugen. Mit dem Standardmotor von Volvo Penta beschleunigt die Neue vor- wie rückwärts gradlinig und lässt sich außerdem auf kleinstem Raum auf dem Teller drehen.

Entweder – oder

Doppelte Steuerräder auf einem 31-Fuß-Boot sind spätestens seit der Vorstellung der wohl direktesten Konkurrentin, der Dufour 310 Grand’Large, kein Novum mehr; jetzt zieht also Hanse nach. Das breite Heck erlaubt eine immer noch vernünftige Anordnung mit zwei Steuer­ständen und damit einen freien Durchgang durch das entsprechend geformte Cockpit. Seitliche Buchten ermöglichen es dem Rudergänger, hochbords bequem am Rad zu sitzen und mit gutem Überblick zu steuern. Nur die Drähte vom doppelten Achter­stag stören im Rücken – ein bekanntes Ärgernis bei kleinen Schiffen mit offenem Heck.

Allen Vorteilen der doppelten Räder zum Trotz sind sie für die Hanse 315 nur gegen einen Aufpreis von 3500 Euro erhältlich. Das Standardboot kommt mit einer Pinnensteuerung, was beim radoptimierten Layout des Cockpits mit den sehr kurzen Duchten und den weiten Ausschnitten im achteren Bereich nur wenig Sinn macht. Für die Version mit Pinne wären fraglos lange, durch­gehende Duchten besser. Dafür ist allerdings eine zweite Bauform für das Deck erforderlich, welche Hanse bislang nicht zur Ver­fügung hat. Eine Lösung könnten flexible Module sein, die als Ergänzung eingesetzt werden und die Duchten bis zum Heck verlängern.

Komfortables Touren mit der Hanse 315

Weitere Annehmlichkeiten für komfortables Touren gibt es ebenfalls nur als Op­tion, zum Beispiel eine klappbare Badeplattform als Heckabschluss oder ein Tisch im Cockpit. Damit folgt nun auch Hanse einer Preispolitik, welche für die Angebote aus den großen Bauserien mittlerweile üblich ist. Konkret heißt das: günstiger Grundpreis für ein einfach ausgestattetes Basispaket und diverse Möglichkeiten individueller Abstimmung gemäß der persönlichen Ansprüche. Dafür hat Hanse für die 315 eine Reihe gut sortierter Ausstattungsbündel im An­gebot. Für den Kunden kann dies von Vorteil sein: Er erhält ein Boot ganz nach Wunsch ausgestattet; er kann aber auch später noch nachrüsten.

71.280 Euro brutto verlangten die Yachtbauer aus Greifswald für die Hanse zur Markteinführung 2015 ab Werft inklusive Einbaumaschine und einem einfachen Satz Dracon-Segel. Im Vergleich zur Konkurrenz war dies damals ein sehr attraktives und faires Angebot. Heute (Stand Mai 2023) kostet das Boot 123.640 Euro, brutto.

Mehr Platz zum Schlafen

Eine echte Überraschung bringt das Schiff unter Deck: Es bietet innen deutlich mehr gefühltes Volumen, als von außen zu vermuten steht. Ungemein geräumig und nach den ersten Messe-Auftritten schon vielfach gelobt: die Nasszelle mit einem gut nutzbaren Duschbereich und einer Stehhöhe von 1,84 Metern. Im Konkurrenzumfeld kann lediglich die Dufour 310 mit ähnlich komfortablen Bad-Platzverhältnissen aufwarten.

Anders als beim Vorgängermodell wurde die Koje achtern nun quer eingebaut. Damit ist vor allem im Fußbereich mehr Platz vorhanden, und zwei Personen schlafen ungestörter. Das großzügigere Arrangement für Bad und Kabine im Achterschiff geht zu Lasten des Stauraumangebots in der Backskiste; bei der neuen 315 steht dort nur ein Volumen von rund 860 Litern zur Verfügung. Für sperrige Dinge wie zum Beispiel zusätzliche Segel wird der Platz schon mal knapp. Beim Vorgängermodell 325 fiel die Backskiste etwa doppelt so groß aus.

