„Ribelle“Vom Performance-Cruiser zum quirligen Regatta-Wirbelwind

Friedrich W. Pohl

 · 13.05.2023

Sommergarten:  Ein Gitter von Karbonstreben überwölbt den Salon.  Tilse steuerte die gehärtete Laminat-Verglasung für dieses Deckshaus bei
Foto: Maurizio Paradisi

Nach Jahrzehnten und noch mehr Meilen auf großen Cruisern schrumpft sich ein Eignerpaar auf agile 32 Regatta-Meter. Malcolm McKeon greift darum in die Tastatur für Speed-Design. Rémi Tessier glänzt mit Kupfer im Racer-Interior, und Vitters holt zum Finish einen Zauberstab für Top-Werften aus dem Regal.

Erster Platz bei den Supermaxis: Schöner konnte das erste Regatta­jahr nicht enden als mit einem Sieg im September 2017 vor Porto Cervo. Paola und Salvatore Trifirò schlugen mit ihrer neuen 32 Meter langen „Ribelle“ auch die schnelle „Inoui“: Platz 4. Die Trifiròs zeigten sich über diesen Erfolg so verblüfft wie begeistert: „Wir wollten etwas Wendigeres, Schnelleres, mit kleinerer Crew. Und jetzt dieser Erfolg: die Sahne auf der Torte“, freute sich Paola Trifirò auf der Piazza Azzurra vor dem Clubhaus des Yacht Club Costa Smeralda. Für diesen Sieg hatten sie bereits im Juni mit zwei zweiten Plätzen in ihrer Klasse beim Loro Piana Cup vor Porto Cervo und dem Palma Superyacht Cup trainiert. Darauf einen Spumante aus dem Trentino!

Nicht zuletzt an „Inoui“ hatten sich die Trifiròs bei Überlegungen für einen schnellen Neubau orientiert. Das Briand-Design von 33 Metern Länge hatte Vitters in Zwartsluis 2013 gewassert, als viertes Projekt aus Karbon-Komposit dieser Werft. Den Rumpf hatte die Vitters-Schwester Green Marine in New Forest bei Southampton gefertigt. Das passte. Denn seinen vorigen Neubau, das Dubois-Design „Zefira“, 370 Tonnen Aluminium mit 50 Metern Länge, hatte dem italienischen Anwaltspaar Fitzroy Yachts aus Neuseeland geliefert. Die Entfernung zum Pazifik wollten die Mailänder nicht wiederholen. Kaum etwas lag den Trifiròs also näher, als den nächsten Neubau, diesmal ein betontes Leichtgewicht, bei Vitters in Auftrag zu geben, im 32-Meter-Format, damit deutlich kleiner und aus Kohlefasern entschieden handlicher.

Ihren Designer hatten sie bei Ed Dubois kennengelernt. Malcolm McKeon hatte damals als rechte Hand des Meisters der großen Segel-Performancer geholfen, auch großen Slups attraktive Geschwindigkeiten abzuringen.

Ein starker Sinneswandel für „Ribelle“

Woher kam dieser Sinneswandel, von einem großen Performance-Cruiser für lange Touren auf einen quirligen Regatta-Wirbelwind für kurze, heiße Strecken umzusteigen? Die Trifiròs handelten mit ihrer Absicht nach Downsizing deutlich gegen herkömmliche Erfahrungen, die zeigen, dass der Jolle in Kinder- und Jugend­tagen Regattaboote mit Kiel folgten und eines Tages die Bequemlichkeit über den sportlichen Ehrgeiz die Oberhand gewinnt. Länge und Gewicht der Yachten wachsen, von kleinen Ausrutschern über diese oder jene Regattabahn mit Partycharakter und Bucket-Vergnügen abgesehen. Dass dieser Evolution dann die Metamorphose des Seglers zum Eigner einer veritablen Motoryacht folgt, soll auch schon vorgekommen sein und bedarf keiner Entschuldigung. Die barrierefreie See mit Komfortdünung wartet noch auf ihre Erfindung.

