Blauwasser-BlogAtlantikrunde auf neun Metern: drei Monate Karibik-Segeln

Kristina Müller

 · 30.03.2019

Blauwasser-Blog: Atlantikrunde auf neun Metern: drei Monate Karibik-SegelnFoto: Burke/Ahlhaus
Momente wie dieser machen den Törn der jungen Crew unvergesslich: Das Boot hängt am Anker, die Sonne versinkt hinter der Insel im Meer

Seit Wochen segelt die "Andiamo"-Crew von Insel zu Insel. Doch es wird Zeit, den Transatlantiktörn zurück nach Europa zu planen und die Zeit im Mini 6.50 danach

Im August 2018 sind Lennart Burke und Valentin "Vale" Ahlhaus, Freunde und Melges-24-Segler aus Stralsund, zu einer Atlantikrunde mit einer alten IW-31 aufgebrochen. Nach abenteuerlichen ersten Etappen bis Frankreich, einer Biskaya-Überquerung gegen die Zeit, Buchtenbummeln auf den Kanaren und Kapverden haben sie ihr Schiff für den großen Sprung vorbereitet und schließlich in 18 Tagen den Atlantik überquert. Nach der Atlantikrunde im Fahrtenseglermodus will Lennart Burke am Mini-Transat 2021 teilnehmen. Auf YACHT online berichtet er vom Weg dahin.

Wenn ich nicht erst 20 wäre und noch mein ganzes Leben vor mir hätte, würde ich sagen: Hier, in der Karibik, möchte ich alt werden. Zeit spielt keine Rolle, das Leben wird meist einfach gehalten, die Menschen sind offen und herzlich, und zu guter Letzt können wir uns voll und ganz dem Segeln entlang der karibischen Küsten widmen.
Wir haben sie gefunden, die grenzenlose Freiheit.

  Mit dem Dingi unterwegsFoto: Burke/Ahlhaus
Mit dem Dingi unterwegs

In den knapp zweieinhalb Monaten, die Vale und ich nun segelnd in der Ostkaribik verbracht haben, durften wir sie erleben und lieben lernen. Wir haben allerdings auch erkannt, was es heißt, wenig zu haben oder von dem zu leben, was das natürliche Umfeld einer Insel so bietet.

Inselhopping in der östlichen Karibik

Hier mit einem Segelboot unterwegs zu sein ist ein Privileg. Es bedeutet grenzenlose Freiheit. Entfernungen werden durch den konstant und kräftig wehenden Passat nahezu irrelevant. Die Temperaturen sinken so gut wie nie unter 25 Grad, und wenn es über 30 Grad geht, sorgt der Passatwind für eine wohltuende Klimatisierung. Sei es die Vegetation, die Kultur oder die unzähligen Ankerbuchten und Segelrouten – die Ostkaribik bietet eine unglaubliche Vielseitigkeit.

  Perfekte Bedingungen. unter Schmetterling von Insel zu Insel Foto: Burke/Ahlhaus
Perfekte Bedingungen. unter Schmetterling von Insel zu Insel 

So haben wir nun schon 15 Inseln anlaufen können: von Barbados über Grenada und Carriacou in die Grenadinen (Union Island, Tobago Cays, Bequia), von dort nach St. Vincent, anschließend drei kurze Aufenthalte auf St. Lucia, danach Martinique, Dominica, Guadeloupe, Antigua, Montserrat, Saint Martin und jetzt die Britischen Jungferninseln.

Auf allen Inseln erlebten wir Momente, die unvergesslich bleiben. Mal sind es Menschen, die wir getroffen haben, mal Wanderungen, die besonders herausfordernd waren, mal Ankerplätze, die nicht besser hätten sein können, mal Segelpassagen, die nervenaufreibend waren.

Im Blauwasser-Rhythmus: segeln, ankommen, ankern

Wenn ich drei Dinge nennen soll, die uns zur echten Gewohnheit geworden sind, dann sind es vor allem das Ankern, das Einklarieren und die Passagen zwischen den Inseln.

  Einsam vor Anker. Eine gewisse Zeit lang ist die "Andiamo" autark, schon der Vorbesitzer hatte die betagte Yacht für große Reisen ausgerüstetFoto: Burke/Ahlhaus
Einsam vor Anker. Eine gewisse Zeit lang ist die "Andiamo" autark, schon der Vorbesitzer hatte die betagte Yacht für große Reisen ausgerüstet

Ankern ist zwar schon Alltag, aber immer wieder spannend. Wir haben spürbar ein gutes Gefühl für die richtige Ankerstelle und die resultierenden Fragen entwickelt: Wo lassen wir den Anker auf Grund fallen? Wie viel Kette sollten wir geben, und in welchem Bereich bewegt sich anschließend das Schiff bzw. haben wir ausreichend Bewegungsfreiheit?

