Aira 22Daysailer aus den Niederlanden für kleines Geld

Michael Good

 · 19.04.2023

Kompromissbereit. Großes und tiefes Cockpit, wenig Freibord und mit Gennaker stattlich betucht
Foto: YACHT / B. Kolthof

Die Aira 22 soll eine moderne Alternative zum klassischen Ausbildungs- und Wanderboot sein. Aber das vielseitige Schiff hat noch einige Talente mehr auf Lager. Die kleine Holländerin auf dem YACHT-Prüfstand

Das könne es ja noch nicht gewesen sein, sagte sich Jos Snijders Blok, nachdem er seine vielen Segelschulen in Friesland allesamt verkauft hatte. Ein neues Projekt musste her. Und weil Snijders Blok in seinen Betrieben fast ausschließlich Schiffe vom Typ Polyvalk im Einsatz hatte, war der Ansatz für eine neue Aufgabe schnell gefunden. Eine moderne Version des vor allem in Holland weit verbreiteten, aber in die Jahre gekommenen Schul- und Wanderbootes sollte es sein – eine Art Polyvalk 2.0.

Mit diesen Ideen im Kopf kam Snijders Blok mit Konstrukteur Maarten Voogd (Simonis Voogd Yacht Design) zusammen. Das Ergebnis der Kooperation wurde im Januar 2018 erstmals und viel beachtet auf der boot in Düsseldorf vorgestellt. Die zwei hübschen, farbigen Boote vom Typ Aira 22 wurden damals in der Halle 15 zum wahren Publikumsmagneten. Dies nicht zuletzt auch, weil sich ziemlich schnell herumgesprochen hatte, was dort auf dem Preisschild steht: Für weniger als 15.000 Euro hatte Snijders Blok sein neues Boot, das fast eine kleine Yacht ist, auf dem Markt einführen. Ein echter Kampfpreis im Vergleich, was mögliche Käufer freut und die Wettbewerber ärgert. Der Preis ist seither gestiegen, mit etwas über 20.000 Euro aber immer noch günstig.

Der aufregend günstige Preis für die Aira 22 ist für die Attraktion aber nicht alleine verantwortlich. Spannend und zugkräftig ist außerdem das generelle Konzept, welches sich insbesondere durch eine bemerkenswert große Vielfalt und hohe Wandelbarkeiten auszeichnet. Das einfache Standardboot ab Werft ist die Version Clubsailer für einen Preis von gerade einmal 20.700 Euro segelfertig inklusive Steuer. In dieser Ausführung kommt das Boot mit einer Scheuerleiste aus Gummi und einer weichen, aufgesteckten Kunststoffnase, welche nach einer Kollision einfach ausgetauscht werden kann. Zielgruppen sind Segelschulen, Bootsvermieter und Vereine.

Die Aira 22 lässt sich funktional kombinieren

Die Ausführung als Daysailer richtet sich hauptsächlich an Wasserwanderer und Segler, die das anspruchslose Freizeitvergnügen auf dem Wasser schätzen, den Aufwand um ein größeres Schiff aber scheuen. In der Variante wird das Boot mit einem in der Achterpiek eingebauten und elektrisch ausfahrbaren Elektromotor ausgestattet. Dazu kommen Polsterungen auf den Duchten sowie ein Cockpittisch. Der Preis: 24.700 Euro, mit E-Motor inklusive.

Und die Aira 22 kann als Modell Matchracer auch sportlich, mit Gennaker und ausziehbarem Bugspriet. Das Performance-Boot wird ab Werft mit einem schlanken und aufholbaren T-Kiel ausgestattet. Das sportliche Update ist mit einem Aufpreis von lediglich rund 2.000 Euro zum Standard-Boot verbunden.

