Michael Good
· 01.06.2023
Die Pogo 36 aus Frankreich kombiniert Elemente aus dem Hochsee-Rennsport mit den Ansprüchen von Touren- und Familienseglern. Der Test
Ganz klare Sache: eine reinrassige Rennmaschine. Sieht man allein schon an den vielen Bändern an Deck. Und am breiten Hinterteil. Und an den zwei Pinnen. Wahrscheinlich einer der Racer für die Vendée Globe. Etwas kleiner vielleicht, eher eine Class 40? Im Hafen des malerischen Städtchens Sainte-Marine in der Bretagne rätselt eine Gruppe von Einheimischen über das, was da vor ihnen am Steg liegt. Einig sind sich die vermeintlichen Experten nicht. Nur darüber: Es muss wohl ein ziemlich abgedrehtes Teil sein.
Dabei steht des Rätsels Lösung gut sichtbar auf dem breiten Heck: Pogo 36. Charly Fernbach, Produktmanager bei Pogo Structures, klärt die wissbegierige Gruppe auf: Das Gefährt sei eben gar kein Racer, sondern ein sportliches, schnelles Tourenboot modernster Prägung – ein sogenannter Fast-Cruiser, also noch sportlicher als ein Performance-Cruiser.
Auch wenn einstweilen vieles und insbesondere die Optik dafür sprechen: Die Pogo-Leute distanzieren sich ganz entschieden vom Vergleich ihrer Boote mit der Gattung der hochgezüchteten Hochsee-Rennyachten. Die Typen aus der Cruising-Linie von Pogo sollen vielmehr als leistungsstarke Allrounder auftreten, als Spaßmacher gleichermaßen wie auch als gutmütige Tourenschiffe für die Familie. Boote, die alles können, nur nicht langsam segeln.
Die Pogo 36 kommt als Nachfolgemodell der Pogo 10.50 aus dem Jahr 2009. Die generelle DNA bleibt unverändert. Auch die 10.50 war zu ihrer Zeit ein außergewöhnliches, radikales Schiff. Das hat sich mit dem Nachfolger nicht geändert.
Die Konstruktion von Finot/Conq ist mit einer Ausladung von 4,00 Metern nochmals 10 Zentimeter breiter als das Vorgängermodell, der Rumpf aber auch rund 30 Zentimeter länger. Mit einem Streckungsverhältnis von 2,7 ist die Pogo 36 im Vergleich breiter als die meisten Schiffe dieser Größe.
Alle Teile des Schiffs werden in der bretonischen Werft gebaut, sämtliche GFK-Komponenten zudem im aufwändigen, aber gewichtsparenden Vakuum-Infusionsverfahren mit Schaumkern. In ihrer segelfertigen Ausstattung bringt die Pogo 36 gerade mal 3,8 Tonnen Gewicht auf die Waage. Die Boote der vergleichbaren Konkurrenz in dieser Längenklasse sind meist mindestens eine Tonne schwerer.
Bei Pogo werden auch die Ruderblätter gebaut sowie die Kiele. 90 Prozent der Kunden entscheiden sich für die Option Schwenkkiel; nur eines von zehn Schiffen wird mit Festkiel ausgeliefert, was der Standard wäre, auch für die 36er. Der Schwenkkiel wird hydraulisch bedient. Das Schiff lässt sich zum Trockenfallen darauf abstellen; die Ruder sind dafür allerdings zu schwach. Achtern braucht es im Tidengewässer zusätzliche Wattstützen.
Die Bauweise der Kiele ist gehoben und selten. Die Kielfinne hat nämlich weder einen Gusseisenkern noch eine Hülle aus Edelstahl oder Kohlefaser, sondern besteht zu 100 Prozent aus einem massiven GFK-Verbund. Gebaut wird das mächtige Profil ebenfalls im Vakuum-Infusionsverfahren. Wie das genau abläuft, will die Werft nicht verraten. Sicher ist nur, dass sie das Verfahren exklusiv anwendet; kein anderer Hersteller macht das so oder ähnlich. Das Resultat ist ein relativ leichter Kielschaft (Schwenkkiel und Festkiel) mit einem ungemein effizienten, weil tief wirkenden Ballastanteil in Form von Blei.
Durch die schiere Breite der Pogo 36 achtern und dank der radikalen Spantform mit den ausgeprägten Chines sowie dem flachen Unterwasserschiff verfügt die französische Ausnahmeerscheinung zudem über eine außergewöhnliche Formstabilität. Im Test zeigt sich, dass sich die Neue mit ihrem leistungsstarken Rigg zur Seite legt und den Druck ab einer gewissen Lage in Fahrt umsetzen kann statt in Krängung. Beim Kreuzen am Wind kommt der Prototyp mit Schwenkkiel nach den Wenden sehr schnell wieder auf seine Leistungs-Sollwerte. 6,4 Knoten segelt die Pogo 36 hart am Wind, der mit rund 10 Knoten Geschwindigkeit bläst.
