Friedrich W. Pohl
· 10.04.2023
Die vierte Wallycento heißt „Tango“. Mills Design entwarf eine 30 Meter lange Bühne für elegante Crewpirouetten an Deck. Persico Marine baute ein Surfbrett mit sechs Meter Tiefgang. Pininfarina entwickelte das sparsame Interieur
Wally nicht zu lieben fällt schwer. Zumindest all jenen, die ein Herz und wenigstens ein Auge für das wohl reduzierteste Design schneller Segelyachten ab 24 Metern aufwärts riskieren, die derzeit zu haben sind. 1994 trat Wally an, um nicht etwa eine Marktlücke zu besetzen, sondern einen eigenen Markt überhaupt zu schaffen: rasante Segelyachten mit unverwechselbar italienischem Styling.
Luca Bassani Antivari, der Erfinder und Gründer der Marke Wally, verkündete zur Premiere der 30 Meter langen Wallycento „Tango“ wieder sein Mantra: Die DNA der Cruiser/Racer von Wally heiße „schön und superschnell“. „Wallycento“ taufte der Mann für die italienische Haute Couture der Segelyachten die 100-Fuß-Klasse seiner Marke. „Tango“, so Bassani zu den ersten tänzelnden Schritten seiner neuen Ballerina, sei ein weiterer evolutionärer Schritt der High Performance Superyachts, die von ihren drei Vorgängerinnen profitiere. Womit klar ist, dass der Markenchoreograf Bassani die Entwicklung der Wallycentos nicht etwa in einer strengen Einheitsklasse einfriert. Jeder neue Wallycento-Eigner steht mit seinen Verbesserungen als Zwerg auf den Schultern eines Riesen, nämlich auf der Erfahrungssumme der bisherigen Cento-Eigner. Drei 100er-Slups gehörten vor „Tango“ zu Bassanis Wallycento-Ensemble: „Open Season“ (Thomas Bscher, Design: Judel/Vrolijk, 2012), „Magic Carpet 3“ (Sir Lindsay Owen Jones, Design: Reichel/Pugh, 2013) und „Galateia“ (Switchback Marine, Reichel/Pugh, 2015).
Riss und Architektur von „Tango“ zeichnete Mark Mills’ Designbüro an der irischen Ostküste, ein Stück weiter südlich von Dublin. Der Konstrukteur freute sich denn auch, dank eines ideenfreudigen Eigners und Bassanis Antriebskraft neue Lösungen in Sachen „speed and beauty“ finden zu dürfen. Klar war, dass die Früchte seiner Überlegungen „bei einer schon im Ansatz so aggressiven Klasse“, so Mills, nicht leicht zu haben sein würden. Mills konzentrierte sich neben den Rumpflinien auf die Anhänge Ruder und Kiel und auf die Gewichtsreduktion von Material und technischen Systemen, die Zentralisierung des Interieurs und eine dynamischere Rigg-Justierung. Dazu kam eine ergonomische Entwicklung des Decks, um Crewmanöver zu vereinfachen. „Die Fock ist in sechs Sekunden gesetzt“, freut sich Bassani über das Ergebnis. Diese Verbesserungen hatten auch Folgen für die Linien über Wasser, nämlich einen umgekehrten Sprung: Auf Höhe des Masts überragt der Freibord Bug und Heck. Zudem gehe das Cockpit völlig frei von Stolperfallen in das Vordeck über, „praktische Antworten auf technische Entwicklungen“, so Mills. Seine Designer bügelten das „Tango“-Deck glatt wie ein Surfbrett. „Die optische Strenge wirkt überwältigend“, lobt Mills das Resultat.
Das „ramp deck“, wie er es nennt, erlaube eine ununterbrochene Linie vom Bug bis zum Heck: „Sensationell!“ Das helfe nicht nur bei Manövern der Crew, sondern sorge auch für eine höhere Festigkeit der Konstruktion. Diese Konstruktion mit überzeugender Decksgeometrie berge auch die Chance, den Schwerpunkt des Innenausbaus an der tiefsten Stelle des Rumpfs unterzubringen.
Diese Innovationen auf einmal in einem neuen Projekt zu vereinigen sei nicht ganz risikofrei gewesen. „Aber jetzt, wo sie segelt, bin ich selbst begeistert, wie erfolgreich die Integration der neuen Elemente funktioniert.“ Backbords und steuerbords gibt immerhin ein knapp kniehohes Schanzkleid Halt, wie auf der 45 Meter langen Wally „Esense“. Den gnadenlos konsequenten Flushdeck-Stil ergänzt kräftige Harken-Hardware.
Nicht zuletzt sorgt auch die Mühelosigkeit des Interieurs von Pininfarina für die Agilität, aber „der Bootsspeed verursacht im Kontakt mit Wasser durch das blanke Carbongehäuse unter Deck eindrucksvolle Rumpfgeräusche“, erzählt BOOTE-EXCLUSIV-Chefredakteur Martin Hager, der „Tango“ bereits unter den Füßen und in den Händen hatte.