Käufer können sich alle Optionen, je nach Bedarf und Einsatz, auch beliebig zusammenstellen. Der Hubkiel zum Beispiel kann anstelle des breiteren, aber dafür weniger tiefen L-Kiels auch beim Club- oder beim Daysailer eingebaut werden, etwa wenn das Boot häufig auf der Straße transportiert oder oft über die Rampe geslippt werden soll. Das Ruderblatt ist dazu am Heck angehängt und kann mit einem Handgriff leicht abgenommen werden. Auch der leichte Aluminium-Mast von Seldén lässt sich bequem von Hand stellen und legen.

Das Testboot, das die YACHT 2018 segeln konnte, dokumentiert die ganze Varianz aller Machbarkeiten. Diese Ausführung ist mit Elektromotor, Gennakerpaket sowie auch mit T-Kiel ausgestattet. Allerdings ist der Rumpfanhang auf speziellen Kundenwunsch um 15 Zentimeter gekürzt worden. Der Tiefgang beträgt bei diesem Boot nur 1,00 Meter statt 1,15 Meter wie ab Werft eigentlich vorgesehen. Beim Test vor Enkhuizen auf dem IJsselmeer scheint daraus jedenfalls kein Nachteil zu erwachsen.

Sicher, stabil und schnell

Bei rund 12 Knoten Wind liefert die kleine Holländerin eine tadellose Leistung unter Segeln ab. Das Boot kommt prima durch die kurzen, steilen Wellen, setzt weich ein, und es segelt am Wind trotz gekürztem T-Kiel sehr steif. Mit 5,8 Knoten Speed marschiert die Aira 22 mit zwei Mann auf einem Winkel von 40 Grad zum wahren Wind. Diese Werte können sich auch im Vergleich zu ausgewiesenen Sportbooten sehen lassen. Hinzu gilt es zu berücksichtigen, dass die einfachen und ab Werft mitgelieferten Dacron-Segel aus chinesischer Produktion hohen Ansprüchen kaum wirklich genügen können.

Flott voran geht es auch mit halbem Wind und mit gezogenem Gennaker, der beim Testboot im Vorliek noch deutlich zu kurz geschnitten ist. Trotzdem – das mit 700 Kilogramm vergleichsweise leichte Schiff setzt schon bei 4 Beaufort zur Gleitfahrt an und erreicht spielend 8,5 Knoten. Und auch auf den tieferen Kursen ist der Vergleich mit leistungsstarken Sportbooten nicht verkehrt. Die Aira 22 lässt sich mit der Pinne prima nach Druck steuern, reagiert schnell und segelt auch bei probehalber forcierter Krängung kontrolliert.

Gemäß CE-Entwurfskategorie ist die Aira 22 für geschützte Gewässer (Kategorie D) und für bis zu sechs Mitsegler im Cockpit geeignet. Für den Einsatz in Segelschulen ist das große Cockpit mit den 2,40 Meter langen Sitzbänken ein Vorteil. Zwei oder drei Personen können das Boot mit Gennaker aktiv segeln. Mannschaften, die auf Leistung abzielen, können auch auf der hohen Kante sitzen und ausreiten. Dazu kann die Werft das Boot auf Wunsch mit Fußgurten ausrüsten.

Einhand ist die Aira 22 nur mit Selbstwendefock zu segeln

Solisten werden es dagegen schwer haben. Die beidseitig auf den kleinen Decksaufbau geführte Fockschot ist vom Steuermann wegen des doch recht langen Cockpits nicht zu erreichen. Werft und Konstrukteur haben deshalb inzwischen die Option für eine Selbstwendefock geschaffen. Die uneingeschränkte Einhandtauglichkeit ist für ein simples Schiff in der Größe der Aira 22 schon fast ein Gebot.

Das schön tiefe Cockpit soll sich gemäß Baubeschreibung über Drainagen durch die Achterpiek selbst lenzen. Beim Testboot allerdings und nur mit zwei Personen an Bord läuft beim Segeln trotzdem etwas Wasser zurück in die Plicht. Das ist nicht tragisch, kann aber für nasse Füße sorgen. Auch dieses Problem haben die Konstrukteure erkannt und wollen für Nachbesserung sorgen. Punktabzüge gibt es außerdem für die nicht vorhandene Fußreling auf dem Vordeck.

