“Sybaris”70-Meter-Superyacht als Reha-Maßnahme

Martin Hager

 · 26.03.2023

Alu-Gigant am Wind: An den 62 und 72 Meter hohen  Rondal-Masten trägt „Sybaris“  3.045 Quadratmeter 3DL-Laminat,  der Segeltrimm erfolgt vom  modern ausgestatteten  Steuerstand auf der 18 Meter  langen Flybridge
Foto: Giuliano Sargentini

Mit der 70 Meter langen „Sybaris“ (heute “Badis”) lieferte Perini Navi nach vier Jahren Bauzeit die größte Ketsch der Firmengeschichte aus. Erstbesesitzer Bill Duker war massiv in den Designprozess des modernen Zweimasters involviert

Sybaris – die Geschichte der antiken Stadt im Golf von Tarent, am südlichsten Zipfel Italiens gelegen, inspirierte Yachteigner Bill Duker so sehr, dass er seine 70-Meter-Ketsch nach ihr benannte. Die Einwohner der 720 vor Christus als Kolonie gegründeten Siedlung waren für ihren auf Genuss fokussierten Lebensstil bekannt – sozusagen der Archetyp des erfreulichen Luxuslebens im Überfluss und ohne Sorgen. „Viva la vida!“ in seiner ursprünglichsten Form.

Für den New Yorker Software-Mogul und Gründer einer großen Anwaltskanzlei stand nach einer Krebsdiagnose im Jahr 2009 die Welt kopf. „Plötzlich wurde mir bewusst, wie endlich das Leben ist und wie wichtig es ist, jeden Tag voll auszukosten“, erzählt Duker während einer ausgiebigen Tour über seine neue Segelyacht, auf die er viereinhalb Jahre lang gewartet hat.

Seitdem versuche ich jeden Tag möglichst viel Spaß zu haben und alle meine Träume zu verwirklichen.“

Die Krankheit ist mittlerweile besiegt, dem neuen Lebensstil ist Duker treu geblieben. Mit „Sybaris“ wurde ein lang gehegter Traum Realität. Gemeinsam mit seinem Sohn West verbrachte er unzählige Stunden mit dem Entwurf und der Planung ihrer ultimativen Segelyacht. Als erfahrene Eigner mehrerer Formate (24-Meter-Segelyacht „Coconut“, das 32 Meter lange Ron-Holland-Design „Shanakee“ und die 52-Meter-Feadship „Rasselas“) lernte das Vater-Sohn-Team über die Jahre, welche Details ihnen an Bord besonders wichtig und welche Extras verzichtbar sind. Mit Perini Navi fand Duker schließlich den richtigen Werftpartner – die Yachtbauer mit Hallen in Viareggio, La Spezia und im türkischen Tuzla zählen zu den Weltmarktführern im zunehmend schwieriger werdenden Nischenmarkt der Supersegler.

Jede Minute für Details genutzt

Die Gestaltung des „Sybaris“-Exterieurs basiert in großen Teilen auf den Ideen von Bill und West Duker, die Yachtdesig­ner Philippe Briand mit der Optimierung der von Perini Navi entwickelten Rumpflinien beauftragten. „Wir nutzten wirklich jede freie Minute, um uns mit den Details von ,Sybaris‘ zu befassen“, erzählt West Duker. Beim Design des modern-minimalistischen Interieurs im New-York-Loft-Stil ließ Bill Duker dem amerikanischen Kreativteam um Peter Hawrylewicz (PH Design) weitgehend freie Hand. „Wir arbeiten seit Jahren viel zusammen, und ich vertraue Peter und seinen Designern zu hundert Prozent – ich kann keinen seiner genialen Vorschläge ablehnen, auch wenn sie aufgrund der exquisiten Material­auswahl mitunter sehr teuer werden“, sagt Duker lachend und klopft dem Kreativchef auf die Schulter.

Jedes Möbelstück an Bord wurde nach den Entwürfen der Designer aus Miami angefertigt. „Die Speisetischplatte im Salon besteht aus Marmor und wiegt 1,7 Tonnen“, erzählt der Sales-Director der Werft, Burak Akgül. „Wir mussten das Deck an dieser Stelle zusätzlich verstärken.“ Gewicht sparte die Werft dafür an anderer Stelle. „Wir haben so viel Titan verbaut wie keine Werft zuvor“, so Akgül. Nahezu alle Metalldetails im Interieur und Exterieur sowie große Teile der dünnen Deckenpaneele bestehen aus dem weißmetallisch glänzenden Übergangsmetall. „Dass wir uns für so viel Titan entschieden, hat rein ästhetische Gründe“, berichtet Duker.

Peter stellte sein Interieurkonzept vor, und ich war von dem Look begeistert. Die Kombination aus gekalktem Eichenholz, viel Leder und Titan hat mich sofort überzeugt, also mussten wir es so bauen.“

Schweißspezialisten für “Sybaris” im Einsatz

Um die großen Mengen an Titan verarbeiten zu können, stellte Perini Navi Schweißspezialisten ein, die besonders gut mit dem diffizil zu bearbeitenden Werkstoff umgehen können. „Die besten Titanschweißer sind übrigens Frauen“, ergänzt Akgül. Die Alu-Ketsch mit einer Verdrängung von 927 Tonnen ist nach „Maltese Falcon“ die zweitgrößte Yacht der Firmengeschichte und belegt mit ihren 70 Meter Länge über alles derzeit Platz 9 im Ranking der größten Segelyachten der Welt. An ihren 62 und 72 Meter hohen Carbonmasten von Rondal setzt die Crew bis zu 3.045 Quadratmeter 3DL-Segellaminat von North Sails.

