WerftreportBesuch bei Michael Schmidt und seiner Werft YYachts

Martin Hager

 · 13.03.2023

Ab an die frische Luft: Baunummer zwei der Y8 wartet in der 70 Meter langen Halle auf ihren Transport zur nahen Ostsee, wo auch das Rigg gestellt wird
Foto: Nico Martinez, Stefan Sauer

Die Werft aus Greifswald arbeitet auf Hochtouren und lieferte 41 Yachten in acht Jahren aus. Grund genug, den Bootsbauern um Michael Schmidt mal wieder einen Besuch abzustatten und mehr über die Marke YYachts zu erfahren

Grau, nass und kalt. Ende November zeigt sich Norddeutschland von seiner schönsten Seite. Ganz klar, rein wettertechnisch gibt es bessere Jahreszeiten, um sich eine Werft im äußersten Nordosten unserer Republik anzuschauen. BOOTE EXCLUSIV war lang nicht mehr bei dem Unternehmen, das Michael Schmidt vor acht Jahren gründete, um für sich die Brenta 80 DS „Cool Breeze“ zu bauen. Die 24-Meter-Slup, aus Kohlefasern laminiert und mit außergewöhnlichem Interieur des Star-Architekten Sir David Chipperfield bestückt, sorgte in der Yachtwelt für Schlagzeilen und segelt längst mit neuem Eigner. Aus Michael Schmidt Yachtbau wurde eine Werft, die es geschafft hat, in acht Jahren 41 Yachten mit Längen zwischen 70 und 90 Fuß auszuliefern. Zahlen, die die Mitbewerber aus Finnland, Italien und Südafrika zähneknirschend zur Kenntnis nehmen.

Wer schon einmal eine Werft betreten hat, weiß, wie komplex Bootsbau sein kann. Zahlreiche Gewerke, die perfekt synchronisiert arbeiten müssen, damit am Ende – pünktlich zum Stapellauftermin – ein Eigner glücklich strahlt. Was einfach klingt, ist es nicht, und umso gespannter sind wir, als wir Ende November die Stadtgrenze von Greifswald passieren und im Stadtteil Ladebow, ganz im Nordosten der hübschen Hansestadt, endlich auf den Parkplatz einbiegen. Michael Schmidt Yachtbau prangt in großen Lettern an der südlichen Hallenwand. Hier mag mancher Besucher stutzen, vermarktet das Team um Schmidt doch seit wenigen Jahren die Geschicke des Unternehmens gekonnt und einheitlich unter dem Markennamen YYachts.

Warum eigentlich YYachts?

Why Y? Diese Frage kann uns auch Marketing-Chef Stefan Schöler nicht auf die Schnelle beantworten, der uns gemeinsam mit Managing Partner Dirk Zademack am Eingang zum Bürogebäude abfängt. Der aus Containern zweckmäßig zusammengebaute und über eine solide Eisentreppe mit der Werfthalle verbundene zweigeschossige Bürokomplex ist die Schaltzentrale des Unternehmens, bei dem aktuell rund 40 Mitarbeiter angestellt sind, das Satelliten-Office in Palma de Mallorca inklusive. „In Palma befindet sich unser Designoffice, das von Francesca Modica geführt wird“, erklärt Stefan Schöler. Mit Uni-Abschlüssen in Yacht Design und Architektur ausgestattet, heuerte Modica erst bei Lorenzo Argento Yacht Design in Italien an, bevor Michael Schmidt sie 2020 für YYachts abwarb. Seitdem leitet sie das Kreativteam auf der beliebten Baleareninsel. Auch der Werftgründer verbringt viel Zeit in der Hauptstadt Mallorcas und fokussiert sich derzeit, mit 74 Jahren, verstärkt auf das Wirken seiner Designer. Mit der ultimativen Nähe zum mediterranen Segelmekka kommen gute Einfälle wie von selbst.