Gerade für den Einsatz in Segelschulen wäre diese für die Sicherheit an Bord wichtig, zumal der recht grob strukturierte Antirutsch-Belag zumindest bei Nässe ebenfalls nicht besonders viel Trittfestigkeit bietet.

Punktlandung

Gebaut wird die Aira 22 als Sandwich-Konstruktion mit Schaumkern bei einem GFK-Spezialisten in Holland. Die ersten Baunummern wie das Testboot wurden noch im nassen Handlaminat hergestellt. In der Serie entstehen die Boote dann aber im Vakuum-Infusionsverfahren.

Die seitlichen Tanks und die Vorpiek sind komplett geschlossen und wasserdicht, damit ist die Aira 22 unsinkbar. Kunden können sich den optischen Auftritt ihres Bootes nach Wunsch zudem aus einer vielfältigen Farbpalette selbst zusammenstellen. Das Kolorit wird aber nicht als eingefärbtes Gelcoat zum Beginn des Bauprozesses in die Form eingespritzt, sondern nachträglich auflackiert.

Mit ihrem smarten Konzept haben die Holländer von Aira Boats nichts falsch gemacht. Und sie scheinen damit einer wieder neu erstarkten Nachfrage nach kleinen, einfachen, aber gleichzeitig vielseitigen Segelbooten im Kern zu begegnen. Außerdem lockt der sehr attraktive Preis.


Messwerte Aira 22

Segelleistungen, ohne Abdrift und Strom

Windgeschwindigkeit: 12 kn (4 Bft.) Wellenhöhe: ca. 0,50 Meter,

* Mit Gennaker

Potenzial STZ* = 5,2

Sportliche Ambitionen. Die Aira 22 ist für ihre Größe recht leicht gebaut

*Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)


YACHT-Bewertung Aira 22

Kleines Boot aus Holland für viele unterschiedliche Ansprüche und erhältlich in mehreren Varianten. Die Aira 22 überzeugt mit guten Segeleigenschaften, und der niedrige Preis ist eine echte Ansage

Konstruktion und Konzept

  • + Wandelbares Konzept
  • + Robuste Bauweise
  • - Wasser bleibt im Cockpit stehen

Segelleistung und Trimm

  • + Solide Leistungen unter Segeln
  • - Ohne optionale Selbstwendefock nicht einhandtauglich

Ausrüstung und Technik

  • + Mit Fest- oder Hubkiel
  • + Elektromotor als Option
  • - Keine Fußreling auf Vordeck

Technische Daten Aira 22

Die Aira 22 kann man wahlweise mit Festkiel oder Hubkiel bestellen. Gennaker und Bugspriet sind eine OptionFoto: YACHT
Die Aira 22 kann man wahlweise mit Festkiel oder Hubkiel bestellen. Gennaker und Bugspriet sind eine Option
  • Konstrukteur: Simonis Voogd
  • CE-Entwurfskategorie: D (6 Pers.)
  • Rumpflänge: 6,50 m
  • Breite: 2,20 m
  • Tiefgang/alternativ: 0,90/1,15 m
  • Gewicht: 700 kg
  • Ballast/-anteil: 250 kg/36 %
  • Segelfläche am Wind: 22,0 m²

Rumpf- u. Decks­bauweise

Testboot GFK-Sandwichkonstruktion, Serie im Vakuum-Infusionsverfahren gebaut

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft: 20.700 Euro
  • Preis segelfertig*: 20.700 Euro

* wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft und Vertrieb

Aira Boats, NL-8601HG Sneek; www.airaboats.nl

Dieser Test erschien erstmals in YACHT 11/2018


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