Sperrholz ist ein unverzichtbares Material beim Bau nahezu jeder Yacht. Das mehrfach verleimte Schichtholz wird vor allem für die Fertigung von Schotten und Möbelkomponenten verwendet, meist mit Oberflächen aus Furnieren verschiedener Hölzer. Der Bau kompletter Boote aus Sperrholz ist hingegen selten. Die französische Werft RM Yachts hält jedoch aus Tradition und Überzeugung an diesem Material fest, zumindest, wenn es um den Bau der Rümpfe geht, so auch bei der RM 1080.
Sperrholz überzeugt nicht nur durch sein geringes Gewicht, seine Robustheit und Langlebigkeit, sondern auch durch eine deutlich umweltfreundlichere Herstellung im Vergleich etwa zum faserverstärkten Kunststoff. Und das Thema Osmose ist ebenfalls vom Tisch. Ein weiterer Vorteil: Die Sperrholzrümpfe müssen abschließend lackiert werden. Dabei kann der Kunde bei RM Yachts – ähnlich wie beim Autokauf – aus über 210 möglichen Farben frei wählen. Es muss also nicht zwingend Gelb sein wie bei der RM 1080 auf den Bildern.
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Bei dieser exotischen Bauweise lässt sich der Knickspant allerdings nicht vermeiden. Da Sperrholz nur begrenzt bieg- und verformbar ist, bleiben die markanten Kanten zwangsläufig erhalten. Optisch stechen die Multi-Knickspanter von RM Yachts daher deutlich hervor. Trotz vieler ökologischer Grundsätze setzt die Werft bei ihren Yachten auf ein Deck aus GFK. Dieses wird als Sandwichkonstruktion im Vakuum-Infusionsverfahren hergestellt. Sperrholz eignet sich für Decks schlichtweg nicht, da die Formen zu verwinkelt und die einzelnen Flächen ganz generell zu klein sind.
Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten und dem Insolvenzverfahren im Jahr 2019 gehört RM Yachts mittlerweile zum französischen Werftenkonglomerat Grand Large Yachting, zu dem auch die Marken Allures, Garcia, Outremer, Gunboat und ORC zählen. Auf dieser soliden Grundlage können die Yachtbauer in Périgny bei La Rochelle durchstarten und unter neuer Führung wieder innovative Modelle entwickeln.
Das jüngste Boot der Reihe ist die überaus spannende RM 1080. Mit ihr verabschiedet sich die Werft überraschend von der bisherigen Cockpitgestaltung und präsentiert ein revolutionär neues Layout. Die hohen Süllränder werden beim neuen Boot vom Kajütschott bis ganz nach außen an den Rumpf gezogen. Dadurch öffnet sich das Cockpit über die gesamte Schiffsbreite. Die Duchten sind als großzügige 1,25 Meter breite Flächen gestaltet. Dank abnehmbarer Rückenlehnen lassen sie sich sowohl als herkömmliche Sitzbänke als auch – mit zusätzlichen Polstern – als bequeme Sonnenliegen nutzen. Ein völlig neuer Ansatz, der vielseitige Möglichkeiten zur Nutzung bietet.
Die Werft verzichtet dafür bei der RM 1080 auf ein durchgehendes Laufdeck an den Seiten. Der Weg zum Vorschiff führt daher über die breiten Duchten und erfordert einen größeren Schritt über den weit ausgeformten Süllrand. Stufen erleichtern den Aufstieg vom Ruderstand aus. Damit übernimmt RM die Idee des Walkaround-Cockpits, wenn auch in leicht abgeänderter Form, und folgt somit einem Trend: der Suche nach der optimalen Plicht.
Im Praxistest erweist sich die neue Cockpitgestaltung als durchaus funktional. Wer sich auf dem Schiff bewegt, nimmt den kleinen Umweg um die Steuersäulen am Heck ganz selbstverständlich in Kauf. Allerdings steht für den Steuermann seitlich nur eine minimalistisch kleine Sitzfläche zur Verfügung, was auf die Dauer unbequem und anstrengend sein kann.
Die Werft wird für die RM 1080 und kommende Modelle keinen Schwenkkiel mehr anbieten. Bisher war der flexible Rumpfanhang, bei dem der Kiel in Längsrichtung unter den Rumpf geschwenkt werden kann, ein Markenzeichen von RM Yachts. Doch die Gründe für diesen Schritt sind klar: Der Schwenkkiel sei zu kompliziert, zu aufwendig, anfällig für Defekte und letztlich auch für die Kunden zu kostenintensiv. Stattdessen bleibt die Version mit zwei Kimmkielen (1,74 Meter Tiefgang) und einem Ruderblatt mit Grundplatte der Standard. Damit kann das Boot problemlos auf drei Punkten abgestellt werden.
