Martin Hager
· 21.05.2023
Mit ihrer CNB 66 trifft die französische Werft den Sweet Spot der wachsenden Aufstiegsklasse. Wir segelten das Briand-Design vor Saint-Tropez
Nicht ganz Superyacht, aber auch nicht wirklich klein. Viel Volumen, aber immer noch komfortabel ohne – oder zumindest mit sehr kleiner – Crew zu handhaben. Sportlicher Look, gepaart mit überzeugenden Regattaqualitäten und dennoch gutmütig und praktikabel im täglichen Seglerleben. So lässt sich die Aufstiegsklasse, zu der überwiegend Segelyachten mit Längen von 60 bis 70 Fuß zählen, mit wenigen Attributen beschreiben. Die Nachfrage nach Yachten in diesem Größensegment wächst stetig, wie Arno Kronenberg weiß. Der passionierte Segler betreut als CNB-Repräsentant den deutschsprachigen Raum und pflegt zu seinen Kunden einen intensiven und häufig sogar freundschaftlichen Kontakt. „Diese Yachtgröße bietet für viele Eigner die Nonplusultra-Mischung aus Komfort, Segelspaß und Praktikabilität“, so Kronenberg. „Viele Eigner, mit denen ich zu tun habe, segeln am liebsten mit ihrer Familie und mit Freunden, ohne dabei auf die helfenden Hände eines Kapitäns oder einer Deckhand angewiesen zu sein“, so der Segelyachtspezialist.
Die CNB 66 schließt für die zur Beneteau-Gruppe gehörende Werft aus La Rochelle die Lücke zwischen der 18,60 Meter langen Bordeaux 60 und der erst 2015 vorgestellten und knapp fünf Meter längeren CNB 76, die sich für einen Preis von rund drei Millionen Euro bis dato 21-mal verkaufte. Dass die Entwicklung und Weltpremiere der 20,61 Meter langen CNB 66 zum richtigen Zeitpunkt kam, davon zeugen die Zahlen. „Wir haben bereits zehn CNB-66-Einheiten verkauft, vier davon von Plänen“, erzählt CNB-Gründer Olivier Lafourcade begeistert.
Baunummer eins der segelfertig knapp zwei Millionen Euro teuren Neuheit orderte ein französischer Eigner, der viele Jahre mit einer Bordeaux 60 durch das Mittelmeer kreuzte. „Meine Kinder sind jetzt im Teenageralter und haben keine Lust mehr, sich während unserer Reisen eine Kabine zu teilen“, erzählt der erfahrene Segler im Cockpit seiner neuen CNB 66, die er „Althane II“ taufte. „Da die Bordeaux 60 ausschließlich mit einem Drei-Kabinen-Layout angeboten wird, fragte ich bei CNB nach Alternativen. Die CNB 76 bietet zwar vier Kabinen und eine gelungene Raumaufteilung, war mir für meine Familie und mich jedoch etwas zu groß. Das Vier-Kabinen-Layout und Konzept der CNB 66 passten sofort zu meinen Wünschen.“ Solche Aussagen lassen Olivier Lafourcade strahlen. Eine geschrumpfte Variante der CNB 76 war von Anfang an die Idee hinter der Entwicklung des neuen Lückenfüllers.
Ob die CNB 66 an die hervorragenden Segeleigenschaften der großen Schwester heranreicht, davon konnte sich BOOTE EXCLUSIV im Rahmen des prestigeträchtigen Segelspektakels Les Voiles de Saint-Tropez ein Bild machen. Dies ist eine Regatta, die wie kaum ein anderes Segelevent die Werte Tradition, Kameradschaft, Teamwork und Fair Play fördert. Das Ambiente ist unvergleichlich, wenn nach den Wettfahrten die rund 300 teilnehmenden Yachten unterschiedlichster Klassen in den malerischen Hafen von Saint-Tropez einlaufen. Die mit Hunderten großen Segelsäcken gefüllten Stege des Jetset-Dorfes sind mit Tausenden von Touristen bevölkert, die verfolgen, wie modernste Wally-Cento-Racer, knapp 100 Jahre alte Klassikerschönheiten und historische America’s-Cup-Yachten nacheinander festmachen.
Es ist die reinste Anlegeparty. Auf den Yachten spielen Bands, Rosé wird im Cockpit aus Plastikbechern getrunken, und von den Regatten ermattete Segler tanken auf Segelsäcken liegend und bei einem kühlen Kronenbourg ihre Kräfte für den Feier-Abend auf.
