„Vielen Dank für Ihre Nachricht, die ich aktuell nicht beantworten kann, da ich mich auf einer ausgedehnten Segelreise befinde. Ich melde mich nach meiner Rückkehr bei Ihnen!“ Wer würde diese oder eine ähnliche Nachricht nicht gern mal auf die Mailbox sprechen, den Computer ausschalten und – segeln gehen?
Wie es funktioniert, Job und Karriere für eine Weile gegen Cockpit und Kartentisch zu tauschen, machen jedes Jahr zahllose Segler vor. Antje und Ingo Paulus etwa drehten während ihrer Auszeit 14 Monate lang eine Runde um den Nordatlantik und sammelten dabei Appetit auf eine noch größere Reise (YACHT 13/2022.) Alexander Arnold und Mandy Entken arbeiteten in einem Unternehmen, in dem Sabbaticals zur Normalität gehören, und nutzten ihre Zeit an Bord, um sich als Segel-Vlogger auszuprobieren (YACHT 13/2021).
Nicht wenige Berufstätige gehen auf einen längeren Törn, um dabei Inspiration für Neues zu sammeln, sich vielleicht sogar beruflich umzuorientieren. Für Matthias und Luisa Werb aber war ihre zweijährige Pause vom Job ein reines Segelabenteuer. „Wir waren nicht auf einem Selbstfindungstrip. Es war eine Erkundungs- und Erlebnisreise“, sagt Matthias Werb rückblickend über die Weltumsegelung des Paares. Und auch die Hamburgerin Ebru Yaral zeigt, was möglich ist: Dank des Sabbatical-Modells ihres Arbeitgebers segelt die 43-Jährige derzeit beim Ocean Globe Race als Mitglied einer internationalen Crew um die Welt. Sogar Kap Hoorn hat sie schon im Kielwasser.
Aber ist das viel zitierte „Einfach machen“ wirklich so einfach? Was sollte man beachten, wenn man eine mehrmonatige oder mehrjährige Segelauszeit plant und zuvor so viel mehr zu erledigen ist als vor dem jährlichen Sommertörn?
Vorausgesetzt, dass die Crew segeln kann und ein Boot besitzt, stellt sich zunächst die Frage nach dem Auszeit-Modell. Wie viel Zeit soll für den großen Törn zur Verfügung stehen – und woher kommt sie? Studierende und frischgebackene Eltern haben es verhältnismäßig leicht. Sie können die Zeit zwischen dem Hochschulabschluss und dem ersten Job oder ihre Elternzeit nutzen. Selbstständige können versuchen, Aufträge um die Auszeit herum zu platzieren oder sich in der Firma vertreten zu lassen, wie das Beispiel von Uwe und Anke Müntz zeigt (siehe Buchtipp „Blaugemacht“.
Arbeitnehmer aber sollten mit reichlich Vorlauf mit dem Chef klären, wie sich die längere Abwesenheit realisieren lässt – ob über ein Arbeitszeitkonto, ein Teilzeitmodell oder unbezahlten Urlaub. Als Notnagel bleibt schließlich die Kündigung oder die Zeit zwischen altem und neuem Job bei einem ohnehin geplanten Wechsel. Auf die verschiedenen Modelle geht die Autorin Andrea Oder in ihrem Buch „Sabbatical – Verwirklichen Sie Ihren Traum vom Ausstieg auf Zeit“ ein und gibt Beispiele aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst. Sie thematisiert auch die Frage, wann man das Projekt am besten angeht. „Planen Sie zur Vorbereitung genauso viel Zeit ein, wie Ihre Auszeit dauern soll, und verdoppeln Sie diese Zeit dann“, rät sie. „So lange dauert es erfahrungsgemäß von der Idee bis zur Umsetzung. Bei einem sechsmonatigen Sabbatical sollten Sie also mit circa zwölf Monaten Vorbereitung rechnen.“
Die benötigte Planungszeit ist allerdings meist sehr individuell und unter anderem davon abhängig, wie man die Auszeit gestaltet: Wird die eigene Wohnung möbliert untervermietet, ist dieser Punkt auf der To-do-Liste schneller abgehakt, als wenn alles ausgeräumt und eingelagert wird. Und natürlich hängt die Vorbereitungszeit ganz entscheidend davon ab, in welchem Zustand das Boot ist.
