Der Vorfall ereignete sich am vergangenen Samstag rund 25 Seemeilen südlich von Lissabon nahe der portugiesischen Küste. Arnt Remy Åvik-Langstrand, 48, und Glenn Benelex Larsen, 42, beobachteten von Bord ihrer „Levante“ zunächst eine Gruppe Delphine. "Dann aber sahen wir, wie sich von der anderen Seite größere Flossen näherten. Es dauerte dann nur noch wenige Sekunden, bis unser Boot das erste Mal gerammt wurde“, berichtet Larsen dem norwegischen Nachrichtenportal VG. In diesem Moment sei ihnen klar geworden, dass sie von einer Orcagruppe angegriffen wurden.
"Das Boot wurde kurz darauf von den Tieren um 90 Grad herumgeworfen. Das war der Zeitpunkt, in dem wir entschieden, einen Notruf abzusetzen", wird Larsen von VG zitiert. Das größte Exemplar der Gruppe schätzt er auf etwa fünf bis sechs Meter Länge. „Die Orcas rammten aber nicht nur unser Boot. Sie begannen auch, das Ruder zu zerbeißen.“
Ein in der Nähe passierender Frachter eilte den Seglern zunächst zu Hilfe, dessen Besatzung musste aber nicht eingreifen. Das Schiff blieb lediglich in der Nähe, bis die Küstenwache bei der inzwischen manövrierunfähigen „Levante“ eintraf. Sie brachte die beiden Norweger und ihr Schiff in den Hafen von Sesimbra westlich von Setubal.
Laut dem jüngsten Bericht der Organisation GT Orca Atlántica (GTOA) gab es zwischen 2020 und Ende August 2024 insgesamt 824 dokumentierte Begegnungen von Schwertwalen und Yachten, und zwar in der Straße von Gibraltar, im westlichen Mittelmeer, vor der Küste Portugals, der Nordküste Spaniens und der Westküste Frankreichs. Berichte, wonach Orcas Segelboote aktiv attackieren – Wissenschaftler und Tierschützer sprechen in diesem Zusammenhang neutral von Interaktionen -, hatte es vor 2020 noch nicht gegeben.
In etwa 20 Prozent der Fälle wurden die betroffenen Boote schwer beschädigt, einige sanken sogar. Meist mussten die Crews Hilfe rufen, um gerettet zu werden.
Bislang fehlt es immer noch an gesicherten Erkenntnissen, weshalb es die vor der iberischen Küste lebende Orca-Population auf Segelboote abgesehen hat. Die Erklärungsversuche reichen von Neugier über Spieltrieb bis hin zu Racheakten. Die meisten seriösen Forscher gehen allerdings davon aus, dass die Orcas zumindest nicht in aggressiver Absicht handeln.
"Ich glaube, man schreibt ihnen ein bisschen zu viel menschliche Denkweise zu", sagt etwa der Orca-Experte Martin Biuw gegenüber dem Nachrichtenportal VG. Biuw glaubt vielmehr, dass es sich bei Orcas um soziale Tiere handelt, die viel spielen. "Vielleicht üben sie auf diese Weise etwas, indem sie den Angriff auf größere Beutetiere oder Ähnliches trainieren. Aber das ist wirklich nur Spekulation", fügt er hinzu.
Orcas, die oft fast zehn Meter lang und manchmal über sechs Tonnen schwer sind, sind die größte Art in der Familie der Delfine. Es gibt sie in vielen Seegebieten rund um den Globus. Es sind Raubtiere, die in Gruppen jagen. Zu ihrer Nahrung zählen Thunfisch, Hering, Robben, Pinguine und Seevögel, sie greifen aber auch Haie, Delfine und andere Wale an.
Für Åvik-Langstrand und Larsen ist die geplante Heimreise mit ihrer “Levante” nach Norwegen nun erst einmal in weite Ferne gerückt. Zunächst müssen sie die Schäden am Schiff erfassen und dann reparieren lassen. Larsen ist dankbar für die erhaltene Hilfe seitens der portugiesischen Behörden und froh, dass sein Mitsegler und er die Havarie unbeschadet überstanden haben. Gegenüber VG sagte er: "Für uns ist das Ganze zum Glück glimpflich ausgegangen."