Die zur Beneteau-Gruppe gehörende Werft CNB lockt seit Jahren ihre Kunden zum Rendezvous, bei dem im kleinen Eignerkreis und in freundschaftlicher Atmosphäre verschiedene Fun-Regatten gesegelt werden und ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm für jede Menge Unterhaltung und Austausch unter den Eignern sorgt. „Auf diesen Events sind schon viele Freundschaften entstanden“, weiß Arno Kronenberg, der häufig bei seinen Kunden mitsegelt, mit Hand anlegt oder als Taktiker Ratschläge gibt. Für das CNB-Treffen in Saint-Tropez organisierten die Franzosen am Layday des Les-Voiles-Events eine Wettfahrt über den offiziellen Regattakurs. Sieben CNB-Formate reisten für dieses Treffen in den Golf von Saint-Tropez. Besonders beäugt: die brandneue CNB 66 „Althane II“, die ihr Regattadebüt feiert und wenige Tage später final an ihren Eigner abgeliefert wird. Dieser ist selbstverständlich mit an Bord, als wir aus dem Hafen auslaufen und um zehn Uhr morgens erstmals das Großsegel und die Genua setzen. Die Spätsommerthermik hat noch nicht eingesetzt, das schwarze DFi-Segellaminat von Incidence Sails kann bei schlappen sechs Knoten Wind kaum Vortrieb generieren.
So bleibt Zeit, sich das von Jean-Marc Piaton und Rafaël Bonet gestaltete Interior einmal genau anzusehen. „Wir entwickelten das Layout um einen über die gesamte Breite reichenden Wohnraum im Zentrum der Yacht herum“, erzählt Designer Piaton. Dieser erhöht gelegene Salon gliedert sich in eine komfortable Loungeecke auf der Steuerbordseite, die mit flexiblen Sofaeinheiten zu einer durchgängigen Liegewiese umzufunktionieren ist. Große rechteckige Rumpffenster lassen viel natürliches Licht in den von hellen Polstern und gekalktem Holz dominierten Wohnraum und garantieren auch vom gegenüberliegenden Speisetisch aus eine herrliche Aussicht auf das Meer. Im gekrängten Zustand, so wird sich später am Tag und bei bis zu 32 Knoten starken Böen zeigen, tauchen die Fenster teilweise unter Wasser und lassen die Mitreisenden selbst unter Deck am sportlichen Segelgeschehen teilhaben. Die smart in die Loungeecke integrierten Sitzbänke kommen bei Bedarf auf der gegenüberliegenden Salonseite als Hocker zum Einsatz und bieten so bis zu acht Personen an dem elektrisch höhenverstellbaren Speisetisch Platz. Den Kartentisch brachte das Designteam um Piaton und Bonet an einem Tresen unter, der zugleich auch als Bar, Eignerbüro und Frühstückstheke dient. Wer bei seinem morgendlichen Cappuccino den aktuellen Kurs verfolgen möchte, schaltet den in die Wand integrierten elektronischen Raymarine-Kartenplotter ein.
Die um wenige Stufen nach unten versetzte Galley-Zeile mit großer Arbeitsplatte und viel Ablagefläche ist direkt nebenan und beherbergt neben einem geräumigen Kühlschrank und einer Tiefkühleinheit die Schaltpaneele für die Webasto-Klimaanlage und das gesamte Energiemanagement der CNB 66. Große Rumpffenster sorgen auch hier für mehr Lebensqualität unter Deck und vor allen Dingen mehr Freude beim Kochen unter Segeln.
Gegenüber der Galley befindet sich eine der zwei mit Doppelbett versehenen Gästekabinen, die für diese Yachtgröße recht viel Raum bietend ausfallen. Das auf einem Podest untergebrachte Bett besteht aus zwei höhenverstellbaren Matratzen. „Das schafft etwas Freiraum, sollten zwei nicht so vertraute Gäste nebeneinander schlafen“, erklärt Arno Kronenberg. „Aufgrund der Nähe zur Galley, dem Motorenraum und Arbeitscockpit bietet sich die Heckkabine am ehesten für die Unterbringung eines Kapitäns an, sollte diese Position vergeben werden.“
Vor dem Salon schließen zwei Gästekabinen an, backbords mit Doppelbett, die kompaktere Stockbettvariante gegenüber. Ganz vorn im Bug findet der Eigner seine Suite mit Queensize-Bett, Vanity-Schreibtisch-Kombination und dem davor gelegenen Badezimmer. Von dort führt eine Luke im Querschott in die geräumige Segellast ganz vorn im Bug. Im Heck brachte das Designteam eine Garage für einen bis zu 3,30 Meter langen Tender unter, der über Rollen gewassert wird. Zwei Luken im Arbeitscockpit erlauben auch während der Fahrt den Zugang in die Lazarette, vor Anker öffnet sich der Spiegel hydraulisch.
