Der Plan stand, doch das Wetter spielte nicht mit. Erst blies der Wind zu stark, dann war der Wasserstand rund um die Rügenbrücke zu hoch. Schließlich klappte es am 6. Juni dann doch, und zwei Schlepper manövrierten die „Gorch Fock I“ vom Stralsunder Hafen zum Gelände der nahen Volkswerft.
Was die 90 Jahre alte Dame in dem neuen Maritimen Industrie- und Gewerbepark erwartet, ist eine großzügige Frischekur. Für mehr als zehn Millionen Euro überholt die Stralsunder Tochter des norwegischen Schiffbauers Fosen Yard die Takelage und sorgt dafür, dass die 82 Meter lange Bark für die nächsten 25 Jahre wieder schwimmfähig ist. Die letzte Bescheinigung war 2020 abgelaufen. Bis Ende dieses Jahres sollen die Arbeiten dauern.
Möglich macht die Aktion ein Deal: Im Februar hatte die Stralsunder Bürgerschaft beschlossen, dass die Hansestadt das ehemalige Segelschulschiff kauft und wieder instand setzt – diese Übernahme war die Voraussetzung dafür, dass der Bund Mittel aus dem Förderprogramm „KulturInvest“ für den Erhalt beziehungsweise die Grundsanierung des Dreimasters zuschießt.
Von den aktuell geplanten 10,5 Millionen Euro Reparaturkosten kommen 9,5 Millionen Fördermittel von der EU, dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Hinzu kommt der Eigenanteil der Kommune, bezahlt vom Tall-Ship Friends e. V., der die „Gorch Fock I“ als Museumsschiff betreibt.
Die Bark wird häufig mit der „Gorch Fock“ verwechselt, dem aktuellen Schulschiff der Bundesmarine mit Heimathafen in Kiel, Baujahr 1958. Bei der Nummer 1 beginnt die Geschichte im Dezember 1932, als die Reichsmarine die Werft Blohm + Voss in Hamburg mit dem Projekt beauftragt.
Nach einer rekordverdächtigen Bauzeit von nur 100 Tagen läuft die „Gorch Fock“ am 3. Mai 1933 vom Stapel, tritt am 27. Juni ihren Dienst an und arbeitet bis 1939 als Schulschiff, mit Platz für knapp 200 Seekadetten. Im Zweiten Weltkrieg kommt sie als Wohnschiff zum Einsatz, in Swinemünde, Kiel und ab 1944 in Stralsund.
Am 27. April 1945 wird die „Gorch Fock“ abgetakelt und außer Dienst gestellt. Drei Tage später, nach einem Beschuss der sowjetischen Armee, versenkt die Besatzung das Schiff im Strelasund, um es vor dem Zugriff durch die Rote Armee zu bewahren. Zwei Jahre später heben die Sowjets die Bark, bringen sie nach Stralsund und überholen sie bis 1950 in Rostock und Wismar.
Anschließend fährt sie als Ausbildungsschiff unter dem Namen „Towarischtsch“, kommt 1991 unter ukrainische Flagge und landet 1999 mit Hilfe der Tall-Ship Friends in Wilhelmshaven. Dort wird die „Gorch Fock I“ im Jahr 2000 zum Flaggschiff der „Expo am Meer“.
2003 kaufen die Tall-Ship Friends den Dreimaster von der Ukraine und legen ihn wieder nach Stralsund, wo die damalige Volkswerft das Schiff auf Vordermann bringt. Nach der Taufe erhält sie offiziell ihren Namen zurück, mit Hilfe des „Fördervereins Gorch Fock“ entsteht an Bord ein Museum.
Seit 2016 listet das Land Mecklenburg-Vorpommern die Bark als Denkmal, sie wird für Veranstaltungen vermietet und bildet eine romantische Kulisse für Hochzeiten. Langfristig möchten die rund 1.300 Tall-Ship Friends den Dreimaster nicht nur barrierefrei zugänglich machen, sondern wieder unter Segeln in See stechen. Der gemeinnützige Verein „für den Erhalt der traditionellen Windjammer- und Pflege der Seefahrtskultur“ bietet auch Gästetörns an, zum Beispiel auf der „Alexander von Humboldt II“.