Michael Rinck
· 31.03.2024
Wenn die Gischt fliegt oder es in Strömen regnet, helfen die Schichten der Funktionsbekleidung, trocken und warm zu bleiben. Auf der Haut schützt der Baselayer (Thermounterwäsche) in Kombination mit dem Midlayer gegen Kälte. Die äußerste wasserdichte Lage bestehend aus Hose und Jacke mit eng anliegenden Bündchen und Kapuze wirkt als letztes Bollwerk gegen schlechtes Wetter.
Die Hersteller haben aber auch hier unterschiedliche Kleidung für spezielle Anforderungen im Programm. Meist werden diese nach Revier abgestuft in Inshore, Coastal und Offshore. Inshore-Segelbekleidung (also für küstennahe und Binnenreviere) ist meist sehr reduziert, kommt eventuell sogar ohne Kapuze und mit dezentem Kragen. Offshore-Ölzeug für Ozeanpassagen bietet viel mehr Schutz vor den Elementen. Genau dazwischen liegt die Coastal-Variante. Sie offeriert genügend Schutz, ist aber meist noch recht leicht und rangiert auch preislich im Mittelfeld. Damit ist sie für Segler geeignet, die während der Saison auf Tagestörns unterwegs sind.
Die Preisspanne für Coastal-Ölzeug ist recht groß. Schon ab 500 Euro gibt es Jacke und Hose mit guter Funktionalität. Immer noch eine Menge Geld. Aber an der Funktionskleidung führt kein Weg vorbei. Selbst im Sommer kann es bei miesem Wetter schnell sehr kalt werden. Und der Schutz gegen Nässe ist letztlich eine vorbeugende Maßnahme gegen Unterkühlung. Die teure Klamotte ist also unerlässlich.
Im Test waren zehn Garnituren vertreten. Fast alle stammten von namhaften Herstellern aus dem Wassersportbereich. Einzige Ausnahme ist Patagonia mit dem Produkt Big Water Foul Weather. Eigentlich ein Offshore-Ölzeug, allerdings für tropische Reviere. Leider war die Hose nicht lieferbar. Ansonsten war von Gill das neue OS3 dabei, Helly Hansens Newport im Retro-Stil, Henri Lloyd mit seinem M-Pro 2.0, und Musto brachte sowohl das BR2 (vom Hersteller als Coastal-Kombi empfohlen) als auch das leichtere LPX mit. Neu zählte mit North Sails eine sehr renommierte Marke zu den Kandidaten, jetzt auch mit einer vollständigen Bekleidungs-Range.
Mit den Varianten Inshore Race und NSX Inshore waren zwei leichtere Kombis am Start. Außerdem vertreten war Typhoon, das Ölzeug, das die Eigenmarke von Plastimo ersetzt, in Deutschland von Bukh Bremen kommt und bei 12seemeilen.de gehandelt wird. Schließlich noch das CST500 der australischen Marke Zhik. Nicht im Test dabei waren etwa Compass, Crazy4Sailing und Seatec, weil es von diesen Herstellern seit dem vergangenen Test (YACHT 9/2020) keine Neuheiten gab. Das neue Ölzeug von Marinepool traf leider nicht rechtzeitig zum Test ein. Von Sailracing gibt es vielversprechende Teile, aber kein ausgewiesenes Coastal-Ölzeug. Die zehn Ölzeugsets im Test wurden in einem wiederholbaren Versuchsaufbau ausprobiert. Dafür ging es nicht an Bord, sondern unter anderem unter die Dusche, für simulierte Regenschauer.
An Bord, so die gängige Vorstellung, wären doch die realistischen Bedingungen, die Ergebnisse liefern sollten. Allerdings sind diese Resultate sehr stark vom herrschenden Wetter abhängig. Bei strahlendem Sonnenschein gibt es etwa überhaupt keine verwertbaren Ergebnisse. Außerdem könnte sich das Wetter im Lauf des Tages ändern, womit dann keine konstanten Testbedingungen für alle Produkte gegeben wären. Deswegen testen wir die Funktionsbekleidung in einem reproduzierbaren Versuchsaufbau.