Zusammen mit der monegassischen Projektleitung MYT und den Mills-Designern widmeten sich nicht nur die Gestalter von Pininfarina, sondern auch die italienische Werft Persico Marine in Nembro bei Bergamo der „Tango“-Vollendung.
Mit den letzten drei arbeitete Wally zum ersten Mal zusammen. Die Designer von Pininfarina mit ihrer berühmten Automobiltradition, nicht zuletzt bei Ferrari, teilen das Automotive-Engagement mit Persico. Die Persico Group arbeitet neben Automobil- und Marineaufträgen weltweit auch für die Luftfahrtindustrie, in den USA, in China und Mexiko, mit Designern, Ingenieursleistungen und Produktionsstätten. CEO Marcello Persico hatte sich mit seiner Werft durch seine Volvo Ocean Racer für das Rennen 2017, Mini-Maxi-Beiträge und AC-Katamaran-Plattformen und -Flügel qualifiziert. „Von der Zusammenarbeit mit Persico Marine sind wir begeistert“, lobt Bassani. „Persico vervollkommnete unser 20-jähriges Knowhow. ,Tango‘ zeichnet sich durch federleichte Festigkeit aus.“
Den Startschuss für diese Kooperationen gab der Eigner ab, „mit einem Briefing für die Kombination von Segelleistung und Stil“, erklärt Bassani. Er wisse als erfahrener Regattasegler selbst, wie wichtig auch die optische Attraktivität sei. Geschwindigkeit allein reiche nicht. Er sei stolz, wie Wally mit „Tango“ Form und Funktion miteinander umsetze.
Das Surfbrett-Deck übernahmen die Mills-Designer übrigens vom Deck ihrer Maxi 72 „Alegre“, Baujahr 2013. „Tango“ kombiniert also Gene von „Alegre“ und „Esense“, „eine Widerspiegelung der Wally-DNA in Sachen Verbesserung der Funktionalität“, so Bassani. Pininfarina, begeistert er sich weiter, sei der ideale Partner gewesen, um die pure „Tango“-Sportlichkeit mit stilvollem Superyachtcharakter im Inneren zu vermählen. Der visionär denkende Eigner war mit der Integration des italienischen Designstudios sofort einverstanden. Er folgte dem Ratschlag von Marcello Persico, der mit Pininfarina in der Automobilbranche bereits lange und fruchtbare Erfahrungen gesammelt hatte. „Von Beginn an waren wir bei Wally stets offen für neue Partner bei der Projektentwicklung“, weiß Bassani. Input von außen sei wichtig. Pininfarina sei sehr erfolgreich gewesen, bei der sehr speziellen „Tango“-Aufgabe, die Konsistenz in der Gestaltung des Innen und Außen zu wahren.
Mit der Formulierung der Designgrundsätze und der Koordination des Projekts hatten Eigner und Wally das Büro MYT beauftragt, Monaco Yacht Temptation, das mit der Wally-Welt vertraut ist. „Die ,Tango‘-Entwicklung verdankt ihren Erfolg nicht zuletzt Carlo Torre und seinem Team“, lobt Bassani seine Nachbarn in Monaco vom Boulevard Albert I.
Auf dem Ruder liege sie ausgewogen und reagiere schnell, schwärmt Bassani. „Radikale Racing-Maschine mit unglaublich viel Power“, so empfand Hager die KCrbon-Konstruktion während seiner Zeit am formschönen „Tango“-Rad. „Der fast vier Meter lange Carbon-Dolch unterm Heck baut einen kräftigen Ruderdruck auf.“ Das habe Folgen für die Kraftnatur des Rudergängers. „Zweifingersteuern ist nicht drin“, und das bei Leichtwind am Testtag. Hager würde seiner Wallycento ein Doppelruder spendieren: „Feinfühliger.“ Mit anderen Worten: „Tango“ verlangt im Fight den ganzen Rudergänger.
Die schnelle Reaktion kann Hager bestätigen: „Dank der Verdrängung von nur 47 Tonnen springt sie schnell an.“ Und dieses schnelle Starten wirkt sich auf den „Tango“-Speed aus. „Sie läuft bei ganz leichtem Wind easy acht Knoten, in leichten Böen sofort zehn.“ Weht es kräftiger, sagen die VPP-Prognosen berauschende Surf-Einlagen voraus.
Eine Performance-Slup wie „Tango“ lechzt nach Regatten. Nicht nur beim Maxi Yacht Rolex Cup segeln die Wallys bereits seit Jahren in einer eigenen Klasse. Im Jahr 2018 trafen sich die rasanten Cruiser/Racer im Mai vor Palma de Mallorca zum Palmavela, im Juni vor Saint-Tropez zum Giraglia Rolex Cup, im September zum Maxi Rolex Cup vor Porto Cervo und Ende September zu den Voiles de Saint-Tropez.
Innerhalb der Wallys selbst hatte die jüngste Wallycento „Galateia“ im September 2017 die Nase vorn: in sechs Wettfahrten zwei erste und zwei zweite Plätze. Das reichte für den Sieg über alles unter elf Wallys. Wie sich „Tango“ in Zukunft gegen „Galateia“ schlagen wird, wissen wir spätestens in einem halben Jahr.