Fridtjof Gunkel
· 30.03.2023
Wie Hanseyachts mit der Dehler 38 SQ eine Nachfolgerin für ihren erfolgreichsten Performance-Cruiser konzipierte und mit vielen kleinen Details ein neues großes Ganzes schuf.
In diesem Artikel:
Gutes verbessern? Oder lieber gleich Neues schaffen? Bei Dehler haben sie sich für das erste Verfahren entschieden: Das dienstälteste wie meistverkaufte Modell wurde 2021 vielversprechend überarbeitet. Die Dehler 38 datiert auf das Jahr 2013 und war damals nach der Übernahme der Werft aus dem Sauerland durch die Hanseyachts AG das erste in Greifswald komplett entwickelte und gebaute Boot. „Das wird eine Hanse im Dehler-Look!“ und „Wie soll vom selben Band plötzlich ein höherwertiges Boot laufen?“, unkten Stimmen aus der eingeschworenen Dehler-Gemeinde damals. Sie wurden eines Besseren belehrt, und das im Wortsinn.
Die Dehler 38 war aus dem Stand erfolgreich. Sie verkaufte sich nicht nur prächtig, sondern gewann prestigeträchtige Jurypreise. 2014 gleich mit dem Titel „Europas Yacht des Jahres“ die Toptrophäe überhaupt und im selben Jahr mit der Wahl zum „Voilier de l’Année“ durch „Voile Magazine“ ausgerechnet in Frankreich, wo es nicht-französische Produkte mit der Akzeptanz zuweilen nicht leicht hatten. Sportlich sackte das Boot durch die Dehler 38 Competition „Sporthotel“ des damaligen Projektleiters Karl „Kalle“ Dehler Achtungserfolge ein. Dieser hatte nach einen Umweg über die Wohnmobilbranche die Werft seines Vaters übernommen.
In der Folge verkaufte sich die Judel/Vrolijk-Konstruktion rund 350-mal. Mit der Dehler 46, der 42 und der 34 platzierte die Werft gelungene Derivate im Markt. Es folgte die Dehler 30 One Design für kleine Crews mit großem sportlichen Anspruch und gar Ambitionen auf die neue olympische Klasse Mixed Double Offshore. Das Werftteam um den Produktmanager Segelyachten Andreas Unger (Kalle Dehler war inzwischen in die beratende Selbstständigkeit ausgeschieden) vollzog einen anderen Weg.
Der fast schon zeitlos anmutende Rumpf ohne Chines und Fasen sowie die gefällige Decksform mit dem lang gestreckten, keilförmigen Aufbau blieb, das Boot wurde 2021 für das Upgrade versportlicht, verbessert und verjüngt. Nominell hat die Werft dies mit dem Kürzel SQ gekennzeichnet, es steht für „Speed and Quality“ – ein Kunstgriff, dessen sich Dehler bereits in früheren Zeiten bedient hatte. Die YACHT bat die Dehler 38 SQ damals zum Test.
Augenfälligstes Merkmal der SQ ist das Fathead oder auch Squaretop genannte Großsegel. Die durch eine Diagonallatte ermöglichte große Ausstellung des Toppbereichs bringt eine zusätzliche Fläche von fünf Quadratmetern und eine höhere aerodynamische Effizienz. Die Kehrseite: Das oben breite Segel macht doppelte fliegende Achterstagen nötig. Die sind im Grunde so aufwändig zu bedienen wie Backstagen, die in den achtziger Jahren sinnvollerweise selbst auf sportlichen Fahrtenyachten eliminiert worden waren. Denn: In Wenden und Halsen muss das Stag im neuen Luv durchgesetzt und das in Lee gelockert werden, was mehr Handgriffe erfordert – und Starkwind- Halsen zu durchaus hochinteressanten Manövern werden lässt.
