YACHT-Redaktion
· 07.02.2023
Jessica Watson wollte segeln – allein, ohne Eltern, ohne Begleitung. Kein Wochenendtörn, keine kleine Spazierfahrt in einer australischen Bucht. Sondern ein Törn um die Welt, ohne Landgang, nonstop. Mit gerade mal 16 Jahren erfüllte sie sich ihren Lebenstraum und umsegelte als damals jüngste Seglerin in nur sieben Monaten die Welt
13 Jahre nach ihrer Rückkehr wurde die außergewöhnliche Geschichte von Jessica Watson verfilmt: True Spirit ist seit dem 3. Februar auf der Streaming-Plattform Netflix zu sehen. Passend zum Filmstart ist nun auch eine neue Auflage ihres Reiseberichts im Delius Klasing Verlag erschienen. Zudem war sie im Podcast “Meilen und Zeilen” zu Gast, um auf ihre Abenteuer, aber auch auf die Filmproduktion zurückzublicken – denn zu erzählen gibt es einiges.
Zu ihrer Weltumsegelung gestartet ist Watson am 18. Oktober 2009 in Sydney, wo sie am 15. Mai 2010 wieder in den australischen Hafen einlief. In der Zwischenzeit hatte sie den Äquator gekreuzt, Weihnachten bei Point Nemo, dem am weitesten von jeglichem Land entfernten Punkt, verbracht und vier Kenterungen im Südatlantischen Ozean getrotzt. Sie verbrachte insgesamt 210 Tage allein auf dem Meer, passierte Kap Hoorn und das Kap der Guten Hoffnung.
In ihrem Buch erzählt sie mitreißend und erfrischend locker die beeindruckende Geschichte, von ihrem unbändigen Willen und den unermüdlichen Bestrebungen, ihren Traum zu verwirklichen, ihrer abenteuerlichen Reise und der Leidenschaft ihres Lebens, dem Segeln.
Im ersten Teil berichtet die junge Australierin davon, wie sie zum Segeln gekommen ist und davon, dass sie es nicht zuletzt der Unterstützung ihrer Eltern zu verdanken hat, dass sie ihre Träume verwirklichen konnte. Der Segelsport wurde nach und nach zur „Familienangelegenheit“, wie sie es beschreibt. In ihrer Kindheit und Jugend lebt Jessica Watson fünfeinhalb Jahre mit ihrer Familie auf einem Boot, sammelt während dieser Zeit viele Erfahrungen auf dem Wasser und übernimmt schon früh Verantwortung. Ihre Eltern lassen ihr viele Freiheiten – darunter auch die Solo-Weltumsegelung – und ernten dafür eine Menge Kritik aus der Öffentlichkeit. Aber es sind ihre Eltern und ihre ungewöhnliche Kindheit, die Jessica prägen und ihr vieles mit auf den Weg geben: die Liebe zum Reisen, den Hang zum Abenteuer, das Streben danach, die eigenen Träume zu verwirklichen und unkonventionelle Entscheidungen zu treffen, das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten.
Sie beginnt, von der Weltumsegelung zu träumen und alles über das Einhandsegeln zu lesen, was sie finden kann, beschäftigt sich intensiv mit Persönlichkeiten, denen eine Weltumsegelung bereits gelungen ist. Nach und nach verfestigt sich ihr Wunsch, es ihnen gleichzutun, und sie fängt an, Pläne zu schmieden. Mit gerade einmal zwölf Jahren spricht sie mit ihren Eltern über ihr Vorhaben. Schon damals glaubt Jessica an sich und daran, dass sie es schaffen kann.
Irgendwann auf meinem Weg habe ich gelernt, dass man teilhaben muss, seine Leidenschaften verfolgen und den Mut zu wirklich großen Träumen haben muss, um das Leben wirklich zu leben. Ich weiß nicht, wann das war.“
Es handelte sich jedoch keineswegs nur um eine spontane Idee oder jugendlichen Leichtsinn: Bis zum Beginn ihrer Reise vergehen viele Jahre der Vorbereitung, in denen sie sich umfassend mit ihrem Ziel auseinandersetzt und in denen sie auch viele Hürden überwinden muss, um diesem Schritt für Schritt näherzukommen.
Obwohl sie lange Zeit noch zu jung für den Erwerb eines Bootsführerscheins ist, sammelt sie als inoffizielle Skipperin Erfahrungen auf vielen Hochseetörns – nicht ohne die Unterstützung einiger Wegbegleiter, die sie von ihrer Leidenschaft und ihren Fähigkeiten überzeugen kann.
Für mich bestand der schwerste Teil dieses Abenteuers darin, die Leute immer wieder überzeugen zu müssen, mich ernst zu nehmen.“
Jessica Watson erzählt davon, wie sie ihr erstes Boot bekommen hat, wie schwierig die Suche nach Sponsoren gewesen ist und wie es war, dem Druck der Öffentlichkeit und der medialen Kritik standzuhalten. Zu ihrem 16. Geburtstag bekommt sie schließlich ihren lang ersehnten Schein und darf damit endlich allein segeln.
Der zweite und umfangreichste Teil des Buches widmet sich der großen Reise der jungen Frau, die sie während der ganzen Zeit in Blogbeiträgen dokumentiert und diese auch in das Buch eingebaut hat. Sie geben ihre Erlebnisse besonders authentisch und lückenlos wieder, sind von ihr während des Schreibprozesses aber auch weiter ausgeführt und um Ereignisse ergänzt worden, über die sie während ihrer Zeit auf See noch nicht zu sprechen bereit war.
Die Herausforderung ist groß: Sie segelt allein, braucht genügend Wasser und Nahrungsmittel an Bord, muss alle notwendigen Reparaturen an Bord selbst durchführen und allein mit den Wetterbedingungen klarkommen. Eine umfangreiche technische Kommunikationsausrüstung ermöglicht es ihr, in Kontakt mit dem Rest der Welt zu bleiben.
Jessica Watson beschreibt ihren Alltag an Bord, in dem alltägliche Dinge wie Körperpflege oder Schlafen plötzlich zur großen Sache werden. Das einfache Leben auf See und die Freiheit erfüllen sie und machen sie glücklich, denn hier zählt immer nur der Augenblick. Sie ist den Launen des Wetters ausgesetzt, berichtet von Stürmen und Flauten, Monsterwellen und Kenterungen, aber nichts davon kann sie aufhalten.
Als sie schließlich – drei Tage vor ihrem 17. Geburtstag – im Hafen von Sydney einläuft und nach sieben Monaten wieder festen Boden unter den Füßen hat, wird sie von ihrer Familie, Freunden und dem frenetischen Jubel Tausender Menschen empfangen. Jessica Watson hat es geschafft und als damals jüngste Seglerin die Welt umsegelt. Ihre wichtigste Botschaft, die sie den versammelten Menschen nach ihrer Ankunft vermittelt, ist die, dass sie trotz ihres Erfolgs keine Heldin ist, sondern nur ein ganz normales Mädchen, das an seinen Traum geglaubt hat. Jessica Watsons Geschichte beweist, dass man mit Entschlossenheit und harter Arbeit alles erreichen kann.