BoatofficeSo geht Work, Life and Travel an Bord – Einhandseglerin Saskia Kaden im Interview

Ursula Meer

 · 11.11.2023

Saskia Kaden auf ihrer „Robulla“, die sie für den Törn gekauft und einem Refit unterzogen hat
Foto: Saskia Kaden
Work, Life and Travel – die Kölnerin Saskia Kaden macht vor, wie es geht. Sie lebt und arbeitet an Bord und kreuzt entlang der Küsten Europas. Dafür gab es nun einen Preis

Die 40-jährige Kaden ist Agile Coach, berät also andere, wie man in heutiger Zeit flexibel, mobil und effizient seinem Beruf nachgeht. Sie selbst arbeitet während der Sommermonate mittlerweile von Bord ihrer Contest 34 „Robulla“. Das Boot hat sie in den vergangenen Jahren refittet und einhand von den Niederlanden aus bis ins Mittelmeer gesegelt.

Dafür ist sie von der Kreuzer-Abteilung (KA) des Deutschen Segler-Verbands mit dem Gudrun-Calligaro-Preis bedacht worden, mit dem besondere Leistungen von Frauen im Fahrtensegeln gewürdigt werden. Wir sprachen mit der passionierten Soloskipperin über ihren seglerischen Werdegang und die Hürden, aber auch über den Reiz des Alleinsegelns.

YACHT: Frau Kaden, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung, die Sie vor Kurzem erhalten haben?

Saskia Kaden: Aus meiner Perspektive ist das, was ich mache, gar nichts Herausragendes mehr. Aber als im Rahmen der Preisverleihung fremde Menschen auf mich zukamen und mir sagten: „Das ist so krass, was du da machst“, da glaubte ich doch wieder, dass es das wohl tatsächlich ist.

Und, was ist denn so „krass“ an Ihrer Reise?

Ich habe spät mit dem Segeln begonnen. Ich segle einhand als Frau. Und ich arbeite Vollzeit von Bord aus. Das ist jeweils für sich genommen nichts Besonderes. Doch in dieser Kombination ist es vielleicht eher selten anzutreffen.

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Für ihren Törn bis nach Portugal erhielt Saskia Kaden den Preis der KA. Danach segelte sie Kurs MittelmeerFoto: YACHTFür ihren Törn bis nach Portugal erhielt Saskia Kaden den Preis der KA. Danach segelte sie Kurs Mittelmeer

Gut, fangen wir mit dem Segeln an: Wie kamen Sie dazu?

Mein Vater starb 2015. Das war der erste Anlass für mich, mein Leben und meine Prioritäten neu zu sortieren. Ich habe damals einen mittlerweile sehr guten Freund kennengelernt, der mir vom Segeln erzählt hat. Er arbeitet im Winter viel und macht dafür im Sommer lange Törns. Das hörte sich für mich nach einer guten Möglichkeit an, Arbeit und eine Freizeitbeschäftigung miteinander zu verbinden. Ich wollte nicht bis zur Rente warten, um etwas zu erleben. Das Problem: Ich hatte bis auf zwei kleine Törns während meiner Kindheit überhaupt keine Segelerfahrung.

Das hat Sie von Ihrem Vorhaben, Ihr Leben umzukrempeln, aber nicht abgehalten, richtig?

Ja, richtig. Ich begann 2016 mit Segelstunden auf dem Unterbacher See. Als dann ein Jahr später meine Mutter starb, war das noch mehr Ansporn für mich, diesen für mich neuen Weg weiterzugehen. Ich war anfangs aber wohl auch übermütig.

Übermütig? Wodurch zeichnete sich das aus?

Mit dem frisch erworbenen Binnenschein habe ich mich schon für recht schlau gehalten. Ich bin dann aber Hand gegen Koje mitgesegelt und habe bei der Überführung einer Yacht von Warnemünde nach Lelystad geholfen. Dabei konnte ich viel lernen – auch, dass in Bezug auf mein Segelkönnen noch reichlich Luft nach oben war. Nach dem Sportküstenschifferschein, den ich 2017 machte, fühlte ich mich aber sicher genug, mir mehr zuzutrauen. So habe ich 2018 eine betagte Neptun 22, die in einem kaum mehr als schwimmfähigen Zustand war, übers IJsselmeer und hinüber nach Texel gesegelt. Im Nachhinein betrachtet war das wohl arg gewagt.

Einige Menschen äußerten Bedenken – vornehmlich Männer, die mich nicht gut kannten.”

Und wie haben Sie dann so rasch so gut segeln gelernt, dass Sie Ihre eigene Yacht über Ärmelkanal und Biskaya ins Mittelmeer segeln konnten?

Wer segeln lernen möchte, hört ja gern mal den Spruch, man solle einfach machen. Das ist auch richtig. Aber für mich ist entscheidender zu wissen, wie weit man zu weit gehen darf. Ich habe gelernt, meine Komfortzone immer wieder zu verlassen und meine Kompetenzen auf diese Weise Stück für Stück zu erweitern. Die Hand-gegen-Koje-Törns waren gut dafür, aber mit einem eigenen Boot geht das noch viel besser. Auch, wenn mir manche zunächst abgeraten haben.