Die Trifiròs verspürten jedoch einen anderen Drang als den des zunehmenden Komforts – mit einer vermutlich typisch italienischen Ausnahme, von der später noch die Rede sein muss. Sie wollten wieder wie zu Studentenzeiten unterwegs sein, nämlich nahe an der See und mit den Elementen verbunden. Man könnte das Projekt „Ribelle“ durchaus als Jungbrunnen bezeichnen, gesättigt jedoch mit den Erfahrungen und Wünschen, die ein langes Seglerleben bescheren. Diese Entscheidung verdient eine Gratulation mit einem sprudelnden 823 Maso Michei von Giuseppe Tognotti, ebenfalls aus dem Trentino.

Zur Verkleinerung des Formats gehörte gegenüber „Zefira“ auch eine Verringerung der Besatzung von acht auf fünf Köpfe. Auf Touren vor und nach den Regatten reicht diese Stammcrew, um eine selbstwendende Fock und von Reckmann gefurlte Vorsegel an und vor den Wind zu bringen. Für Regatten bewältigt die dann auf rund zwei Dutzend Köpfe anwachsende Mannschaft die großen Raumschotstücher.

Freier Blick für Suiten und abfallendes Teakdeck

Anders sein und doch elegant – so erklären nicht nur die Winzer des Consorzio Franciacorta gleich östlich von Mailand ihre erstklassigen Spumante, sondern auch die „Ribelle“-Eigner den Namen ihrer Maxi: „Ribelle“ zeugte ein Rebell mit einer Belle.

Selbstverständlich sollte „Ribelle“ schön aussehen – und schnell sein, also schön schnell. Eine Falte im Rumpf unterstreicht darum ihre geduckte Gefährlichkeit. Die optische Unterstützung startet in einem Knick am Spiegel und streckt den Freibord unterhalb der drei Fenster für Crew, Gäste und Eignersuite fast bis zum Vordersteven. Die Wirkung erzielt dieser optische Trick durch seinen Schattenwurf. Zu den optischen Finessen gehört auch ein am Heck zum Spiegel abfallendes Teakdeck. Es erweitert noch einmal die ohnehin bereits großzügigen Steuer­stationen. Das Oberdeck grenzt eine Titanreling mit anodisierten Alustützen ein. Die Karbonwinschen mit „Ribelle“-Logo lieferte Harken. Den edelstählernen 135-Kilogramm-Anker trägt ein federleichter Karbonarm.

Den Hingucker schlechthin bietet jedoch der schwarzgläserne Aufbau achtern des Southern-Spars-Masts. Die tagsüber nur von innen durchsichtige Kuppel wölbt sich über einem Salon mit Sitzecke und einem Speiseplatz gegenüber an Steuerbord. Ein Rahmen von außen schwarz hochglänzenden Karbon­stützen trägt das laminierte Glas. Innen jedoch zeigt dieses Gerüst ein anderes Gesicht: Hier funkelt der Rahmen kupfern. Ein feiner Überzug dieses Metalls vermittelt eine ehrwürdig-altmodische Vintage-Stimmung in radikalem Kontrast zur Hightech-Struktur des Kerns.

Das Kupferfinish lässt auch Handgriffe und andere Details glänzen, ein Mix aus Gediegenheit und Coolness. Vitters fand einen Hersteller, der diese Herausforderung bewältigte, weil er bereits mit Metalloberflächen dieser Art für Bugatti Erfahrungen gesammelt hatte: ein Griff ins Regal für höhere Bootsbaukunst.

Gestaltung der „Ribelle“-Innenräume

Als Gestalter der Innenräume wählten die Trifiròs wieder Rémi Tessier, wie bereits für „Zefira“. Sie hatten Tessier in ihr modernes Apartment in einem Mailänder Gebäude des 17. Jahrhunderts eingeladen, sodass er begriff, auf welchen Kontrast zwischen traditioneller Wärme und zeitgenössischer Funktionalität er das Interior einstimmen musste.

Für andere Metallkomponenten des Interiors verwendete Vitters gebürstetes Titan. Die hölzernen Elemente bestehen größtenteils aus Teak. Die Bodenbretter legte Vitters ebenfalls aus Teak. Dieses Holz bestimmt zusammen mit Leder auch die Einbauten bei Eignern und Gäs­ten. Die Trifiròs wohnen im Bug. Dahinter schlafen beidseitig vom Kielkasten vier Gäste in zwei Kabinen.