Ein Überwachungssystem misst permanent die Lasten in den von Carbo-Link gelieferten Carbonwanten und -stagen und schlägt bei kritischen Werten Alarm. „Für ,Sybaris‘ entwickelten wir in unserem neu gegründeten Innovationszentrum die jüngste Generation unseres bewährten Segel-Handling-Systems“, erzählt Verkaufschef Akgül. So finden sich auf der Brücke und dem Flybridge-Steuerstand zwei Schalthebel, die an Kommandogeber erinnern und für die synchronisierte Kontrolle der Vorsegel verantwortlich sind. „Werden diese Schieberegler nach vorn geschoben, werden drei Motoren synchron aktiviert, die für das automatische Furlen und Fieren der Genua-Schoten verantwortlich sind. Dank der neuen Technik kann ,Sybaris‘ in weniger als 20 Sekunden wenden“, fasst Bill Duker wichtige Eckpunkte zusammen. Die dazu passenden neu entwickelten kaptiven Genua-Winschen arbeiten mit Lasten von bis zu 35 Tonnen und mit Leinengeschwindigkeiten von 75 Metern pro Minute.

Ruder-Feedback-System für präzise Steuerung installiert

Für das aufrichten­de Moment der Alu-Ketsch sorgt ein 11,74 Meter tief gehender Liftkiel, der sich hydraulisch um 7,20 Meter einfahren lässt. Um den 970-Tonner möglichst präzise steuern zu können, ließ der Eigner ein komplexes Ruder-Feedback-System installieren. Sensoren messen den Druck am Ruderblatt und geben die Daten über einen Motor weiter an das Steuerrad, sodass der Ruderdruck trotz hydraulischer Steuerung spürbar wird. „Dank des Feedback-Systems fühlt sich die Steuerung wie eine konventionelle Kettensteuerung bei deutlich kleineren Yachten an. Der Steuermann kann gezielt auf Böen reagieren, da er sie unmittelbar spürt“, beschreibt Burak Akgül die technische Finesse.

Auch bei der Ausstattung des Maschi­nenraums wählte Eigner Bill Duker einen innovativen Ansatz. Neben zwei MTU-Sechzehnzylindern mit je 1.440 Kilo­watt Leistung, die für den Hauptantrieb verantwortlich sind, installierte die Werft drei Generatoren mit variabler Drehzahltechnologie. Diese sind für die Versorgung aller Hotel-Lasten, der hydraulischen Segelsysteme und das Laden einer Lithium-Polymer-Batterie­bank verantwortlich. „Die Batterien haben eine Leistung von 136 Kilowatt und ermöglichen uns, die Yacht für zwei bis drei Stunden im ,Silent Mode‘, ohne Generator-Power und Abgase, zu betreiben. Sinkt der Ladezustand der Batterien unter ein kritisches Level, starten die Generatoren automatisch“, erklärt West Duker das Energiesystem.

”Sybaris” erscheint in gewaltigen Dimensionen

Die Raumaufteilung von „Sybaris“ weicht, bis auf die gewaltigen Dimen­sionen, kaum von den bewährten Perini-Navi-Layouts ab. Die 80 Quadratmeter große Eignersuite liegt auf dem Unterdeck vor dem Maschinenraum und soll dank moderner Schalldämmungsmaßnahmen selbst unter Motorfahrt mit 45 Dezibel eindrucksvoll ruhig sein. In einem 30 Meter langen Trakt davor kommen bis zu zehn Gäste in fünf Suiten unter, den Bugbereich mit Galley, Laundry, Messe und Kabinen statteten die italienischen Yachtbauer nach LY3-Regularien für die zehnköpfige Crew aus. Zu den schönsten Plätzen an Bord zählt ganz ohne Frage die 18 Meter lange Flybridge, von der aus sich die Segelmanöver am angenehmsten verfolgen lassen.

Ursprünglich hatten Eigner Bill Duker und sein Sohn West geplant, mit ihrer 70-Meter-Ketsch ausgiebig die Welt zu erkunden und während der Reise bei den wichtigsten Superyachtregatten an den Start zu gehen. Doch inzwischen ist das Schiff verkauft, der neue Eigner ist König Mohamed VI von Marokko. Er benannte die Yacht in “Badis” um.


Technische Daten

  • Länge über alles: 70,00 m
  • Länge Wasserlinie: 62,70 m
  • Breite: 13,24 m
  • Tiefgang: 4,54/11,74 m
  • Verdrängung (100 %): 927 t
  • Gross Tonnage: 870 GT
  • Material: Alu
  • Motor: 2x MTU 16V 2000 M72
  • Motorleistung: 2x 1.440 kW
  • Geschwindigkeit (max.): 17,5 kn
  • Reichweite: 5.000 nm @ 12,5 kn
  • Kraftstoff: 73.000 l
  • Wasser: 126.000 l
  • Generator: 2x 120 kW, 1x 35 kW
  • Batterien: 13x LIPO EST50-1050
  • Masten & Bäume: Rondal, Carbon
  • Segelfläche: 3.045 qm
  • Konstruktion: Perini Navi, P. Briandwells 7 m Limo Carbon, 4,5 m Rescue Tender
  • Konstruktion: Perini Navi, P. Briand
  • Interieurdesign: PH Design
  • Klassifikation: ABS+A1+MCA LY3
  • Werft: Perini Navi, Viareggio, 2016
Konventionelles Layout: Die über die gesamte Breite reichende Eignersuite liegt vor den Motoren, der Gästetrakt schließt sich an. Im Bug wohnt die Crew
Konventionelles Layout: Die über die gesamte Breite reichende Eignersuite liegt vor den Motoren, der Gästetrakt schließt sich an. Im Bug wohnt die Crew

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