Das Deckslayout mit asymmetrisch angeordnetem Gästecockpit ist eine Kopie der CNB 76. Diese Aufteilung hat sich bewährt, so ist der Weg zum Niedergang immer frei. Vor Anker lässt sich der Speisetisch vergrößern, sodass ganz bequem bis zu acht Personen am Tisch Platz finden. Auch das Arbeitscockpit achtern ist klar aufgeteilt. Eine zentral auf einem Podest installierte elektrische Harken-Deckswinsch nimmt die Großschot auf, dahinter installierte die Werft eine abnehmbare Cockpit-Reling aus Edelstahl, die sich vor allen Dingen bei Krängung hervorragend zum Festhalten oder Abstützen anbietet. „Dieses Detail ist selbstverständlich, wie viele Extras hier an Bord, eine optionale Lösung, die auf die Vorstellungen und Wünsche des Eigners zurückgeht“, kommentiert Arno Kronenberg. Zu den Sonderlösungen zählen auch großformatige Sailmon-Instrumente am Mast, die sich individuell programmieren lassen und auf ihren hoch aufgelösten Farbdisplays eine Vielzahl nützlicher Segel- und Routinginformationen wiedergeben.
Die Thermik meint es gut mit der Regattaleitung, und zum Start der CNB-Wettfahrt freuen sich die sieben teilnehmenden Yachten über 15 bis 20 Knoten aus Südwest, die bis zur Wendemarke zum Einsatz des Gennakers einladen. 330 Quadratmeter misst das pinkfarbene Raumschotssegel, das die leer nur 31 Tonnen verdrängende „Althane II“ auf 13 Knoten beschleunigt. Wie schon bei der CNB 76 profitiert die mit CE-Kategorie „A“ versehene CNB 66 von den sportlichen Philippe-Briand-Linien mit Doppelruderkonfiguration und gleitfreudiger, breiter Heckpartie. Auf Höhe des Cap de Saint-Tropez frischt der Wind plötzlich merklich auf, die Sailmon-Displays zeigen in Spitzen 32 Knoten an – trotz spaßiger Rauschefahrt mit gelegentlicher Surf-Einlage ist es Zeit, die Segel zu wechseln: Wir müssen um die Wendemarke. Der Bergeschlauch und vier Mann auf dem Vorschiff sind nötig, um den Gennaker zurück in den Segelsack zu bewegen.
An die Kreuz geht es, zum Glück wieder bei etwas weniger Wind, mit der 103 Quadratmeter großen Genua, die jedoch aufgrund des sehr dicht stehenden Stagsegels bei jeder Wende komplett eingerollt werden muss, um direkt danach wieder ausgerollt und getrimmt zu werden. Das ist zunächst nicht weiter tragisch, da eine elektrische Profurl-Anlage den Großteil der Arbeit übernimmt; doch für das Segellaminat sind diese Manöver sicher – bei 20 bis 30 Wenden pro Tag – kaum qualitätsfördernd. „Wir bieten das Stagsegel natürlich auch als abnehmbare Variante mit elektrischem Furler an“, stellt Olivier Lafourcade klar. „Althane II“ beendet die sportliche 15-Seemeilen-Wettfahrt als dritte Yacht, ein Resultat, das jedoch kaum von Interesse ist. Bei CNB-Events zählt, auch wenn ambitioniert taktiert und gesegelt wird, am Ende des Tages doch nur das freundschaftliche Kräftemessen und der Spaß, mit Gleichgesinnten auf dem Wasser zu sein.
Mit der neuen CNB 66 brachten die Franzosen eine Yacht auf den Markt, die es Eignern leicht macht, diese Art des seglerischen Laisser-faire in perfekter Weise zu genießen.
Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 01/2018 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.