Der Kimmkieler ist auch mit zwei Ruderblättern erhältlich, insbesondere für Reviere, in denen das Trockenfallen keine Rolle spielt. Ein weiterer Vorteil: Mit den zwei Kielen liegt das Boot sehr stabil im Wasser und neigt weniger zum Schaukeln, was vor allem beim Ankern von Vorteil ist. Als Alternative dazu bietet RM Yachts für die RM 1080 die Ausführung mit Festkiel und Bleibombe an. In dieser Variante wird das Boot stets mit zwei Ruderblättern ausgestattet und ist rund 400 Kilogramm leichter. Für einen starken Verbund zwischen Kielen und Sperrholzrumpf setzt RM bei allen Booten auf einen robusten Rahmen aus galvanisiertem Stahl.
Für den Test mit der YACHT bietet die große Bucht von Marseille in Südfrankreich ideale Bedingungen: ablandiger Wind mit acht bis zehn Knoten und entsprechend moderaten Wellen. Hart am Wind mit Genua schafft die RM 1080 problemlos 6,1 Knoten Speed und segelt dabei mit einem Winkel von 40 bis 45 Grad zum wahren Wind eine ordentliche Höhe. Unter Gennaker und ab einem Windeinfallswinkel von 90 Grad kommt die Konstruktion aus dem Hause Marc Lombard Yacht Design leicht auf knapp acht Knoten Geschwindigkeit. Das Leistungspotenzial ist für ein Fahrtenboot mit sportlichem Anspruch schon recht beachtlich.
Am Wind zeigt die RM 1080 mit den zwei Ruderblättern ausgewogene Segeleigenschaften. Der Ruderdruck bleibt aber minimal, und das Boot reagiert unverzüglich und recht dynamisch auf die Be-wegungen am Steuer. Unter Gennaker verhält sich das Boot sogar leicht leegierig, was etwas unangenehm sein kann. Wer mit maximaler Leistung segeln möchte, muss also sehr aufmerksam steuern. Ein Vergleich der Polardiagramme zeigt, dass das Boot mit Festkiel vor allem bei weniger Wind etwas schneller unterwegs sein sollte als der Kimmkieler. Das Delta liegt jedoch kaum höher als 0,3 Knoten.
Das gelbe Testboot, die Baunummer zwei der laufenden Serie, ist mit einem Rigg aus Kohlefaser ausgestattet, was für eine hohe Stabilität bei gleichzeitig geringem Gewicht sorgt. Alle Wanten bestehen zudem aus einem innovativen Dyneema-Konstrukt und bringen zusammen gerade mal sieben Kilogramm auf die Waage. In Kombination mit dem Upgrade bei der Garderobe dürfte sich dies positiv auf die Segelleistungen auswirken. Wegen der großen Panoramascheibe im Kajütaufbau vor dem Mast ist eine Selbstwendefock jedoch nicht möglich. Für längere Fahrten auf See kann das Boot dafür optional mit einer Stagfock und zusätzlichen Backstagen ausgestattet werden. Die erforderlichen Beschläge an Deck sind bereits im Standard enthalten.
Für das Layout der Trimmfunktionen und für die Führung der Leinen setzt RM weiterhin auf markentypische Gewohnheiten. Heißt : Fallen und Trimmleinen sowie die Großschot laufen über den Kajütaufbau zurück auf die beiden Winschen am Niedergang. Für die Schoten von Genua und Gennaker stehen zurückversetzt und etwas tiefer nochmals zwei Winschen zur Verfügung. Sie sind auf separaten Podesten montiert und dort in guter Höhe im Stehen effizient zu bedienen. Die 40er-Fallenwinschen sind allerdings etwas zu klein, um den hohen Lasten beizukommen.
Mit einer kleinen Besatzung von zwei oder drei Personen funktioniert diese Anordnung sehr gut. Der Steuermann arbeitet jedoch isoliert in seinem Bereich hinter dem Rad und kann außer dem Traveller und dem Achterstag keine anderen Funktionen erreichen. Das Boot ist damit nicht mehr einhandtauglich. Deshalb gehört auch der Autopilot zwingend zur Grundausstattung, ist aber nur optional als Teil des Elektronikpakets erhältlich. Die Steuerung arbeitet übrigens wie vielfach üblich mit nur einem durchgehenden Seil zu den beiden Ruderblättern und ist nicht redundant. Da der Autopilot direkt auf die Quadranten wirkt, könnte er bei einem Ausfall die Steuerung übernehmen. Dies bietet zusätzliche Sicherheit.
Unter Deck fällt die nüchterne, ja fast schon klinisch wirkende Inneneinrichtung ins Auge. Wem es hier vermeintlich an Holz fehlt, der liegt falsch. Auch innen ist die RM 1080 komplett mit Sperrholz ausgebaut. Die Oberflächen werden aber lackiert und sind makellos. Dabei hat der Kunde ebenfalls freie Farbwahl in Kombination mit den Varianten für die Polsterungen sowie die Bodenbretter. Optisch ist so eine große Menge Individualität geboten. Auch das Kajütdach ist mit einer Innenschale aus Sperrholz verkleidet. Die Paneele sind mit Abstand zum GFK-Deck montiert und sorgen so für gute Ventilation und Isolation.