Das mit dem Schwoikreis ist manchmal so eine Sache. Denn wenn sie nicht gerade voll von Riffen, Felsen oder anderen Hindernissen sind, sind manche Ankerbuchten extrem überfüllt. Dann einen Platz mit "genügend" Freiraum, nicht zu großer Wassertiefe und möglichst in Landnähe zu finden ist manchmal wirklich schwierig oder mit Risiken verbunden.

  Was die Bordküche hergibt...Foto: Burke/Ahlhaus
Was die Bordküche hergibt...

Einklarieren wurde uns vor der Reise als sehr lästig, nervenaufreibend, zeitraubend und kostspielig beschrieben. Anfangs auf Barbados und Grenada war es das auch. Mit der Zeit ließen wir es aber zu einem Teil der Reise werden, und als wir das akzeptiert hatten, war es kaum noch lästig, sondern eher abenteuerlich. Zeit darf beim Einklarieren keine Rolle spielen und sich behaupten zu wollen oder Druck auf die Beamten ausüben ist ebenso fehl am Platz. Denn genau dann lassen sie sich extra viel Zeit. Oft vergnügen sie sich mit Witzen untereinander und wenn man dann im passenden Moment mitlacht – selbst wenn man gar nichts verstanden hat –, kommt das auch sehr gut an.

  Selten fällt die Temperatur unter 25 GradFoto: Burke/Ahlhaus
Selten fällt die Temperatur unter 25 Grad

Die Passagen zwischen den Inseln waren meistens sehr spannend. Von Grenada nach Carriacou rechneten wir beispielsweise für 20 Seemeilen mit zirka fünf Stunden Fahrt und etwa 20 bis 25 Knoten Wind aus östlicher Richtung. Doch am Ende wurden es 45 Seemeilen Kreuzkurs, zehn Stunden Segelzeit, ordentlich Strömung und bis zu 32 Knoten Wind.

Das war alles andere als gemütlich, eher nervig aufgrund der miserablen Wendewinkel und des schrecklich langsamen Speeds. Als es näher an die Insel ging und die Wellen kleiner wurden, waren wir dann auch noch die letzten, die sich draußen abmühten und versuchten, in die Tyrrel Bay von Carriacou zu kreuzen. Bei den letzten uns überholenden Schiffen erkannten wir aber, dass sie alle ihre Motoren mitlaufen ließen, und das sorgte natürlich für wesentlich mehr Geschwindigkeit und etwas mehr Höhe zum Wind.

  Lennart Burke an der Pinne der IW-31 "Andiamo"Foto: Burke/Ahlhaus
Lennart Burke an der Pinne der IW-31 "Andiamo"

Von Bequia nach St. Vincent hatten wir ebenso eine heftige Strömung, vor der wir schon im Voraus gewarnt wurden. Durch den ansteigenden Meeresgrund und die herrschende Strömung entstand zudem eine konfuse Welle, sodass wir uns wie beim Rodeo-Ritt auf dem Wasser fühlten. Einem sehr nassen Rodeo-Ritt...

Es gab aber auch traumhaft schöne Passagen, wie von St. Vincent nach St Lucia. Raumer Wind, 5 bis 6 Beaufort, Wellen surfen und ein Topspeed von 14 Knoten. Und manche Etappen versetzten uns zurück in den Rhythmus der Atlantiküberquerung, wie die von Antigua nach Montserrat: Schmetterling (Fock nach Luv ausgeräumt) segeln, kräftiger Passat und ein leichtes Rollen des Schiffes. Ein äußerst schönes und vertrautes Gefühl.

Kriminalität war oft ein Thema vor Beginn der Reise. Viele warnten uns, denn im Internet gab es eine Menge darüber zu lesen. Natürlich haben wir uns daraufhin auch Gedanken zum Thema Sicherheit gemacht, z.B. wie wir uns am besten im Boot bei Nacht einschließen können. Wir haben dafür sogar eine Vorrichtung gebaut, aber bis heute nie benutzt, denn wir fühlen uns hier einfach zu sicher, um uns freiwillig im Boot einzuschließen.

  LandausflugFoto: Burke/Ahlhaus
Landausflug

Einige Kleinigkeiten beachten wir dennoch. Wir schließen immer das Dingi an (inklusive Tank und Motor), wenn wir es nicht im Auge haben. Und immer, wenn wir das Boot verlassen – egal wie lange – verriegeln wir es. Sicherlich passiert hier und da mal etwas, man hört ja immer viel, aber das ist zuhause ja nicht anders. Zwei Meilen vor der Küste von St. Vincent ist einmal eine kleine Nussschale mit zwei Männern auf uns zugerast und da dachten wir, nun ist es soweit, jetzt werden wir überfallen, und das auch noch am helllichten Tag, während des Segelns.