Doch an Ideen mangelt es dem erfahrenen Segler ohnehin nie. Keiner baut wie Schmidt – Kompromisse? Niemals! Viele Jahrzehnte auf Regatta- und Fahrtenyachten haben ihn zu einem wandelnden Yacht- und Segellexikon geformt. „Niemand weiß so viel über Werften, Modelle, Schiffe und die Segelei wie Schmidt; für mich ist er ein Mentor und ich lerne immer noch viel von ihm“, gesteht Schöler. Er arbeitet seit 19 Jahren mit dem Ausnahme-Bootsbauer zusammen.

Team besteht aus Vollblutseglern

50 Yachten in acht Jahren, das geht natürlich nur mit einer Mannschaft, die an einem Strang zieht und die Ahnung vom Leben auf dem Wasser hat. Die Spezialisten seines Gründungsteams mussten vor allen Dingen eines sein: Vollblutsegler wie er selbst. Da die Suche nach dem Optimum für Schmidt nie endet, tauchten im Laufe der Jahre auch neue Namen auf. Waren bei seiner 23,99 Meter langen „Cool Breeze“ noch Designer Luca Brenta und Sir David Chipperfield in kreativer Einigkeit zugange, wechselte er zur Entwicklung seiner neuen Y-Linie zum Amerikaner Bill Tripp als Konstrukteur und dem dänischen Studio Norm Architects aus Kopenhagen für das Interieurdesign. Auch die britischen Interieur-Experten von Design Unlimited sind mitunter von der Partie, wie beispielsweise an Bord der knapp 30 Meter langen Y9. Für die komplett neu entwickelte und ebenfalls 23,99 Meter lange Y8 ging Schmidt wiederum andere Wege: Der ebenfalls in Palma lebende Yachtdesigner Javier Jaudenes entwarf die Rumpflinien und das Exterieur-Styling, während Francesca Modica aus dem werfteigenen Designteam die Interieurgestaltung übernahm. Baunummer eins der aktuellen Y8 ist derzeit in weit fortgeschrittenem Zustand in Arbeit und soll schon dieses Frühjahr segeln.

Fünf Bauslots stehen in der 70 Meter langen Halle bereit, derzeit sind drei Buchten belegt: mit Y7, Y8 und Y9. „Wir haben in den letzten zwei Jahren die Effizienz der Werft optimiert und sind momentan dabei, die Taktung der Bauplätze bestmöglich auszuschöpfen“, erklärt Werftchef Dirk Zademack, der nach 13 Jahren bei diversen deutschen Großyachtwerften 2019 als Managing Partner bei Michael Schmidt Yachtbau einstieg. Seitdem hat sich viel getan in Ladebow.

Kunde kann aus mehreren Layout-Optionen wählen

“Pro Modell bieten wir dem Kunden zwischen fünf und sechs Layout-Optionen, zwischen denen er sich entscheiden kann, und doch haben wir es geschafft, dass die Rumpfstruktur immer gleich bleibt. So können wir Rumpf und Deck laminieren lassen und gleichzeitig mit dem Ausbau des Interieurs beginnen, das wiederum in Modulen entsteht, die von unseren zwei Kränen nahezu fertig in die Rumpfschale gehoben werden.“

Angrenzend an die Bootsbauhalle mit fünf Buchten und einem großen Bereich für die Innenausbauer investierte die Werft zudem in eine hochmoderne angrenzende Lackierhalle. „Die Investitionen der vergangenen Jahre haben sich gelohnt, aktuell können wir fünf bis sechs Yachten pro Jahr bauen“, so Zademack. Dabei variieren die Bauzeiten der Modelle stark. „Eine Y7 entsteht in etwa sechs Monaten, die Y8 in elf Monaten, und an unserem Kleinserienflaggschiff Y9 arbeiten wir 18 Monate“, lässt Stefan Schöler wissen, und Dirk Zademack ergänzt: „Wachstum um jeden Preis ist nicht unser Motto. Wir wollen immer besser werden und unsere Qualität weiter steigern.“ Dafür steht auch der Werftgründer. Er testet nach wie vor jede Yacht, die seine Hallen verlässt, persönlich. Und am liebsten bei einer ehrlichen Brise, laue Sommerlüftchen zählen nicht. „Es muss knarzen in den Schoten“, lacht Stefan Schöler. Und wie lange macht Michael Schmidt noch weiter? Keine Antwort ist ja bekanntlich auch eine Antwort …


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