Das Schiff ist aber kein übermäßig guter Kreuzer. Die Wendewinkel liegen bei 90 Grad, das ist viel für ein leistungsorientiertes Boot dieser Ausrichtung. Und Höhe kneifen wird mit sofortigem Leistungsabfall bestraft. Außerdem neigt die Pogo 36 dazu, mit ihrer sehr voluminösen Bugpartie und dem flachen Unterwasserschiff hart in die Wellen einzusetzen. Sie mag es mehr, wenn man sie richtig laufen lässt, also eher etwas zu tief als zu hoch steuert – die Paradedisziplin des breiten Gleiters sind die raumen Kurse. Und damit dies dann auch richtig Spaß macht, sind zusätzliche Segel wie etwa ein rollbarer Code Zero oder ein Gennaker fast unverzichtbar.
Auch hat der Käufer die Wahl zwischen zwei verschiedenen Riggvarianten. Standard ist der klassische Aluminiummast mit zwei Salingen. Daran wird ein herkömmlich geschnittenes, oben also nicht ausgestelltes Großsegel gesetzt. Dafür erhält der Mast ein Achterstag. Die sportliche Alternative ist der Kohlefasermast wie auf dem Testboot. Das sehr steife Profil von Axxon Composites kommt mit nur einer Salingspreize aus. Das Großsegel ist dafür im Topp quadratisch ausgestellt, womit allerdings ein herkömmliches Achterstag nicht zu realisieren ist. Mit der Großschotführung ganz achtern am Baum, dem langen Traveller auf dem Cockpitboden sowie dem kräftigen Baumniederholer können erfahrene Segler das fehlende Achterstag aber ein Stück weit kompensieren.
Sehr gut funktionieren die beiden Pinnen. Der Steuermann sitzt bequem auf den Duchten und hat den Lenker direkt vor sich. Er kann auch ohne Pinnenausleger und damit kontrolliertert steuern.
Als Spezialität sind auf der Pogo 36 sämtliche Fallen, Schoten und Trimmleinen seitlich an den Niedergang auf nicht weniger als 20 Fallenstopper geführt. Zwei große Winschen auf jeder Seite sorgen dafür, dass man am Niedergang gut und mit Übersicht arbeiten kann.
Allerdings sind die Schoten für Großsegel und Genua vom Steuermann aus seiner Position an der Pinne nicht direkt erreichbar. Er muss seinen Platz verlassen, um die Segel zu trimmen. Das ist in dem Fall nicht tragisch, weil die Pogo mit ihren zwei Ruderblättern auch ohne aktiven Steuermann ihren Kurs hält. Der fast nicht vorhandene Ruderdruck verlangt zwar beim Lenken nach Aufmerksamkeit, schont aber die Stromreserven beim Betrieb mit dem Autopiloten.
Wer will, könnte sich auch doppelte Steuerräder einbauen lassen. Die Werft bietet dies gegen einen entsprechenden Aufpreis an.
Ultimativer Leichtbau bestimmt auch den Ausbau unter Deck. Statt Türen sind nur Vorhänge aus Stoff vorgesehen, genauso für die Abdeckungen der Stauräume. Innen dominiert das blanke Weiß der Komposit-Strukturen. Die Optik ist einfach, nüchtern und aufgeräumt. Schiffige Gemütlichkeit findet man nicht vor.
Dafür überzeugt das Boot mit seiner durchdachten Funktionalität, vor allem in den Bereichen Pantry und Navigation. Hier arbeitet man im Hafen und auch auf See gut und sicher, und es gibt eine ganze Menge Stauraum, der vernünftig nutzbar ist.
Die Pogo 36 kommt mit zwei großzügigen Doppelkabinen achtern. Zwei Personen können dazu im Vorschiff schlafen und bei Bedarf nochmals jemand auf der Sofakoje steuerbords. Natürlich sind alle Kojen schon ab Werft mit Leesegeln ausgestattet. Die Nasszelle mit Toilette, Waschbecken und Duschoption ist jetzt ebenfalls im Vorschiff untergebracht. Auf dem Vorgängermodell Pogo 10.50 war das Bad hinten eingebaut, dafür gab es keine zweite Achterkabine.
Der Ausbau der Neuen erscheint auf den ersten Blick eher schmucklos, ist aber qualitativ trotzdem sehr schön gemacht. Die Oberflächen sind so gut wie perfekt. Aus Gewichtsgründen wurde auf Innenschalen verzichtet, dafür werden die Rümpfe und Decks innen akkurat gespachtelt und geschliffen – ein aufwändiges Verfahren.
Die neue Pogo 36 kostet ab Werft 240.140 Euro. Damit man damit tatsächlich loskommt, muss noch mindestens ein Satz Amwind-Segel erstanden werden. Im Vergleich ist dies aber immer noch ein gutes und faires Angebot. Das Schiff ist nicht nur sauber gebaut, sondern ab Werft sehr hochwertig und reichhaltig ausgestattet.
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 01/2017 und wurde für diese Online-Version bearbeitet.
Sehr konsequent gebauter Performance-Cruiser aus Frankreich mit hohem Leistungspotenzial. Die Pogo 36 ist zwar kompromisslos auf Leichtbau gebürstet, allerdings nicht zwingend nur für Regattazwecke. Preislich attraktiv