Den Wunsch nach dem richtigen Look, nach gefährlicher Schönheit innen und außen sollte jedoch auch die Leistung erfüllen. Zwanzig Knoten bei mittlerer Brise gehörten zu den Erwartungen am Wind. Bei Flaute sorgt ein leichter Diesel von Volvo Penta für den Vortrieb.

Gerade beim Energiemanagement kam es McKeon auf Leichtigkeit an. Er wählte ein hybrides System aus zwei Kohler-Generatoren von je 28 Kilowatt und einer bei Bedarf zuschaltbaren Lithium-Ionen-Bank mit 15 kVA Leistung. Diese Kombination wirkt sich günstig auf den Dieselverbrauch, auf Wartung und Zuverlässigkeit aus.

Galley sollte bei Crew für Strahlen sorgen

Und die Ausnahme vom Drang zur, wenn auch stilsicher verpackten, Sportlichkeit? Als Studenten auf kleinem Boot stellten die Trifiròs nur einen einzigen Kochtopf auf den Kocher. Eine warme Mahlzeit habe Paola jedoch stets unterwegs serviert. An den Ansprüchen des guten Geschmacks auch auf den Tellern hat sich seitdem nichts geändert. „Ribelle“ mag schnell sein. Mit einer schnellen Nudel jedoch geben die Trifiròs sich nicht ab. Im Heck bei den Unterkünften für die fünfköpfige Stammcrew gönnten sie sich eine Galley, die auch auf einer größeren Motoryacht den Chef zum Strahlen bringen könnte. Miele-Technik krönt eine Einrichtung mit listig ausgedachten Stauräumen, Schiebetüren, weißen und edelstählernen Oberflächen. Mächtiger Marmor wie auf „Zefira“ fehlt; stattdessen vergrößern Spiegelwirkungen den Raum. Tageslicht durch ein Fens­ter ergänzt die lichte Wirkung. Das ist möglich, weil Miele die Küchendünste von den Induktionsplatten nach unten absaugt. Neben der Kochfläche unterstützen drei Öfen und eine Kühlanlage die kulinarischen Leistungen.

Dass der Regattacrew auf der Kante kurz vor dem Bergen der 100 Quadratmeter des Asymmetrischen beim nächs­ten Maxicup zur Stärkung ein Costoletta alla milanese mit Insalata mista gereicht wird, handelt die Szene als Gerücht. Ein sprudelnder Franciacorta, vielleicht ein Ca’ del Bosco aus der Region östlich von Mailand, dürfte nach nächsten Regattaerfolgen jedoch verdient sein.


Technische Daten

  • Länge über alles: 32,64 m
  • Länge Wasserlinie: 30,20 m
  • Breite: 7,72 m
  • Tiefgang: 4,05/6,05 m
  • Verdrängung: 90 t
  • Material: Karbon-Komposit
  • Motor: Volvo Penta, 195 kW
  • Kraftstoff: 6000 l
  • Reichweite: 2000 nm @ 10 kn
  • Generator: 2 x Kohler 28 kW
  • Mast und Baum: Southern Spars
  • Segel: North Sails
  • Großsegel: 373 qm
  • Jib: 204 qm
  • Blade: 273 qm
  • Code: 557 qm
  • Asymmetrisch: 1039 qm
  • Wasser: 3800 l
  • Galley: Miele
  • Konstruktion: Malcolm McKeon
  • Styling: Malcolm McKeon
  • Interiordesign: Rémi Tessier
  • Klassifikation: DNV-GL-Rumpf
  • Werft: Green Marine, Vitters, 2017
Unterdeck: Fünf Crewköpfe und die Galley bringt das Layout im Heck unter. Der Salon trennt sie von zwei Gästekabinen und der Eignersuite im Bug | Abbildung: YACHT
Unterdeck: Fünf Crewköpfe und die Galley bringt das Layout im Heck unter. Der Salon trennt sie von zwei Gästekabinen und der Eignersuite im Bug | Abbildung: YACHT

Dieser Artikel erschien in der BOOTE EXCLUSIV-Ausgabe 03/2018 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.


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