Die offene, helle Gestaltung des Testschiffes wirkt sehr angenehm und wohnlich und schafft ein fast mediterranes Ambiente. Zudem überrascht das Interieur mit ungewöhnlich viel Lichteinfall durch die großen Fensterbänder in Aufbau und Rumpf und vor allem durch ein Panoramafenster, durch das man auch von innen und im Stehen nach vorne spähen und dazu sogar den Stand der Genua kontrollieren kann. Bei schlechtem Wetter ließe sich das Boot von innen mit einer Fernbedienung für den Autopiloten steuern.
Für den Ausbau sieht die Werft nur eine Version ohne Alternativen vor. Die Eigner schlafen recht gemütlich im Vorschiff. Wegen des kurzen Kajütaufbaus beträgt die Stehhöhe vor dem Hauptschott aber gerade einmal 1,67 Meter. Und beim Durchgang vom Salon ins Vorschiff ist der Türrahmen lediglich 1,48 Meter hoch. Hier muss man den Kopf einziehen, um schadlos durchzukommen. Das ist gewöhnungsbedürftig.
Hinzu kommt, dass die Koje im Vorschiff mit 1,40 Meter Breite im Schulterbereich für zwei Personen eher knapp bemessen ist. Die Werft verschenkt hier Kojenfläche zugunsten offener, flacher Ablagen, die ohnehin nur eingeschränkt nutzbar sind. Auch in der Achterkabine auf der Backbordseite ist das Bett nur 1,40 Meter breit.
Steuerbords ist hinten ein offener Stau- und Technikraum ausgewiesen. Segler, die viel auf dem Boot wohnen und längere Schläge planen, werden dieses Angebot zu schätzen wissen, weil hier fast alles gestaut werden kann, auch größere Dinge. Zudem lässt sich der Raum als begehbare Werkstatt nutzen.
Die große Backskiste ist allerdings nur von innen durch die Nasszelle erreichbar, aber leider nicht auch direkt aus dem Cockpit, um sperriges Gut wie zum Beispiel die zusätzlichen Segel zu verstauen. Der Grund: Die Werft möchte den Technikbereich unbedingt trocken halten und gleichzeitig das Risiko für einen Wassereinbruch auf hoher See ausschließen.
Mit der neuen RM 1080 bereichern die Franzosen die beliebte Klasse um elf Meter Rumpflänge wieder um einen weiteren spannenden Wettbewerber und bieten sich als zwar exotische, aber umso attraktivere Alternative an. Das Boot liefert viel für einen fairen und wettbewerbsfähigen Preis. Und es kann sich zudem durch die seltene und qualitative Bauweise von der Konkurrenz absetzen. RM Yachts bietet deshalb jene Individualität, die sich viele Kunden wünschen. Und darüber hinaus könnten für viele Interessenten die Argumente bezüglich Nachhaltigkeit und Ökologie im Yachtbau eine Rolle spielen.
Stand 12/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, lesen Sie hier!
Attraktiver Performance-Cruiser mit einem Rumpf aus Sperrholz. Das individuelle Konzept begeistert, die Segeleigenschaften im Test ebenfalls. Obendrein stimmt der Preis.
Rumpf aus Sperrholz
Großzügige Duchten
Wenig Platz für Steuermann
Großes Potenzial
Hohe Formstabilität
Funktionierendes Layout
Keine Einhandtauglichkeit
Stilvolle Gestaltung unter Deck
Viele und große Fenster
Unnötig schmale Koje vorn
Guter Ausstattungsstandard
Varianz für die Kiele
Rumpf Sperrholz (Okoumé) als Multi-Knickspant mit Epoxy-Überzug außen und innen. Das Deck ist eine GFK-Sandwich-Konstruktion, gebaut mit Vakuum-Infusion.
Einbaudiesel Volvo Penta D1-30 mit Saildrive-Antrieb und Zweiflügel-Festpropeller. Optional ist ein ausfahrbares Bugstrahlruder erhältlich (Aufpreis 14.270 Euro).
Mast und Großbaum aus Aluminium von Hersteller Z-Spars mit Drahtwanten (1:19). Optional ist ein Kutterstag mit Backstagen möglich. Der Aufpreis für ein Rigg aus Kohlefaser mit Dyform-Wanten liegt bei 26.850 Euro. Ein Satz Dacron-Segel (Groß und Genua) gehört zum Lieferumfang.
RM Yachts, F-17185 Périgny (Frankreich), www.rm-yachts.com
Blue Yachting, Bremen, www.blue-yachting.de
Bei Performance-Cruisern zählt der gute Kompromiss. Eine Auswahl der sehr abwechslungsreichen Konkurrenz.
Der Wettbewerber vom Branchenführer, gebaut bei Seascape. Die Konstruktion kommt von Sam Manuard und zeigt im Test eine starke Leistung, besonders auf raumen Kursen.
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