Die Koje im Vorschiff lässt sich je nach Wunsch und Bedürfnissen bis zum Hauptschott verlängern. So können dort Kinder schlafen oder auch zwei Erwachsene, wenn sie die gesamte Fläche nutzen. Das Hauptschott ist übrigens eine Option – im Standard wird die Kabine nicht abgetrennt.

Das Stauraumangebot im Vorschiff ist recht bescheiden, hier fehlen seitliche Ab­lagen oder weitere Unterbringungsmöglichkeiten, die grundsätzlich machbar sein sollten. Mehr Platz auch für größere Sachen wie etwa Reisetaschen gibt es dafür unter den Sitzbänken im Salon. Die Stauräume dort sind nicht nur üppig, sondern auch bestens zugänglich.

Ordentliche Arbeit unter Deck der Hanse 315

Bis auf einige wenige Unschönheiten wie zum Beispiel nicht ganz stimmige Spalt­maße ist der Ausbau unter Deck ordentlich gemacht und gibt zu wenig Kritik Anlass. Für die Kojenbretter sägt Hanseyachts 17 Millimeter starkes und zusätzlich beschichtetes Sperrholz zu. Und sie verschrauben die einzelnen Paneele auf den Lagen, genauso wie die Bodenbretter im Salon. Störende Knarzgeräusche sind deshalb kein Thema.

Die Werft in Greifswald bietet mit der neuen Hanse 315 ein attraktives, rundes und stimmiges Gesamtpaket an und hat sich damit ein wichtiges Instrument geschaffen, um sich auf den kommenden Messen zu präsentieren. Kleine Segelyachten liegen im Trend, mehr denn je. Darauf hat Hanse im richtigen Moment reagiert: prima Job – und ein perfektes Timing.


Messwerte

Windgeschwindigkeit: 10 kn (3 Bft.); Wellenhöhe: Dünung ca. 0,5 Meter; *Mit Gennaker
1 Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche | Abbildungen: YACHT

Technische Daten

  • Konstrukteur: Judel/Vrolijk & Co
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 9,10 m
  • Gesamtlänge: 9,62 m
  • Wasserlinienlänge: 8,70 m
  • Breite: 3,35 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,85/1,37 m
  • Theor. Rumpfgeschw.: 7,2 kn
  • Gewicht: 4,7 t
  • Ballast/-anteil: 1,5 t/33 %
  • Masthöhe über Wasserlinie: 11,8 m
  • Großsegel: 29,5 m²
  • Selbstwendefock: 17,5 m²
  • Maschine (Volvo P.): 9 kW/13 PS
  • Kraftstofftank (Kunststoff): 160 l
  • Frischwassertank (Kunststoff): 230 l
  • Fäkalientank (Kunststoff): 35 l

Rumpf- u. Decks­bauweise

GFK-Sandwichlaminat für Rumpf und Deck. Volllaminat unterhalb der Wasserlinie. Balsaholz als Kernmaterial, Verwendung von Iso-Polyesterharzen, Vinylester außen

Grundpreis

  • 123.640 €, ab Werft inkl. 19% MWSt. / (Stand Mai 2023)

Werft und Vertrieb

  • Werft: Hanseyachts AG, 17489 Greifswald; www.hanseyachts.com
  • Vertrieb: Händlernetz

YACHT-Bewertung

Gradliniges und ansprechendes Einsteigerboot von Hanse. Das Schiff überzeugt im Test mit agilen Segel­eigenschaften und lässt sich auch unter Maschine prima manövrieren. Das Cockpitlayout ist für doppelte Räder konzipiert. Der Innenraum ist gut ausgenutzt, Stauraum jedoch knapp

Konstruktion und Konzept

  • + Attraktives Gesamtpaket
  • + Enormes Raumgefühl unter Deck
  • - Cockpit mit Pinne unstimmig

Segelleistung und Trimm

  • + Leicht und agil auf dem Ruder
  • + Einhandtauglichkeit
  • + Selbstwendefock oder Genua

Wohnen und Ausbauqualität

  • +Familientauglicher Innenausbau
  • + Sehr geräumige Nasszelle
  • - Wenig Stauraum im Vorschiff

Ausrüstung und Technik

  • + Flexible Leinenführung an Deck
  • + Verstellbares Achterstag als Standard
  • - Kleine Backskiste

Dieser Artikel erschien in der YACHT-Ausgabe 22/2015 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet


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