Zu den wesentlichen Bestandteilen zählen eine Anprobe mit gleichbleibend wiederholten Bewegungsabläufen zur Ermittlung der Passform und der Bewegungsfreiheit sowie ein fünfminütiger simulierter Regenschauer unter der Dusche, bei dem ebenfalls immer die gleichen Bewegungsabläufe durchgegangen werden. Die Kapuze wird dabei besonders genau getestet. Sowohl Dichtigkeit als auch Komfort und gute Sicht sind hier entscheidend.
Die Punkte in der Tabelle, die schließlich über den Testsieger bestimmen, wurden so gewichtet, dass Wasserdichtigkeit mit 40 die meisten Punkte bekommt. Schließlich ist das der Grund, ein Ölzeug überhaupt erst zu kaufen. Danach folgt Tragekomfort mit 30 Punkten. In dieser Kategorie wurden auch der Sitz und die Sicht der Kapuze bewertet. Zuletzt können mit gutem Trocknungsverhalten, einem niedrigen Preis und Extras wie zusätzlichen Taschen noch jeweils 10 Punkte von insgesamt 100 gesammelt werden.
Die gute Nachricht: Acht der zehn getesteten Kombis haben 80 oder mehr Punkte erhalten. Das Testfeld umfasst somit fast nur sehr gute Produkte. Nur zweimal gab es wegen Wassereinbruchs Abzüge.
Beim Punkt Tragekomfort konnten besonders Henri Lloyd, Typhoon und Zhik überzeugen. Dicht gefolgt von Gill, Musto mit BR2 und LPX, Helly Hansen und North Sails. Letztere Kombinationen bekamen Punkte abgezogen, weil die Kapuze bei gedrehtem Kopf etwas die Sicht versperrt. Besonders das NSX Inshore von North sitzt sehr gut. Beim Inshore Race sind die 4DL-Verstärkungen aus wasserdichtem Kunststoff etwas steif, was den sonst sehr guten Sitz ein wenig beeinträchtigt. Die Idee hierbei ist, dass die Patches an Knie und Gesäß kein Wasser aufnehmen wie herkömmliche Verstärkungen aus Cordura. Auch Henri Lloyd und Zhik setzen bei den Verstärkungen auf dieses neue Material. Hier ist es aber nicht so dick, und die Patches sind kleiner.
Auch Verstellmöglichkeiten fließen in den Tragekomfort mit ein. Hier zählt, wie gut sich das Kleidungsstück an den eigenen Körper anpassen lässt. Dabei sind Arm- und Fußbündchen, Verstellungen der Träger oder an der Taille, am Saum der Jacke oder der Kapuze entscheidend. Für die Hosenträger gibt es sehr unterschiedliche Ansätze: Bei Henri Lloyd, Musto LPX und Zhik setzen die Hersteller auf sehr hochgeschlossene Salopetten, die an den Trägern mit Stretchmaterial ausgestattet sind, sich aber nur bei Henri Lloyd per Klett verstellen ließen. Das war im Test jedoch kein Nachteil.
Bei den übrigen Hosen wurde per Klettband eingestellt, North Sails hat hier ein besonderes System: Die Klettstreifen sitzen im Latz, so sind sie verdeckt. Lediglich der Träger lugt unten etwas heraus. Damit er nicht am Midlayer festklettet, empfiehlt der Hersteller, diesen Teil des Trägers nach dem Einstellen per Heißschneider abzutrennen. Beim Musto BR2 wird der Träger um 180 Grad umgelenkt und an sich selbst geklettet. Zwei schlauchförmige Überzüge verhindern, dass sich der Klett an der Unterkleidung verfangen kann.
Die besten Kapuzen haben die Jacken von Gill und Zhik. Sie schließen an der Stirn gut ab, drehen sauber mit und lassen sich sehr gut in zwei Richtungen einstellen. Auch gut sind hier Helly Hansen, Henri Lloyd, Musto LPX und Typhoon. Das BR2 von Musto nimmt hier eine Sonderrolle ein, da es als einzige Kombi im Test einen Offshore-Kragen hat. Der bietet deutlich mehr Schutz, verhindert aber, dass die Kapuze gut mitdrehen kann. Die Kappe selbst ist an der Stirn sogar mit Fleece gefüttert und sehr bequem. Hier wird ein Kompromiss zwischen Schutz und freiem Sichtfeld eingegangen. Unschön fielen unsauber verarbeitete Nähte mit abstehenden Fäden auf.