Aber: Auf der Dehler 38 SQ gelang es, das System so zu entschärfen, dass die Achterstagen nur zum Trimm nötig sind, nicht für die Funktionalität oder gar Stabilität des Riggs. Dafür wurden die Püttinge um 25 Zentimeter weiter nach achtern gesetzt und der Salingswinkel von 23 auf 27 Grad vergrößert. Andreas Unger: „Die Kräfte teilen sich so auf, dass die Backstagen wirklich nur als Trimmwerkzeug dienen und der Mast auch ohne sie stehen bleibt, man aber trotzdem noch den Großbaum weit genug aufbekommt. Das war die Herausforderung.“
Das Boot ist aber weiterhin auch mit einem konventionellen Pinhead-Großsegel mit 43 Quadratmetern zu haben – oder aber mit einem Carbonrigg, dessen Großsegel 49 Quadratmeter misst. Etwa die Hälfte der bisherigen SQ-Kunden entschied sich für die moderne Variante.
Laut ORC-Vermessung bringt diese Maßnahme im Schnitt einen Geschwindigkeitsvorteil von 28 Sekunden pro Seemeile gegenüber dem konventionellen Großsegel. Immerhin. Und das Auge segelt mit, der Eigner kann sich an einem modernen Look erfreuen.
Die Achterstagen der Fathead-Version werden mit 1:2-Taljen bedient, die ganz hinten an Deck angeschlagen sind. Die Vorläufer sind durch Hebelklemmen und sogenannte Flip-Flop-Blöcke geführt, die verschiedene Austrittswinkel und damit die Bedienung sowohl auf der Großschot- als auch auf der Genuawinsch ermöglichen. Das funktioniert hervorragend, wie sich beim YACHT-Test mit einem Vorführboot des Händlers Yachtzentrum Damp herausstellte.
Lediglich für den Betriebszustand raumschots mit Gennaker gibt es noch Verbesserungsbedarf, weil der Hebel der Klemme mit dem belasteten Umlenkblock der Gennakerschot kollidiert. Die Werft arbeitet daran. Jedenfalls baut die Bedienung der Achterstagen keine großen Hürden auf, sie dienen als wirkungsvolle Trimminstrumente für das Großsegel und helfen, den Durchhang des Vorstags zu reduzieren.
Das Boot überzeugt generell, wie schon die konventionelle Dehler 38. Die Leistung lässt sich gut abrufen, das Boot steuert sich direkt und angenehm, die Werte stimmen, alles fein. Angenehmer Ruderdruck stellt sich schon unter rund 10 Knoten wahrem Wind ein, das passt.
Änderungen im Deckslayout gab es abgesehen von Achterstag-relevanten Modifikationen keine – und sie waren auch nicht nötig. Das Boot lässt sich perfekt bedienen, auch einhand. Die Fockschot wird dazu bei abgeklemmter Großschot auf die leeseitige Schotwinsch des German Cupper System geführt. Kunden sollten lediglich darauf achten, die größeren optionalen 50er-Winschen für die Vorschot und 45er für die Großschot zu ordern. Das sind gut investierte 2300 Euro für eine einfachere Bedienung und dadurch mehr Segelspaß.
Dazu tragen am Rad auch die neuen Fußstützen bei. Dabei handelt es sich um rund 70 mal 40 Zentimeter große Flächen, die sich aus den Deckeln der Bodenbackskisten klappen lassen. Auf denen steht der Rudergänger bei Schräglage zwischen 15 und 20 Grad ermüdungsarm, und sitzend bieten die Schrägen ebenfalls guten Halt für die Füße. Schön: Im Hafen liegen die Flächen flush mit dem Deck – eine perfekte Lösung. Verbessert wurden auch die Badeleiter, der Stauraum im Cockpit und die Belüftung.
Ebenfalls augenfällig sind die Veränderungen unter Deck. Durch größere Rumpffenster und zwei zusätzliche Plexiglaskeile im Aufbau sowie neue Oberflächen geriet das Boot im Salon deutlich heller. Das Hauptschott und die Trennwand zur Nasszelle sind mit Skai-Material bespannt und dünnen Polsterungen mit Quernähten beschichtet, was dreidimensional und haptisch angenehm daherkommt und obendrein geräuschisolierend wirken dürfte.