Doch schließlich stellte sich heraus, dass es nur zwei Muringboys waren, die sich vorstellten, gefragt haben, wie es uns geht, wo wir denn hinwollen, ob wir irgendwo eine Muring brauchen und zu guter Letzt ob wir denn wenigstens Weed kaufen wollen. Wir haben alles abgelehnt, aber sie waren so nett und sympathisch, dass ich sie gerne auf ein Bier an Bord geholt hätte.

Zurück nach Europa: Transatlantik West nach Ost

Wie geht es nun weiter? Diese Frage beschäftigt uns momentan sehr und so langsam haben wir einen plausiblen Plan. Aufgrund unseres schon festgelegten Startzeitpunkts für die anstehende Atlantiküberquerung nach Europa haben wir uns dazu entschieden, die Bahamas und Turksinseln auszulassen. Dafür ist einfach keine Zeit mehr. Bermuda lassen wir ebenso aus, da wir wegen unseres frühen Abfahrttermins nicht soweit in den Norden segeln möchten, um häufiger auftretende starke Winde und eventuelle Kollisionen mit Eis zu vermeiden.

  Shoppingtour per Beiboot. Wo immer sich die Gelegenheit bietet, die Vorräte günstig aufzustocken, wird sie genutztFoto: Burke/Ahlhaus
Shoppingtour per Beiboot. Wo immer sich die Gelegenheit bietet, die Vorräte günstig aufzustocken, wird sie genutzt

Jetzt bleiben uns somit noch die BVI’s, in denen wir uns bis Anfang April aufhalten möchten, dann noch eine Woche St. Kitts and Nevis und anschließend wieder St. Martin. Dort wollen wir uns zwei bis drei Wochen lang auf die Atlantiküberquerung vorbereiten und auf passende Winde warten. Außerdem haben wir in Hinsicht auf Verproviantierung, Ersatzteile und Reparaturen günstige und überaus vielfältige Möglichkeiten auf St. Martin.

Ein rasender Winzling wartet

Die Planung für die Minitransat-Kampagne für 2021 läuft grandios. Da ich in der Karibik unterwegs bin, viel entdecke, reichlich segel und viel zu tun habe, um unsere "Andiamo" in Schuss zu halten, bin ich nur selten im Internet und kann momentan leider noch wenig zu den aktuellen Entwicklungen beitragen. Jedoch habe ich einem Team in Deutschland zu verdanken, dass wir schon weiter sind, als wir uns hätten vorstellen können.

Zum einen hat Trans-Ocean e.V. (TO) schon im letzten Monat eine Charterabsicht eines Mini 6.50, genauer Vector 6.50, unterschrieben, der nun bald vom Band läuft und Mitte April geliefert werden soll. Die Charter läuft bis Anfang 2020 und sollten wir mit der Performance glücklich werden, haben wir die Möglichkeit, das Boot anschließend auch zu kaufen.

  Der Vector 6.50, mit dem Lennart Burke 2021 bei der Einhand-Transatlantik-Regatta Minitransat starten will Foto: A. Deubel
Der Vector 6.50, mit dem Lennart Burke 2021 bei der Einhand-Transatlantik-Regatta Minitransat starten will 

So konnte Co-Skipper Maurice Oster schon für die ersten Regatten in diesem Jahr melden und wird voraussichtlich eine Menge Erfahrungen sammeln. Andreas Deubel, Mini-Transat-Teilnehmer 2017 und Begleiter des Projektes, kümmerte sich sehr engagiert um die passenden Segel. Die Segelnummer ist auch bekannt (GER 984), auf einen Bootsnamen haben wir uns geeinigt – aber der wird erst zur Taufe bekannt gegeben – und der TO bemüht sich um Sponsorensuche. Denn so gut wie das Projekt bisher auch läuft, die Vorbereitungen, Trainings, Regatten, Fahrtkosten, der Bootskauf – all das bringt hohe Kosten mit sich, und Partner werden weiterhin gesucht (hier gibt es weitere Informationen).

Nun gilt die Aufmerksamkeit in der Karibik aber erst einmal der Vorbereitung unserer alten "Andiamo" auf die nächste Atlantiküberquerung. Mehr dazu folgt im nächsten Beitrag, bevor wir wieder auslaufen.

Mehr Abenteuer: Einen Artikel über junge Langfahrtsegler, die wie Lennart Burke und Valentin Ahlhaus direkt nach dem Schulabschluss zum großen Törn aufgebrochen sind, lesen Sie auch im Blauwasser-Spezial in YACHT 6/2019, die online bestellt werden kann.