Im Test der Wasserdichtigkeit gab es mit Typhoon und Patagonia zwei Verlierer. Beim Coastal TX-3 von Typhoon war die Naht am Schirm der Kapuze, also direkt an der Stirn, nicht von innen getapt. Hier liefen Wassertropfen hindurch, übers Gesicht und in den Kragen. Das ist schade, denn das Ölzeug macht ansonsten einen sehr guten Eindruck und ist zudem mit 170 Euro pro Teil das mit Abstand günstigste im Test. Aber eine undichte Naht darf bei wasserdichter Kleidung einfach nicht sein.
Beim Big Water Foul Weather Jacket von Patagonia sorgte die ungünstige Kombination aus wenig Überstand bei der Kapuze und einem recht weiten Kragen für Ungemach. So lief das Wasser besonders an den Seiten von der Kapuze in den Kragen. Nach dem simulierten Regenschauer war die Kleidung unter der Jacke richtig nass. Das ist ebenfalls nicht zu akzeptieren!
Für das Trocknungsverhalten ermittelten wir drei Gewichte: Jedes Teil wurde im Neuzustand gewogen, dann nach dem Regenschauer (abgetropft) und noch mal nach achtstündiger Trocknungszeit bei Zimmertemperatur. Die Differenz zwischen dem ersten und dem letzten Gewicht gibt Aufschluss über das Trocknungsverhalten.
In dieser Disziplin punkteten die Kleidungsstücke von Zhik und das Inshore Race von North. Dicht gefolgt von Typhoon, NSX Inshore von North, Musto LPX und Henri Lloyd. Diese werden nach einem nassen Tag auf See am schnellsten über Nacht wieder trocken. Bei Kontakt mit Salzwasser ist hierfür aber eine Süßwasserspülung vorher unerlässlich.
Um Smartphone und kleine Ausrüstungsteile sicher zu verstauen, sind Taschen wichtig. Die sind in der Minimalausführung mit zwei Außentaschen an der Jacke, Innentasche und einer auf dem Oberschenkel der Hose bei allen vorhanden. Sind diese gut nutzbar, ist alles fein. Extras bietet Helly Hansen mit Wärmetaschen auf der Brust und zusätzlich hinter den aufgesetzten Außentaschen der Jacke. Gleiches beim BR2 von Musto. Das TX-3 von Typhoon bietet zwei große wasserdichte Hosentaschen plus eine Brusttasche am Hosenlatz. Henri Lloyd als Extra den sogenannten Breeze Clip, eine Lasche mit Knopf, welche die Jacke bei geöffnetem Reißverschluss zusammenhält. So kann nach einer intensiven Anstrengung gelüftet werden, ohne dass die Jacke wild herumflattert.
North Sails hat mit TightWeave ein besonders feines Gewebe auf der Außenseite, das verantwortlich für die geringe Wasseraufnahme und das sehr gute Trocknungsverhalten ist. Außerdem wurde beim Design darauf geachtet, dass es keine Taschen gibt, mit denen etwa Crew auf der Kante an Relingsdrähten hängen bleiben kann. Bei Zhik gibt es ein sinnvolles Extra: Auf dem Oberarm wurde Stauraum für einen persönlichen Notfallsender an einer möglichst erhöhten Stelle geschaffen.
Mit dem CST500 von Zhik gibt es einen deutlichen Sieger. Dicht gefolgt von sehr guten Alternativen. Nach Punkten schließen sich Henri Lloyd, Helly Hansen, Musto LPX und das NSX Inshore von North Sails an. Der absolute Preis-Leistungs-Tipp ist die Kombi von Gill: Das Ölzeug ist dem OS2 recht nahe verwandt und kann damit schon fast bei Offshore-Kleidung mithalten, ist dennoch recht leicht, und das zu einem sehr attraktiven Preis. Zum Vergleich: Die Hose von Gill ist für 199 Euro zu haben, die vom Testsieger Zhik für 470 Euro.