Standard sind zwei Kabinen und eine große Backskiste an Backbord sowie kein Navigationstisch im Salon. Der ist als Option fest oder auch verschiebbar zu haben, wodurch eine kleine Dinette entstehen kann. Im Vorschiff sind zwei Kojenvarianten möglich. Die Schlafstatt wanderte etwas nach achtern zulasten zweier offener Nachttische, um darunter die Servicebatterien platzieren zu können, was für eine bessere Gewichtsverteilung ratsam erschien. Den verloren gegangenen Stauraum ersetzten die Planer durch einen kleinen Schrank am Fußende.
Neben verschiedenen Layouts stehen die drei Holzoberflächen Teak (zu sehen auf den Bildern in der Galerie), Eiche und Mahagoni zur Wahl, Kirsche wurde aus dem Programm gestrichen. Für den Fußboden kommen Akazie (wie auf den Bildern zu sehen), Walnuss und klassische Streifenoptik in Betracht. Ansonsten blieb Dehler beim bewährten Ausbau mit runden Formen und den vielen gut nutzbaren Oberschränken sowie dem mittlerweile mehrfach kopierten Raumbad, bei dem die Tür zur Nasszelle bei Bedarf auch das gesamte Bad separiert.
Viele Argumente sprechen für das Boot: das sehr gut funktionierende Deckslayout, die hervorragenden Steuereigenschaften, die Segelleistung, die hohe Stabilität, dazu die Wahlmöglichkeiten von Riggs, Großsegeln und Kielen sowie Innenraumlayouts; dies kombiniert mit großen Fahrtenboot-Tugenden wie Platz, Stauraum, sauberen Installationen und guter Ausstattung.
Obendrein erhält der Kunde dieses gelungene Paket zu einem sehr attraktiven Preis. Versteuert ab Werft ist es ab knapp 200000 Euro zu haben, 50000 Euro unter dem nächstteuren, direkt vergleichbaren Boot. Andere Konkurrentinnen nach Größe, Konzept und Ausrichtung kosten schnell über 100000 Euro mehr. Hinzu kommt: Es gibt nur eine kleine Konkurrenz. Die Elan E5 ist noch am ehesten vergleichbar. Die J 122E ist etwas kürzer und reduzierter ausgebaut, die Arcona 385 und die X 4.0 spielen preislich in komplett anderen Sphären.
Das waren alles schon Gründe für den Erfolg der Dehler 38, und die bleiben verstärkt bestehen für die Dehler 38 SQ. Diese demonstriert eindrucksvoll, wie sich ein gutes, bewährtes und erfolgreiches Produkt mit vielen kleinen intelligenten Maßnahmen verbessern und modernisieren lässt.
Windgeschwindigkeit: 7–11 kn (3–4 Bft), Wellenhöhe: glattes Wasser
* mit Gennaker
Der mit Fathead-Groß und tiefem Kiel gerechnete Wert liegt relativ hoch
1: Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V).
Gemessen in Marschfahrt (80 % der Höchstdrehzahl): 6,3 kn, 2600 min -1
Gut verkaufte und gelungene Weiterentwicklung der erfolgreichen Dehler 38 mit sinnvollen Modifikationen, die auf mehr Effizienz, Komfort und Optik zielen. Gut segelndes, einfach bedienbares, ausgewogenes und variantenreiches Boot zum fairen Preis.
Vakuuminjektionsverfahren. Sandwichlaminat mit Balsaholzkern/Vinylesterharz. Schotten anlaminiert. GFK-Bodengruppe. Deck-Rumpf-Verbindg. geklebt
(alle Preise Stand Q2/2021)
Grundpreis ab Werft 196 338 €
Motor, Groß und Fock, Schoten, Reling, Positionslaternen, Batterie, Kompass, Polster, Pantry/Kocher, Lenzpumpe, WC, E-Kühlfach, Fäkalientank mit Absaugung
Faltprop, Bugspriet, Springklampen,Teak-Cockpitboden, Ankerwinsch, AGM-Batterien (160 Ah), klappbare Fußstützen für den Steuermann
* wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!