HavarieTödliches Drama auf der Förde

Pascal Schürmann

 · 24.02.2023

Havarie: Tödliches Drama auf der FördeFoto: BSU/BSH
Die Position der “Speedy Go” zum Zeitpunkt des Überbordgehens des Skippers

Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) hat einen Zwischenbericht veröffentlicht. Darin geht es um einen sehr schweren Seeunfall mit Todesfolge, der sich letztes Jahr auf der Flensburger Förde ereignet hat

Der Bericht legt in erschreckender Weise dar, wie schwierig es ist, einen über Bord gegangenen Mitsegler zurück aufs Schiff zu holen. Und das, obwohl es im vorliegenden Fall der Person gelungen war, ans Heck der Yacht zu gelangen. Selbst ein zum Verunglückten ins Wasser gestiegenes Crewmitglied konnte letztlich nicht erfolgreich zu dessen Rettung beitragen.

Das tragische Unglück ereignete sich ausgerechnet auf einer Ausbildungsyacht eines renommierten Segelausbildungs-, Törn- und Überführungsanbieters, die im April 2022 zu einem Schwerwetter-Trainingstörn ausgelaufen war. Etwas über eine Stunde nach Ablegen aus dem Flensburger Hafen stürzte der Skipper infolge eines missglückten Halsenmanövers in Höhe des Vorschiffs über Bord.

Eine falsche Bewegung zur falschen Zeit, schon ist es passiert

Dort hatte er sich aufgehalten, um die Fockschoten zu klarieren, die sich während des Manövers unter einem Beschlag verklemmt hatten. Als ihm dies gemeinsam mit einem Mitsegler gelungen war, richtete er sich offenbar just in dem Moment auf, als wieder Druck ins Vorsegel kam und sich das Schiff auf die Seite legte. Der Skipper fiel über die Reling ins Wasser.

Er war weder angeleint, noch trug er im Gegensatz zum Rest der Crew eine Rettungsweste. Die hatte er offenbar abgelegt, als er sich zuvor unter Deck begeben hatte. Beim Auslaufen hatte er die Crew eigens angewiesen, die Westen anzulegen, und dies auch selbst getan.

Zum Unglückszeitpunkt wehte es mit 5 bis 6 Beaufort aus west- bis nordwestlichen Richtungen, in Böen mit 7 bis 8 Beaufort. Das Schiff segelte mit etwa 7 Knoten Geschwindigkeit. Die Wassertemperatur betrug zirka fünf Grad Celsius.

Die an Bord der “Speedy Go” vorhandenen Rettungsmittel, dokumentiert von der BSUFoto: BSU
Die an Bord der “Speedy Go” vorhandenen Rettungsmittel, dokumentiert von der BSU

Laut der Schilderungen im BSU-Bericht leitete die Crew unverzüglich Rettungsmaßnahmen ein: Der Motor wurde gestartet, das Vorsegel eingeholt, ein Rettungskragen an einer Schwimmleine dem Verunglückten zugeworfen. Der konnte den Kragen und die Leine greifen und wurde von den Seglern ans Heck der Yacht gezogen.

Was taugen nicht fest am Heck installierte Badeleitern im Notfall?

Auf die Anweisung des Skippers hin wurde die Badeleiter montiert. Doch es gelang ihm nicht, aus eigener Kraft die Stufen zu erklimmen. Ob er entkräftet war oder sich beim Sturz über Bord verletzt hatte, lässt der BSU-Bericht unbeantwortet.

Die Crew setzte daraufhin einen Notruf ab und schoss Rot. Zudem stieg ein Mitsegler ins Wasser, um dem Skipper zu helfen, die Badeleiter zu erklimmen. Da sich seine Rettungsweste aufblies, war er in seiner Bewegungsfreiheit allerdings stark eingeschränkt. Zudem erwies sich die Konstruktion der nur lose eingesteckten, nicht fest montierten Leiter als extrem wackelig. Sie musste von einem Mitsegler permanent festgehalten werden.

Die am Heck eingehängte Badeleiter der “Speedy Go”. Die Konstruktion ist Gegenstand der BSU-UntersuchungFoto: BSU
Die am Heck eingehängte Badeleiter der “Speedy Go”. Die Konstruktion ist Gegenstand der BSU-Untersuchung

Im Zuge des Versuchs, den Skipper mit Hilfe einer Leine die Leiter hinaufzuziehen, löste sich diese aus ihrer Halterung und ging über Bord. Der Skipper und der ins Wasser gestiegene Mitsegler trieben sofort vom Schiff weg und auseinander.

Der Crew gelang es, den Mitsegler rasch zu erreichen, und dieser konnte auch mit Hilfe einer Leine an Bord klettern. Er kam mit einer Unterkühlung davon. Der Skipper wurde kurz darauf von einem Rettungshubschrauber gesichtet und aus dem Wasser geborgen. Sofort eingeleitete Reanimationsmaßnahmen blieben jedoch erfolglos, er überlebte das Unglück nicht.

Warum gelang es nicht, den Skipper zurück aufs Schiff zu bekommen? Nur eine von vielen Fragen, die noch geklärt werden müssen

Was genau Ursache des Überbordgehens war und wie es hätte verhindert werden können, aber auch, warum es der Crew nicht gelungen war, ihren Skipper übers Heck zurück an Bord zu bekommen, wird die BSU in den kommenden Wochen abschließend untersuchen und dann in einem finalen Bericht veröffentlichen. Darin werden sich die Experten sicherlich auch eingehend der Frage widmen, ob eine lose eingesteckte Badeleiter geeignet ist, von einer erschöpften Person bestiegen zu werden. Oder ob nicht andere Bergungssysteme in einem solchen oder ähnlichen Fall vorzuziehen wären.

Was der Bericht zweifellos jetzt schon klarmacht: Jede Crew sollte sich stets um ihre Sicherheit Gedanken machen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Insbesondere sollte man immer wieder kritisch prüfen, ob es angeraten ist, Rettungsweste und Lifebelt anzulegen und sich beim Verlassen des Cockpits mit der Lifeline einzupicken.

Ferner ist es ratsam, regelmäßig Mann-über-Bord-Manöver zu trainieren und insbesondere auch die Bergung eines im Zweifel sogar bewusstlosen Mitseglers aus dem Wasser zu üben.


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