Weshalb?

Meine Freunde waren sich einig, dass ich ein eigenes Boot brauche. Andere hingegen äußerten Bedenken – vornehmlich Männer, die mich nicht gut kannten. Das begann mit der Frage, ob ich ein Boot überhaupt allein unterhalten kann, finanziell und technisch. Ich solle doch erst mal mit einer Jolle anfangen, hörte ich, und warum es mit der Contest 34 gleich ein so großes Boot sein müsse, mit Stehhöhe und zwei Kabinen. Das sind so typische Fragen und Ansichten, die man als Frau zu hören bekommt. Dabei hatte ich mich bewusst für dieses Boot entschieden

Kadens Wahl fiel auf eine Contest 34. Sie wollte kein schnelles, sondern ein robustes SchiffFoto: Saskia KadenKadens Wahl fiel auf eine Contest 34. Sie wollte kein schnelles, sondern ein robustes Schiff

Aus welchem Grund? Was ist das Besondere an der Contest?

Sie ist enorm stabil. Die Erfahrungen vieler Langfahrer haben gezeigt, dass der Bootstyp alles wegstecken kann. Außerdem hatte ich mich unter Deck in den Schubladenschrank verliebt und auch in die gemütliche Achterkabine.

Wie weit darf ich zu weit gehen, um meine Komfortzone zu verlassen, Grenzen auszuloten und Neues zu lernen?”

Und wie sind Sie der Kritik an Ihrem Vorhaben begegnet?

Kritik weckt in mir den Ehrgeiz zu beweisen, dass ich es kann. Das mache ich auch unterwegs. Für mich sind zwei Boote eine Regatta, da entwickle ich sportlichen Ehrgeiz. Deshalb segle ich mein Boot auch relativ gut, glaube ich.

Und zwar einhand. Sind Sie gern allein unterwegs?

Grundsätzlich ja. Ich habe die Jolle bereits während der Segelscheinausbildung einhand gesegelt, weil ich keine Lust und Zeit hatte, mir einen Segelpartner zu suchen. Beruflich habe ich viel mit Menschen zu tun. Ich bin aber eher introvertiert, und der Umgang mit Menschen nimmt mir Energie. Ich brauche also meine Phasen des Alleinseins und komme auch allein mit mir klar – eine wichtige Voraussetzung für das Einhandsegeln. Sehr hilfreich ist zudem, Vertrauen in sich selbst zu haben. Ich spiele auch immer verschiedene Szenarien im Geiste durch und segle nie mit nur einer Option los, sondern habe immer einen Plan B und C. Und ich bin ja auch gar nicht wirklich allein unterwegs. Ich habe viele gute Berater, mit denen ich mich austausche.

Spätestens auf See ist dann aber ja doch niemand da.

Richtig, das erfordert manchen Kompromiss. Wenn man allein ist, gibt es keine parallelen, sondern nur serielle Abläufe. Das bedeutet, dass man priorisieren muss. Man muss eine Sache fallen lassen, um eine andere zu fassen, oder sich bewusst werden, dass an einer Stelle gerade etwas kaputtgeht, man sich aber nicht darum kümmern kann, weil dann an anderer Stelle noch viel mehr kaputtgehen kann.

Kommen Sie beim Einhandsegeln manchmal an Grenzen?

Durchaus, ja. Ich glaube zwar, dass ich mein Boot mittlerweile ganz souverän beherrsche. Nur beim Anlegen bin ich immer noch nervös. Aber die Biskaya-Überquerung war keine schöne Erfahrung: Ich bin aufgeregt losgefahren, mir wurde mulmig, und ich konnte nichts essen. Damit war ich in der Abwärtsspirale zur Seekrankheit – zum ersten Mal in meinem Leben. Zwei Tage hielt das an. Umkehren war ab einem gewissen Punkt keine Option mehr. Mir ging es erst besser, als ich Land in Sicht hatte. Das wäre definitiv einfacher gewesen, wenn ich nicht allein unterwegs gewesen wäre. Andererseits habe ich allergrößtes Vertrauen in die „Robulla“. Das Boot kann alles; die Schwachstelle bin ich. Das zu wissen hilft ungemein.

Delphine leisten ihr ausgangs des Ärmelkanals Gesellschaft. Danach biegt sie ab in die BiskayaFoto: Saskia KadenDelphine leisten ihr ausgangs des Ärmelkanals Gesellschaft. Danach biegt sie ab in die Biskaya

Wie haben Sie denn eigentlich Ihre Langfahrt vorbereitet?

Recht einfach, weil ich trotz aller Planungen eher spontan losfahren konnte. Ich habe die „Robulla“ 2019 gekauft und wollte sie bis 2022 refitten. Zu meinem 40. Geburtstag wollte ich ein Sabbatical einreichen und die klassische Karibikrunde machen. Als dann aber mit der Corona-Pandemie die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten kam, war das meine Chance, neben dem Beruf zu segeln. Ich musste nicht auf das Sabbatical warten. Stattdessen bin ich schon 2021 nach Feierabend und an den Wochenenden Stück für Stück bis Cherbourg gesegelt, dann in drei Wochen Urlaub entspannt zurück.