Am teuersten ist das Inshore Race von North Sails mit einem Setpreis von 1.275 Euro. Dafür erhält der Segler ein hervorragendes Ölzeug, bei dem im Test lediglich die etwas steifen Verstärkungen negativ aufgefallen sind. Es ist zudem zusammen mit dem LPX von Musto die einzige Kombi mit Membran von Gore-Tex. Die praktischen Vorteile lassen sich im Test schwer messen, sind bei sehr hoher Aktivität gefolgt von Ruhephasen aber unbestreitbar. Der Fahrtensegler kann hier jedoch auch einfach mal im Schutz der Sprayhood die Jacke öffnen, um der Feuchtigkeitsregulierung der Kleidung auf die Sprünge zu helfen.
Dennoch ist eine Markenmembran ein Vorteil, der eine Erwähnung wert ist, sich aber auch im hohen Preis widerspiegelt. Das Set von Henri Lloyd ist mit 1.150 Euro ebenfalls kein Schnäppchen (aber nicht mit einer Gore-Tex-Membran ausgestattet), schloss auch in der Bewertung sehr gut ab. Nicht ganz so gute Trocknungswerte und der sehr hohe Preis ließen Zhik jedoch vorbeiziehen.
Von den beiden unrühmlichen Ausnahmen abgesehen, sind Segler mit den Testkandidaten gut geschützt. Am Ende muss eine Anprobe darüber entscheiden, ob unser Testsieger den individuellen Wünschen entspricht. Damit Regen einem nicht den schönen Segeltag vermiesen kann.
Das neue Gill-Ölzeug sitzt gut, auch die Kapuze ermöglicht gute Sicht. Allerdings hat sie recht wenig Überstand zum Kragen, das reicht gerade so. Die Bündchen lassen sich sehr gut verstellen. Die Hose reicht fast bis zum Hals
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Das Ölzeug von Helly Hansen ist im Retro-Design der neunziger Jahre gehalten. Die Funktionalität ist gut, die Jacke fällt etwas größer aus. Der Hersteller setzt auf wiederverwertete Fasern aus Meeresmüll und PFC-freie Beschichtung
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Das M-Pro 2.0 ist sehr leicht und hat kein Innenfutter. Es bietet eine sehr gute Passform, gut verstellbare doppelte Bündchen und verfügt über Verstärkungen aus Kunststoff an Knien und Gesäß, die kein Wasser aufnehmen
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Von Musto fürs Küstensegeln empfohlen. Mit hohem Kragen und Sturmklappe Offshore-typische Ausstattung. Die Kapuze dreht sich nicht so gut mit, deswegen Abzüge beim Tragekomfort. Der Schnitt bietet gute Bewegungsfreiheit. Recht schwer
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Das LPX ist superleicht, trocknet schnell und verfügt durch die Gore-Tex-Membran über hohe Atmungsaktivität. Damit ist es grundverschieden vom BR2, aber das deutlich hochwertigere Ölzeug. Die Kapuze bietet gute Sicht
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
North macht mit seinem Ölzeug vieles anders: Das TightWeave-Gewebe der Oberfläche soll besonders wenig Wasser aufnehmen, ebenso die Verstärkungen. Die Gore-Tex-Membran ist oberstes Regal, das spiegelt sich im Preis wider
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Das einfacher gehaltene Ölzeug von North kann dennoch mit guter Bewegungsfreiheit und sehr guter Passform sowie schneller Trocknung punkten. Nur die Kapuze kann ebenfalls nicht ganz überzeugen. Der Preis ist deutlich attraktiver
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Patagonia ist im Bereich Outdoor-Kleidung renommiert und bekannt für nachhaltige Fertigung. Auch hier sind alle Materialien zu 100 Prozent wiederverwertet. Die Verstärkungen sind unbequem, der Kragen in Kombination mit der Kapuze nicht dicht
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Das TX-3 von Typhoon überzeugt durch äußerst guten Sitz, leichtes Material und eine sehr gut mitdrehende Kapuze. Leider ist Letztere an der Naht aber undicht, so läuft Wasser über die Stirn in den Kragen. Schade! Der Preis ist sehr attraktiv
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl
Sehr guter Tragekomfort, was besonders für die Kapuze gilt, das leichte Material mit hervorragenden Trocknungseigenschaften und sehr gute Ergebnisse beim simulierten Regenschauer machen das Zhik CST500 zum Testsieger
Werte in Klammern: maximal erreichbare Punktzahl, tatsächlich erreichte Punktzahl