Wie lange die Auszeit überhaupt dauern soll – oder kann –, bestimmen vor allem zwei Faktoren: Welche Route steht auf dem Törnplan, und wie lange braucht man für sie? Und was erlaubt die Bordkasse? Ein Segel-Sabbatical ist die Gelegenheit schlechthin, einen Törn in die Tat umzusetzen, von dem man schon lange träumt – sei es in die Bretagne und zurück oder eine Ostseerunde. Die Möglichkeiten und Variationen vielfältig.
Bei aller Euphorie sollte man die Route nicht zu ambitioniert planen und vor allem festlegen, welchen Zweck die Segelauszeit erfüllen soll. Geht es darum, Meilen zu machen und neue Menschen und Kulturen kennenzulernen, wie bei Matthias und Luisa Werb? Oder steht im Mittelpunkt, zu entschleunigen, die Seele baumeln zu lassen und tagelang an einem Ankerplatz der Sonne beim Untergehen zuzuschauen? Abgewogen werden sollte auch, ob es eine gute Idee ist, Besuch an vorher festgelegten Orten und Terminen an Bord zu empfangen oder ob feste Verabredungen unterwegs nicht doch eher stressen. „Egal ob Sie ein Jahr zur Verfügung haben oder weniger. In ein Sabbatical passen nie alle Wünsche und Ziele hinein“, schreibt Sabbatical-Coach Andrea Oder zum Thema Pläne schmieden. „Für ein Sabbatical gilt in besonderem Maß der Satz: Weniger ist meistens mehr.“
Vorab sollte man daher auch überlegen, welches Reisetempo durchgehalten werden kann. Wie viele Meilen packt die Crew pro Tag oder Woche über einen längeren Zeitraum? Einkalkuliert werden müssen immer Verzögerungen durch Reparaturen oder Schlechtwetter. 25 Meilen im Schnitt pro Tag klingen erst einmal wenig. Doch schon nach zwei Nächten am selben Ort stehen am darauffolgenden Tag 50 Seemeilen, bei drei Nächten 75 Seemeilen an.
Natürlich ist es auch möglich, ohne festen Plan loszusegeln. Auch das ist spannend und verlockend. Nur beraubt man sich dabei selbst der Vorfreude, die entsteht, wenn man sich vor der Abfahrt beim Sichten von Revierführern und Seekarten in das geplante Revier träumt. Fest steht, dass ein dreimonatiges Segel-Sabbatical zwischen Kiel und Kopenhagen genauso schön werden kann wie eine ganze Weltumsegelung. Erlaubt ist schließlich, was gefällt – und was die Bordkasse hergibt! Doch was kostet der Spaß?
Langfahrtsegler auf Weltreise kalkulieren meist mit etwa 1.500 bis 2.500 Euro pro Monat. Nach oben sind nur die eigenen Grenzen gesetzt. Sparsame Crews kommen mit weniger aus. Das Leben an Bord ist wie an Land eine Frage des gewohnten Lebensstandards, der eigenen Wünsche und Vorstellungen. Möchte ich jeden Abend im Hafen liegen, essen gehen und an Land alles unternehmen, was das Ziel hergibt? Oder reicht ein Hafen alle paar Tage, sonst wird geankert? Kocht die Crew selbst und nutzt beim Sightseeing nur günstige Angebote? Allein mit diesen drei Maßnahmen sind schnell 1.000 Euro und mehr pro Monat gespart. All das hängt sicherlich stark vom Revier und den dortigen Möglichkeiten ab.
Was bereits im Vorfeld genau kalkuliert werden kann, sind die monatlichen Fixkosten: Krankenversicherung, Bootsversicherung und weitere private Versicherungen sind meist ein großer Posten. Eine Möglichkeit, das Reisebudget aufzustocken, ergibt sich beim Haus oder der Wohnung in der Heimat: Steht das eigene Zuhause einfach leer, laufen die Kosten weiter. Wird gekündigt oder untervermietet, sind Hunderte Euro pro Monat gespart – dafür wächst aber der Aufwand rund um Untervermietung oder Auszug.