Warum nach Frankreich?

Weil ich eines Morgens in Stavoren am IJsselmeer aufwachte und Lust auf ein echtes französisches Croissant hatte. Ich saß auf einem Boot – was lag also näher, als loszufahren? Das war ein guter Testtörn, von dem ich einige Ideen für Verbesserungen am Boot mitbrachte, die ich im Winterlager umgesetzt habe. Im Sommer 2022 bin ich dann zu meiner jetzigen Reise aufgebrochen, ganz leise, ohne große Abschiedsfeier.

Sie machen viel an Ihrem Boot in Eigenregie. Wo und wie haben Sie das gelernt?

Schon als Kind habe ich den Kindergarten bestreikt, weil ich lieber an der Werkbank mit den Jungs arbeiten wollte, als mit Puppen zu spielen. Im Ernst, dadurch, dass ich Hand gegen Koje nicht nur mitgefahren bin, sondern auch im Winterlager geholfen habe, habe ich viel mitbekommen. Es mag streberhaft klingen, aber es hat mir auch sehr genutzt, die „Seemannschaft“ durchzuarbeiten.

Das Boot kann alles ab, ich vertraue ihm vollkommen. Es trägt mich überall hin. Die Schwachstelle bin ich!”

Da kommt man an jedem Thema einmal vorbei und erhält einen guten Überblick über das, was einen mit einem eigenen Boot erwartet. Englische Segler sagen zudem gern: „Alles an deinem Boot ist prinzipiell kaputt, die Frage ist nur, wann es sich bemerkbar macht.“ Meine Contest hat mir das im Sommer 2020 mit einem Mastbruch deutlich gezeigt. Ich lernte, dass ich überall sehr genau hinsehen muss. Auf meiner „Robulla“ habe ich unter anderem die Elektrik bewusst selbst neu gemacht; ich wollte wissen, wo welches Kabel langläuft. Nur beim Motor war ich pragmatisch, ich habe einen neuen einbauen lassen. Wenn jetzt unterwegs etwas kaputtgeht, nutze ich das Internet oder habe die passenden Bücher, falls ich mir selbst helfen muss. Mir macht es immer Spaß, am Boot zu arbeiten, weil ich am Ende des Tages sehe, was ich geschafft habe. Ganz anders also als beispielsweise in meinem Job.

Wie funktioniert denn das Arbeiten von Bord aus?

Technisch ist das sehr einfach: Ich habe einen kleinen 4G-Router für Internetempfang, den ich über einen Adapter an mein Bordnetz angeschlossen habe. Je nach Land kaufe ich dann für relativ wenig Geld unbegrenzten Internetzugang. Es gab nur drei Orte auf der bisherigen Reise, an denen das Mobilfunknetz nicht ausreichte, um eine Videokonferenz zu starten. Aber dann segelt man eben eine Bucht weiter. Auch im Hafen mache ich abends das, was andere Berufstätige tun: einkaufen, kochen, abwaschen und Netflix schauen.

Da Kaden häufiger ankert, ist das Dingi unverzichtbar. Sie nutzt es aber auch gern für AusflügeFoto: Saskia KadenDa Kaden häufiger ankert, ist das Dingi unverzichtbar. Sie nutzt es aber auch gern für Ausflüge

Und das klappt alles immer ganz reibungslos?

Im Grunde ja. Es dauert lediglich alles etwas länger, mit dem Dingi und zu Fuß in den nächsten Ort zu gelangen. Im Unterschied zu einer klassischen Langfahrt muss ich auch meine Törns nach meinem Arbeitsalltag ausrichten. Besonders herausfordernd war das im Ärmelkanal, als ich nicht nur Wind und Bürozeiten, sondern auch die Gezeiten einbeziehen musste. In der Freizeit zu segeln ist deutlich unkomplizierter. Zum Teil war es auch frustrierend: Ich hatte Meetings, während alle anderen Crews um mich herum losgefahren sind. Ich saß da und winkte ihnen hinterher. Man lernt ja viele Segler unterwegs kennen, und einige werden auch zu Freunden. Wenn die dann weitersegeln, während man selbst am Rechner sitzt, trennen sich die Wege; irgendwann holt man sie nicht mehr ein. Diese Abschiede sind schmerzhaft.

Was haben Sie nun weiter vor?

Im nächsten Sommer möchte ich die Küste Italiens absegeln und dann über Sizilien und Sardinien bis nach Korsika. Erfahrungsgemäß schaffe ich 1.500 Seemeilen in der Saison. Irgendwann mache ich vielleicht doch noch ein Sabbatical und segle in die Karibik. Momentan aber habe ich nicht das Bedürfnis, den Schlag über den Atlantik zu machen. In Europa ist es sehr schön. Es gibt hier viele Orte, an die ich noch einmal zurückkehren möchte.


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