The Ocean Race990 Seemeilen bis Kap Hoorn – Boris Herrmann berichtet

Tatjana Pokorny

 · 24.03.2023

Das Porträt seines Skippers Boris Herrmann hat Malizias An-Bord-Reporter Antoine Auriol eingefangen
Foto: Antoine Auriol/Team Malizia/The Ocean Race

Im Ocean Race läuft der 27. Tag der Königsetappe. Die Flotte hat keine 1.000 Seemeilen mehr bis Kap Hoorn zu meistern. Die aktuellen Bedingungen “gehen durch Mark und Bein”, wie Boris Herrmann am Freitagabend von Bord berichtet. Er beschreibt, wie es den Crews in 25 bis 30 Knoten Wind und Böen von bis zu 40 Knoten geht. Mit Must-see-Video von Antoine Auriol!

Team Malizia hält Team Holcim weiter in Schach, Team Biotherm und das US-Team 11th Hour Racing folgen. So segelt die Ocean-Race-Flotte Kap Hoorn in harschen Bedingungen stoisch entgegen. Hier berichtet “Malizia – Seaexplorer” Boris Herrmann selbst vom Kampf mit der Konkurrenz und den Elementen beim 50. Breitengrad Süd.

Von Boris Herrmann, 24. März, 19.20 Uhr:

Ich sitze im Moment am Autopiloten und falle ab, wenn das Boot stark beschleunigt, und luve dann wieder an. Normalerweise übernehmen das die Subtileinstellungen des Piloten, aber jetzt im Moment geht es eher ums Grobe. Wir haben fünf, sechs Meter Seegang und 20 bis 35 Knoten böigen Wind. Wir sind mit kleinem Gennaker, Stagfock und zwei Reffs im Groß unterwegs. Es ist grau, recht kalt, man sieht den Atem vor dem Mund. Man kann sich schwer auf den Beinen halten. Das Boot macht Bocksprünge und schlägt unangenehm. Weil der Wind langsam nach rechts dreht, fahren wir so ein bisschen gegen die Welle.

Der Seegang kommt aggressiv von der Seite.

Wir könnten deutlich schneller segeln, wenn wir wollten. Wir versuchen, uns ungefähr der Geschwindigkeit von Holcim anzupassen und einfach das Boot so wenig wie möglich zu belasten. Mehr geht immer. Aber manchmal scheppert es ganz schön und schlägt auf den Wellen auf. Bei dem Seegang, der recht aggressiv von der Seite kommt, und den Böen. Jetzt habe ich gerade wieder so eine Böe mit 36 Knoten Wind. Da beschleunigt das Boot dann mehr, als wir wollen. Deswegen sind die Schoten auch recht gefiert. Alles Parameter, die man auch anders machen könnte.

Man könnte jetzt auch die Schoten dichtholen. Da würde man etwas höher am Wind segeln. Dann würde man durchaus durchschnittlich 25 Knoten schaffen. Wir versuchen, uns so auf 19, 20 Knoten einzupendeln. Es ist gar nicht so leicht, langsam zu fahren. Und konstant langsam. Sobald man abfällt und die Schoten fiert, fällt das Boot so ein bisschen runter, auch vom scheinbaren Wind, den es ja durch den eigenen Fahrtwind erzeugt. Dann fährt es manchmal nur zwölf, 15 Knoten und muss wieder neu beschleunigen. Wir erproben so ein bisschen, wie das Boot durch diesen Seegang zu steuern ist.

Die Grautöne haben wir nun alle kennengelernt”

Es sind jetzt noch etwa 990 Seemeilen bis Kap Hoorn. Wir erwarten spätestens in den nächsten zehn Stunden eine Halse. Vielleicht auch schon in vier Stunden. Dazu haben wir uns eine bestimmte wahre Windrichtung als Ziel gesetzt. Wie gesagt: Der Wind dreht im Moment rechts. Wir warten, dass er so weit rechts dreht, dass wir dann auf dem anderen Bug mit Wind von links günstig nach Osten, Ost-Nordosten, Richtung Südchile segeln können, um uns insgesamt weiter nach Osten entlang der Route zu hangeln und zu platzieren. Dort sind etwas weniger Seegang und Wind. Und da schaffen wir dann etwas bessere Durchschnittsgeschwindigkeiten.

Es ist relativ freudlos, auch wenn jetzt die beste Tageszeit mit dem hellsten Grauton ist. Die Grautöne haben wir nun alle gut kennengelernt. Wir hatten wenig Sonne. Gestern einmal kurz. Antoine hat sein Drohnen-Shooting perfekt zur Sonne getimt. Ansonsten ist alles Grau in Grau. Das Meer sieht imposant aus: die großen Roller, diese großen Dünungswellen, die anrollen. Albatrosse haben wir leider kaum gesehen. Das Rennen geht seinen Gang. Es heißt so ein bisschen: Arschbacken zusammenkneifen und durch. Das ist etwas freudlos. Man sieht es in den Mienen der Gesichter.

Wir erwarten noch eine Zunahme des Windes”

Rosie ist von dem Ganzen immer unbenommen. Bei Antoine kann man es ein bisschen an der Miene ablesen. Will geht recht stoisch seinen Gang. Ebenso Nico. Mir wird man auch nicht viel anmerken. Aber ich würde mir wünschen, dass man hier jetzt elegant auf einer schönen Südmeerwelle absurft – ohne dieses leidvolle Aufschlagen und Bolzen. Denn unser Schiff ist sehr steif. Das geht durch Mark und Bein. Und ich leide auch immer ein bisschen mit dem Schiff mit.

Sonst geht es uns gut. Wir erwarten noch eine Zunahme des Windes. Wie die Bedingungen genau aussehen werden, ist nicht so ganz klar. Werden wir wirklich richtig schwierigen Seegang bekommen oder nicht? Ich glaube, es bleibt im Bereich kommod. Wenn es uns zu viel wird, dann halsen wir weg nach Osten. So, jetzt kommt hier wieder eine fette Böe und es geht los. In diesem Sinne: Herzliche Grüße nach Deutschland. Tschüß!”


Spektakuläres Video von “Malizia” im Flug


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