Wie die Routen- und Finanzplanung sind viele weitere Aspekte bei der Vorbereitung sehr individuell. Generelle Tipps zeigt die folgende Checkliste. Einige nützliche Anleitungen finden sich auch auf der Webseite von Trans-Ocean in der Rubrik „Fernweh“ unter dem Stichwort „Lossegler-Tipps“. Wichtig auch: Mit alten Hasen sprechen, die das Experiment bereits gewagt haben. Das hilft dabei, sich nicht zu verzetteln, nicht zu perfektionistisch zu werden und dennoch systematisch zu planen. Schließlich ist schon die Vorbereitung ein Teil des Abenteuers und darf genossen werden!
Wann also geht es endlich los? Den perfekten Zeitpunkt für ein Segel-Sabbatical zu finden ist sicher nicht ganz einfach. Doch vielleicht ist es klug, dabei vorzugehen wie beim Reffen – und mit den Vorbereitungen zu beginnen, sobald man zum ersten Mal daran denkt.
Luisa und Matthias Werb aus Bamberg haben im Job pausiert, um von 2021 bis 2023 zwei Jahre lang um die Welt zu segeln. Im Gespräch berichten die 30-jährige Bauingenieurin und der 35-jährige Elektroingenieur von der Umsetzung ihrer Segelauszeit.
Matthias Werb: Wir haben unsere Arbeitgeber rechtzeitig informiert und mit über einem Jahr Vorlaufzeit gekündigt. Uns war wichtig, mit offenen Karten zu spielen. Wir haben beide eine Wiedereinstellungszusage bekommen. Das hat uns entspannt, und das Thema „Lücke im Lebenslauf“ ist gar nicht erst aufgekommen. Luisa Werb: Es war ein gutes Gefühl, im Guten zu gehen!
Matthias: Angefangen zu träumen haben wir im Sommer 2018. Zu Weihnachten gab es das Buch von Jimmy Cornell „Segelrouten der Welt“. Luisa: Die Spinnerei wurde schnell ausgeweitet auf: „Wir können ja mal schauen, was für Boote es gäbe ...“ Matthias: Da war alles noch ein Spleen. Im Herbst 2019 haben wir das Schiff gekauft. Von da an wurde es wirklich konkret.
Matthias: Eigentlich hat sich alles sehr entspannt angefühlt. Das lag auch daran, dass wir keinen Refit am Boot machen mussten, sondern es nur für die Reise etwas aufgerüstet wurde. Für uns war daher das Thema Behörden und Kommunikation am aufwändigsten: Wie läuft das mit der Post? Wie bleiben wir erreichbar? Was kostet Mobilfunk während der Reise? Wie funktioniert das Leben unterwegs überhaupt?
Luisa: Wir haben zur Miete gewohnt. Plan A war Untervermietung, aber das hat nicht geklappt. Also haben wir die Wohnung aufgelöst, unsere Sachen eingelagert, aber auch vieles verkauft. Das war vor allem für mich etwas Arbeit.
Matthias: Vielleicht hätten wir unsere „Sea Pearl“ vorher etwas mehr segeln sollen, bevor es losging. Dann hätten wir sicher noch die ein oder andere Kleinigkeit am Boot vor der Abfahrt entdeckt. Aber das war am Ende nicht so schlimm.
Matthias: Wir hatten uns erst im Pazifik ernsthaft damit beschäftigt, was es bedeuten würde, das Boot dort zu verkaufen. Es hätte von der Saison her nicht gut zu unserem Zeitplan gepasst. Wir hätten quasi etwas unserer kostbaren Segelauszeit verschenkt. Als dann die Fahrt durch den Golf von Aden durch eine Herabsetzung der Piraterie-Risikostufe nicht mehr kategorisch verboten war, haben wir uns gesagt: „Versuchen wir doch einfach, bis zurück nach Hause zu segeln!“
Luisa: Absolut! Es waren zwar auch blöde Passagen dabei, und wir würden es nicht noch einmal in zwei Jahren machen! Aber es war auf jeden Fall cool, weil wir Ecken von der Erde gesehen haben, wo man als Tourist eigentlich nicht hinkommt.
Mehr zur Weltumsegelung der Werbs auf sailingseapearl.de, Instagram: @sailingseapearl